07.10.2015
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Während sich die Höhe von Bußgeldern wegen Kartellverstößen normalerweise nach dem Umsatz mit dem kartellierten Produkt richtet, können nach einer Entscheidung des EuGH auch Umsätze mit weiterverarbeiteten Produkten berücksichtigt werden. Dies gilt sogar dann, wenn der Verkauf und die Weiterverarbeitung der kartellierten Produkte außerhalb Europas stattfanden (Urteil vom 9. Juli 2015, Rs. C-231/14 P – „InnoLux“ – LCD-Kartell). Diese Entscheidung erlaubt es der Kommission, deutlich höhere Bußgelder festzusetzen.
Die Höhe eines Bußgeldes durch die Europäische Kommission bei Kartellrechtsverstößen richtet sich nach der Schwere der Zuwiderhandlung. Dabei ist die Höhe des Umsatzes mit den Produkten, die mit dem Kartellrechtsverstoß im Zusammenhang stehen, ein wesentliches Kriterium. Je mehr Umsätze einberechnet werden, desto höher ist das Bußgeld, das von der Kommission verhängt wird.
Im Fall InnoLux ging es um ein LCD-Kartell. LCD werden zur Produktion von Flachbildschirmen eingesetzt. Verarbeitungsprodukte sind z. B. Fernseh- oder Computerbildschirme. Wegen der Verarbeitung der LCD stellte sich die Frage, welche Umsätze mit LCD des weltweit tätigen Unternehmens InnoLux Corp. („InnoLux“) als kartellbetroffen zur Umsatzberechnung herangezogen werden können. InnoLux ist ein Unternehmen, das vertikal integrierte Tochterunternehmen außerhalb des EWR (Europäischer Wirtschaftsraum = EU, Island, Liechtenstein, Norwegen) hat. Aus dieser Konstellation ergaben sich drei Kategorien von relevanten Umsätzen:
Daraus ergaben sich zusammenfassend folgende Umsatzarten:
Bei der Berechnung des kartellbetroffenen Umsatzes hat die Kommission unmittelbare Verkäufe und Verkäufe durch Tochterunternehmen zur Berechnung des kartellbetroffenen Umsatzes herangezogen, was der EuGH billigte. Ob die Kommission mittelbare Verkäufe hätte einbeziehen können, musste der Gerichtshof nicht entscheiden.
Es ist bemerkenswert, dass der EuGH nicht nur den Umsatz aus unmittelbaren Verkäufen, sondern auch aus Verarbeitungsprodukten, also den Fernseh- und Computerbildschirmen, einbezieht. Damit kommt es in Zukunft nicht allein darauf an, wohin Produkte verkauft werden, sondern auch darauf, wohin der Verkäufer diese weiterverkauft. Der EuGH begründet die Einbeziehung der Verkäufe durch Tochterunternehmen damit, dass sich ein Unternehmen wettbewerbsrechtlichen Sanktionen nicht durch konzerninterne Verkäufe entziehen können soll. Denn dazu müssten kartellierte Produkte lediglich außerhalb des EWR an Tochterunternehmen verkauft werden und schon wären diese Umsätze nicht mehr zu berücksichtigen.
Völlig offen ist, ob die Rechtsprechung gleichermaßen bei mehreren Verarbeitungsstufen urteilen würde, denn mit jeder Verarbeitungsstufe nimmt der rechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen Verstoß und Schädigung ab.
In der Zukunft wird interessant sein, ob auch mittelbare Verkäufe über Drittunternehmen bei der Festsetzung des Bußgeldes berücksichtigt werden dürfen. Die Entscheidung InnoLux begnügt sich damit, eine Begründung zu liefern, warum Verkäufe durch Tochterunternehmen einbezogen werden können, und stützt sich dabei auf das Merkmal der wirtschaftlichen Einheit. Daraus könnte man im Umkehrschluss folgern, dass mittelbare Verkäufe nicht einbezogen werden können, weil hier keine wirtschaftliche Einheit von Verkäufer und Käufer vorliegt. Der EuGH hat aber auch betont, dass es wichtig ist, mit einem Bußgeld die wirtschaftliche Bedeutung des Kartellverstoßes angemessen zu berücksichtigen. Es ist daher auch denkbar, dass der EuGH mittelbare Verkäufe einbeziehen wird.
Kartellrechtlich logisch wäre es, wenn die Rechtsprechung mittelbare Verkäufe nicht einbezieht. Die Verkäufe durch Tochterunternehmen sind eigentlich mittelbare Verkäufe, die nicht zu berücksichtigen sind. Die Kommission hat dem EuGH die Einbeziehung dieser Verkäufe erleichtert, indem sie diese mittelbaren Verkäufe in „unmittelbare Verkäufe durch Verarbeitungsprodukte“ umbenannt hat. Die Einbeziehung dieser Verkäufe lässt sich über den Begriff der wirtschaftlichen Einheit auch sachlich rechtfertigen. Ohne diese Rechtfertigung dürfen mittelbare Verkäufe ansonsten aber kartellrechtlich nicht einbezogen werden.
Der Generalanwalt hatte außerdem bereits für Verkäufe durch Tochterunternehmen Probleme bei der internationalen Zuständigkeit und dem Verbot der Doppelbestrafung gesehen. Denn je mehr ausländische Umsätze berücksichtigt werden, desto eher werden Unternehmen von mehreren Wettbewerbsbehörden für das gleiche Verhalten bestraft.
Das Urteil unterstützt die Kommission bei der Festsetzung hoher Bußgelder. Indem auch fernliegende Umsätze bei der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden, wird die Höhe der verhängten Bußgelder entsprechend dem allgemeinen Trend der letzten Jahre weiter nach oben gehen.
Für Unternehmen ist nun klar, dass Verkäufe innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit (z. B. eines Konzerns) bei einem Bußgeld berücksichtigt werden können, auch wenn die Käufer außerhalb Europas das gekaufte Produkt weiterverarbeiten und erst später in den EWR verkaufen. Kartellanten können sich also ihrer Haftung nicht entziehen, indem sie ihre kartellierten Produkte innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit und anschließend als Verarbeitungsprodukt verkaufen. Offen ist allerdings, ob diese Rechtsprechung auch bei mehreren Verarbeitungsstufen greifen würde.
Gleichzeitig lässt das Urteil bei nur mittelbaren Verkäufen die Möglichkeit offen, diese Umsätze bei der Höhe des Bußgeldes nicht zu berücksichtigen. In künftigen Bußgeldverfahren sollten Unternehmen in einem entsprechenden Fall offensiv gegen eine Einbeziehung mittelbarer Verkäufe vorgehen, jedenfalls dann, wenn diese von Drittunternehmen getätigt werden.
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
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Dem EuGH liegt derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs Lettlands (Augstākā tiesa) vor,in dem der Gerichtshof um eine Präzisierung der Kriterien gebeten wird, anhand derer zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen zu unterscheiden ist (Rs. C-345/14 – Maxima Latvija). Zwar macht diese Differenzierung im Hinblick auf die Rechtsfolge bekanntermaßen keinen Unterschied – verboten ist beides nach deutschem und europäischem Kartellrecht. Dennoch ist die Grenzziehung höchst bedeutsam: Ist eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, muss die Kartellbehörde keine wettbewerbsschädlichen Wirkungen der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise zwischen den Unternehmen nachweisen, sondern kann diese einfach unterstellen (Rs. C-8/08 – T-Mobile Netherlands, Rs. C-501/06 – GlaxoSmithKline). In jüngerer Zeit hat sich der EuGH zu dieser Abgrenzung mehrfach geäußert, bislang aber nur wenig zu einer Klärung beigetragen.
Im Jahr 2013 stützte sich der EuGH in der Rs. C-32/11 – Allianz Hungária (Ur teil vom 14. März 2013) zunächst auf Aussagen, die aus früheren Entscheidungen der Europäischen Kommission und insbesondere aus seiner eigenen Rechtsprechung bereits bekannt waren:
Darüber hinaus zog der EuGH im konkreten Fall die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die tatsächlichen Marktbedingungen und die Marktstruktur heran und stellte zusätzlich auf die Existenz und Bedeutung alternativer Vertriebswege und die Marktmacht der betroffenen Gesellschaften ab. Diese Kriterien sind zwar im Zusammenhang mit der Prüfung einer Wettbewerbsbeschränkung größtenteils nicht neu, spielten dort aber bislang bei der Frage des Bewirkens eine Rolle. Der EuGH zog sie in der Rs. C-32/11 – Allianz Hungária jedoch heran, um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festzustellen. Damit hat er den Begriff des „Bezweckens“ tendenziell ausgeweitet und gleichzeitig die Grenze zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung verwischt – die Verwirrung war komplett.
Rund eineinhalb Jahre später hob der EuGH in der Rs. C-67/13 – Groupement des cartes bancaires (Urteil vom 11. September 2014) die Entscheidung des EuG in der Rs. T-491/07 auf. Dieses hatte – unter dem Eindruck des vorgenannten Urteils des EuGH in der Rs. C-32/11 – Allianz Hungária – festgestellt, der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung sei „nicht eng auszulegen“, also eher weit zu fassen. Der EuGH widersprach dem jedoch und bezeichnete als „das wesentliche rechtliche Kriterium“, ob „eine solche Koordinierung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt.“ Der Gerichtshof rückte damit die Natur der Vereinbarung selbst in den Vordergrund und machte deutlich, dass die in der Rs. C-32/11 – Allianz Hungária genannten weiteren Kriterien nur hilfsweise heranzuziehen (wenn auch nicht vollständig zu vernachlässigen) sind. Andernfalls sei die Kommission zu leicht von Verpflichtung entbunden, die konkreten Auswirkungen auf den Markt zu beweisen.
Damit scheint die mit dem Urteil in der Rs. C-32/11 – Allianz Hungária ausgelöste Verwirrung durch die Entscheidung in der Rs. C-67/13 – Groupement des cartes bancaires jedenfalls ein Stück weit wieder aufgelöst worden zu sein: Der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist eher eng auszulegen, und die Natur der Vereinbarung bleibt weiterhin das wichtigste Kriterium. Allerdings können auch weitere Kriterien herangezogen werden. Eine Erklärung für das „Hin und Her“ ist möglicherweise darin zu sehen, dass beide Urteile von verschiedenen Kammern des EuGH gefällt wurden.
Dass die Europäische Kommission damit nach wie vor nicht allzu rasch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung annehmen darf und ihr eine umfassende Nachweispflicht auferlegt wird, ist im Sinne der Rechtspraxis. Die Ausdehnung des Prüfungsprogramms auf zusätzliche und zudem sehr offen formulierte Kriterien ist indes bedenklich und beseitigt die erhebliche Rechtsunsicherheit nicht. Wie auch zuletzt von den Generalanwälten Nils Wahl (Rs. C-67/13 – Groupement des cartes bancaires) und (sehr ausführlich) Melchior Wathelet (Rs. C-373/14 – Toshiba) hervorgehoben, wäre hier eine Klarstellung durch den EuGH wünschenswert. Insbesondere eine stärkere Ausformung von Fallgruppen wäre hilfreich. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH in der Rs. C-345/14 – Maxima Latvija die Gelegenheit dazu ergreift.
Franz-Rudolf Groß, LL.M. (London)
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Dr. Martin A. Steger
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Das EuG hat im Fall voestalpine die Bußgeldhaftung eines Geschäftsherrn für Kartellverstöße des Handelsvertreters bejaht, obwohl nach der früheren Rechtsprechung die Haftung zu verneinen gewesen wäre (Urteil vom 15. Juli 2015, Rs. T-418/10 – Spannstahlkartell). Das Gericht hat damit die Bußgeldhaftung für eine Vielzahl von Unternehmen verschärft. Die Bedeutung des Urteils reicht weit über den entschiedenen Fall hinaus.
Bei einer wirtschaftlichen Einheit kann jede Teileinheit für alle Kartellrechtsverstöße anderer Teileinheiten mit einem Bußgeld belegt werden. Die voestalpine AG bestritt vor dem EuG die Bußgeldhaftung der voestalpine AG und der voestalpine Austria Draht GmbH („Austria Draht“), weil keine wirtschaftliche Einheit zwischen dem Handelsvertreter auf der einen und Austria Draht und der voestalpine AG auf der anderen Seite bestanden habe.
Nach der früheren Rechtsprechung des EuGH hätten für die Bejahung der wirtschaftlichen Einheit zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Der Handelsvertreter hätte selbst wirtschaftliche Risiken tragen müssen und in die Absatzorganisation des Geschäftsherrn eingegliedert sein müssen.
Nach dem Kriterium des wirtschaftlichen Risikos waren der Handelsvertreter und die voestalpine AG als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Es stellte sich aber die Frage, ob auch das an sich erforderliche Eingliederungskriterium (Ausschließlichkeitskriterium) erfüllt war. Der Handelsvertreter war zu 75 % als Vertriebsleiter eines anderen Unternehmens und zu 25 % als Handelsvertreter für Austria Draht tätig. Angesichts dieser Nebentätigkeit war das Eingliederungskriterium nicht erfüllt.
Interessanterweise bejahte das EuG trotzdem die wirtschaftliche Einheit der voestalpine AG mit dem Handelsvertreter und damit auch die Haftung der voestalpine AG für die Geldbuße wegen Kartellrechtsverstößen des Handelsvertreters. Beide Firmen, für die der Handelsvertreter arbeitete, waren am Kartell beteiligt. Die Doppelvertretung begünstigte daher sogar die Abstimmung innerhalb des Kartells. Dieser Faktor sollte also nicht entlastend, sondern belastend zu berücksichtigen sein. Sonst könnten sich Kartellanten einer Geldbuße entziehen, indem sie zusammen einen Handelsvertreter beauftragen.
Diese Kehrtwende der Rechtsprechung mag damit zu tun haben, dass die beiden Kriterien im Zusammenhang mit dem sogenannten Handelsvertreterprivileg (welches Absprachen zwischen Geschäftsherrn und Handelsvertreter kartellrechtlich privilegiert) aufgestellt worden waren. Nun hat die Rechtsprechung offenbar erkannt, dass die Aufgabe des Kriteriums der Eingliederung eine willkommene weitere Bestrafung von Horizontalkartellen ermöglicht.
Hieran schließt sich der nächste Faustschlag ins Gesicht vieler Unternehmen an: Für das EuG kommt es nicht darauf an, ob der Geschäftsherr überhaupt etwas von den Kartellverstößen wusste. Ein Handelsvertreter ist bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit wie ein Arbeitnehmer zu behandeln, dessen Handlungen dem Arbeitgeber auch ohne seine Kenntnis zugerechnet werden.
Das Urteil des EuG stimmt im Ergebnis mit einer neuen Linie des EuGH in den Fällen CEEES von 2006 (C-217/05) und CEPSA von 2008 (C-279/06) überein, die in der Loslösung der Rechtsprechung von der Eingliederungstheorie besteht: Obwohl die Gerichte das Eingliederungskriterium bisher nicht explizit aufgegeben haben, wenden sie es zunehmend nicht mehr an. Damit folgt die Rechtsprechung der Praxis der Europäischen Kommission.
Die Haftung von Unternehmen für Kartellrechtsverstöße ihrer Handelsvertreter verschärft sich dramatisch. Die Verstöße können den Unternehmen leichter zugerechnet werden, sodass die Unternehmen bei einer Geldbuße mithaften. Dies gilt sogar, wenn die Kartellverstöße einem Geschäftsherrn unbekannt sind. Unternehmen müssen daher bei ihren Compliance-Programmen prüfen, ob ihre Handelsvertreter eine wirtschaftliche Einheit mit ihnen bilden und dementsprechend ihre Compliance-Programme auf die Handelsvertreter ausweiten. Es genügt aber nicht, künftige Verstöße zu verhindern, sondern es müssen auch bereits erfolgte Verstöße von Handelsvertretern aufgearbeitet werden. Insofern führt diese Rechtsprechung zu einer Erweiterung der Agenda für Compliance-Officer.
Ein geringer Trost hingegen ist, dass es nunmehr leichter werden kann, das Handelsvertreterprivileg in Anspruch zu nehmen, denn hier handelt es sich meist nicht um die besonders hart bestraften Horizontalkartelle (wie im Fall voestalpine).
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
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Die EU-Richtlinie zum Kartellschadensersatz 2014/104/EU (Richtlinie) muss von den Mitgliedstaaten bis Ende 2016 umgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat ihre Verfahrensregeln bereits jetzt, nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens, geändert. Sie will damit sicherstellen, dass sie Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen nicht offenlegen muss. Zudem will sie sichergehen, dass sie Informationen, die während des Verfahrens erstellt werden, bis zum Abschluss des gesamten Bußgeldverfahrens nicht an nationale Gerichte übermitteln muss. Mit den Änderungen beabsichtigt sie, ihre laufenden Ermittlungsverfahren zu schützen und die Attraktivität von Kronzeugenprogrammen zu erhalten. Denn diese Programme sind ein Erfolgsgarant der Kartellverfolgung. Mit den Änderungen zum Schutz ihres Kronzeugenprogramms hat die Kommission zudem ihr bislang lediglich in einer Mitteilung geregeltes Programm auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, allerdings ohne dass damit inhaltliche Änderungen verbunden wären.
Die Richtlinie fordert von den Mitgliedstaaten, dass Schadensersatzkläger (in bestimmten Fällen auch Kartellanten) im Prozess beantragen dürfen, das Gericht möge die Offenlegung von Beweismitteln anordnen. Eine solche Anordnung muss gegen den Beklagten, aber auch jeden anderen, etwa gegen Kartellbehörden ergehen können. Zu keinem Zeitpunkt darf ein Gericht jedoch die Offenlegung von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen anordnen. Erlangt jemand allein durch Einsicht in die Akten einer Kartellbehörde solche Unterlagen, dürfen sie nicht in Verfahren über Schadensersatzklagen verwendet werden.
Diese Gedanken der Richtlinie hat die Kommission aufgegriffen und festgelegt, dass
Die Kommission hat trotz mehrerer Hinweise im Konsultationsverfahren keinen vollständigen Gleichklang mit der Richtlinie hergestellt. Der Schutz in Punkt 3. geht weiter als die Richtlinie von den Mitgliedstaaten verlangt. Denn im Gegensatz zu der Richtlinie sind nicht nur Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen als Beweismittel unzulässig, sondern bereits die „Informationen aus diesen Erklärungen“ (Art. 16a Abs. 2 VO 773/2004). Zwar können auch die Mitgliedstaaten einen weitergehenden Schutz regeln, als die Richtlinie verlangt. Die Kommission gibt mit ihren Änderungen aber bereits zu verstehen, dass ihr der Schutz der Richtlinie – so wie ihn der Rat und das Europäische Parlament vorgesehen haben – nicht weit genug geht und schafft einen Anreiz, von einer Vereinheitlichung abzurücken.
Informationen, die jemand eigens für das Ermittlungsverfahren der Kommission erstellt, oder die die Kommission im Laufe ihres Verfahrens erstellt und den Parteien übermittelt, sind gemäß der Richtlinie ebenfalls zu schützen. Anders als Kronzeugenanträge und Vergleichsausführungen dauert ihr Schutz aber nicht ewig, sondern nur bis zum Abschluss des Bußgeldverfahrens. Auch die Verfahrensregeln der Kommission sehen vor, diese Informationen solange zu schützen, bis die Kommission ihr Verfahren beendet hat (Art. 16a Abs. 3 VO 773/2004 und Rn. 26b der Mitteilung über die Zusammenarbeit mit nationalen Gerichten).
Während die Richtlinie diesen Schutz allerdings pauschal bis zum Verfahrensabschluss gewährt, sehen die Verfahrensregeln der Kommission einen Schutz bis zum Abschluss gegen alle von der Untersuchung betroffenen Personen vor. Auch auf diese Diskrepanz wurde im Konsultationsverfahren mehrfach hingewiesen. Sicher wird der Schutz laufender kartellbehördlicher Ermittlungen nur vollständig gewährleistet, wenn die Informationen erst mit Abschluss des gesamten Bußgeldverfahrens gegen alle betroffenen Personen offengelegt werden. Auch droht eine Verjährung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Kartellanten durch die Regelung nicht. Denn mit Rechtshängigkeit der Klage bei Gericht ist der Anspruch gehemmt, unabhängig davon wie lange der Prozess dauert – zum Beispiel weil die einzelnen Beweismittel wegen der Regelung erst lange Zeit nach Beginn des Verfahrens von der Kommission übermittelt werden. Gegen das Vorgehen der Kommission spricht jedoch, dass der Geschädigte lange Schadensersatzprozesse in Kauf nehmen muss.
Es überrascht auf den ersten Blick, dass die Kommission ihre Regeln für Kartellverfahren so kurz nach Inkrafttreten der Richtlinie geändert hat, die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht hingegen ihre Frist bis Ende 2016 wahrscheinlich ausschöpfen werden. Anders als die Kommission müssen die Mitgliedstaaten nicht nur die Regeln zur Offenlegung von Beweismitteln anpassen, sondern auch andere Regelungen, insbesondere zur Gesamtschuld und Verjährung. Positiv an den Änderungen der Kommission ist, Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen zu schützen. Fraglich ist jedoch, ob der Schutz über den der Richtlinie hinausgehen muss. Freilich können auch die Mitgliedstaaten dieselbe Regelung treffen, weil die Richtlinie ihnen ja nur einen Mindeststandard zwingend vorgibt. Eine Vereinheitlichung wird mit dem Vorgehen allerdings nicht erzielt. Ob die Regelung, Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen zu keinem Zeitpunkt für Schadensersatzklagen offenzulegen, den EuGH-Urteilen Pfleiderer, DonauChemie und EnBW entspricht, ist ebenso fragwürdig wie die Rechtmäßigkeit der gleichlautenden Regelung der Richtlinie. Dieser Punkt wird sicherlich vor die Europäischen Gerichte getragen werden.
Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London)
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Dr. Patricia Rogosch
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Fusionskontrollanmeldungen in der Ukraine sind mühsam. Zum einen ist eine Anmeldung schon erforderlich bei dem kumulativen Vorliegen eines weltweiten Umsatzes/Anlagevermögens der beteiligten Parteien von EUR 12 Mio., eines weltweiten Umsatzes/Anlagevermögens zweier Parteien von jeweils mindestens EUR 1 Mio. und eines Ukraine-weiten Umsatzes/Anlagevermögens einer Partei von mindestens EUR 1 Mio. Diese Hürden sind schnell überschritten. Zum anderen ist das Prozedere mühsam, langwierig und aus Sicht der Parteien aufgrund der niedrigen Anmeldehürden oftmals schlichtweg übertrieben.
Die ukrainische Kartellbehörde („AMC“) hat nun am 15. September 2015 neue Leitlinien zur Berechnung von Bußgeldern – sowohl für Kartellverstöße, als auch für die Verletzung der Regeln der Zusammenschlusskontrolle – veröffentlicht. Nach diesen Leitlinien können Bußen von bis zu 5 % des weltweiten Unternehmensumsatzes für Verstöße gegen Fusionskontrollregeln (z. B. die Nichtanmeldung eines Zusammenschlusses trotz formalen Vorliegens der Anmeldevoraussetzungen), sowie solche von bis zu 10 % des weltweiten Unternehmensumsatzes für Kartellverstöße verhängt werden. Hierbei handelt es sich um Höchstbeträge – die in der Praxis verhängten Bußgelder lagen bislang deutlich darunter. Die Leitlinien enthalten weiter Regeln zur genauen Berechnung der Bußgeldhöhe, u. a. auch für die Nichtbeantwortung von Auskunftsersuchen oder die Übermittlung falscher Informationen.
Betreffend Verstöße gegen die Fusionskontrollregeln hat die AMC eine 1-jährige „Amnestie“ ausgesprochen. Ab 15. September können Unternehmen, die fälschlicherweise ihren Zusammenschluss nicht bei der AMC angemeldet und freigeben haben lassen, 1 Jahr lang auch im Nachhinein die Freigabe des Zusammenschlusses beantragen. Für derartige post factum-Anmeldungen hat die AMC ihre Anforderungen an die vorzulegenden Dokumente gekürzt. Indes verhängt sie gegen Parteien, die ihren Zusammenschluss im Rahmen der Amnestie nachträglich anmelden, weiterhin – wenn auch eher symbolische – Bußgelder. Für solche Zusammenschlüsse, die im Rahmen der ersten 6 Monate der Amnestie beantragt werden, beträgt das Bußgeld ungefähr EUR 820,00 (UAH 20.400,00). Für Zusammenschlüsse, die in den darauffolgenden 6 Monaten angemeldet werden, beträgt die Buße ca. EUR 4.100,00 (UAH 102.000,00).
Darüber hinaus wird die AMC keine Informationen zu den im Rahmen der Amnestie angemeldeten Zusammenschlüssen veröffentlichen.
Unternehmen, die bisher für sich entschieden hatten, einen Zusammenschluss trotz Vorliegens der Anmeldevoraussetzungen in der Ukraine ohne entsprechende Anmeldung und Freigabe zu vollziehen, können nunmehr überlegen, ob es für sie sinnvoll wäre, diesen Zusammenschluss im Rahmen des Amnestie-Programms der Ukraine im Nachhinein anzumelden. Insbesondere im Hinblick auf die hohen Bußgeldobergrenzen von bis zu 5 % des weltweiten Unternehmensjahresumsatzes dürfte diese nunmehr mögliche nachträgliche Anmeldung für einige Unternehmen interessant sein.
Dr. Holger Stappert |
Sophie Oberhammer, LL.M. (Los Angeles) |
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Sport ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere. So mag denken, wer sich die EUR 1185 Mio. anschaut, die allein die englische Premier League dieses Jahr für Spielertransfers ausgegeben hat (Bundesliga: immerhin EUR 395 Mio.). Diese beeindruckenden Zahlen führen dazu, dass sich Streitigkeiten im Sportbereich häufen und das Kartellrecht zunehmend eine größere Rolle spielt.
Die Idee, sich das Kartellrecht im Sport zunutze zu machen, ist schon über 90 Jahre alt. 1922 wies der Supreme Court der Vereinigten Staaten eine kartellrechtliche Schadensersatzklage ab, weil Baseball als Sport keine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle – auch wenn Baseball z. B. mit kostenpflichtigen Stadionbesuchen verbunden ist.
Schon in dieser Entscheidung zeigten sich die zwei Seiten des Sports. Kulturell ist Sport nicht dem Wirtschaftsleben zugeordnet, gleichzeitig finden sich dort auch marktwirtschaftliche Elemente. Diese zwei Seiten des Sports sind allgemein anerkannt, die Folgen für das Kartellrecht sind aber umstritten und ungeklärt. Im Fall Pechstein erklärte das OLG München z. B. eine Schiedsklausel für ungültig, weil marktbeherrschende Wettkampfveranstalter wie die Internationale Eislaufunion ihre Marktmacht nicht dazu missbrauchen dürften, die Wettkampfteilnahme von der Unterzeichnung einer Schiedsklausel abhängig zu machen. Im Handball hat es das LG Dortmund als unzulässig angesehen, dass die International Handball Federation deutschen Vereinen Sanktionen androhte, wenn sie ihre Spieler nicht kostenlos der Nationalmannschaft zur Verfügung stellen.
Der EuGH hat sich zur Stellung des Kartellrechts im Sport im Allgemeinen so positioniert (C-519/04 P, Rn. 31):
„Selbst unterstellt, dass diese Regeln den freien Verkehr nicht beschränken, weil sie Fragen betreffen, die allein von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben […], würde dies weder bedeuten, dass die entsprechende spor tliche Tätigkeit zwangsläufig nicht in den Geltungsbereich der Artikel 81 EG und 82 EG [heute Ar t. 101 und 102 AEUV] fällt, noch, dass die genannten Regeln den Tatbestand dieser Artikel nicht erfüllen.“
Konkret wird die Anwendung des Kartellrechts unter anderem im Sport derzeit im Fall Striani: Die Financial-Fair- Play-Regeln (FFPR) der UEFA schreiben europäischen Fußballvereinen vor, dass sie keine bzw. nur geringe Verluste machen dürfen. Die FFPR sollen so die finanzielle Stabilität der europäischen Fußballvereine garantieren und damit auch der Sicherung des Wettbewerbs dienen. Die FFPR der UEFA schränken dafür nach Ansicht des klagenden Spielevermittlers Striani allerdings den Wettbewerb unzulässig ein. Denn im Wettkampf um die besten Spieler, die einen Verein sportlich erfolgreich machen, hindern die FFPR finanzschwache Vereine daran, das nötige Geld (z. B. in Form von Krediten) zu besorgen und zu investieren.
Für die FFPR sprechen Auswüchse im europäischen Fußball in der Vergangenheit. Milliardäre wie Abramowitsch (FC Chelsea) oder Mansour (Manchester City) machten aus mäßigen Vereinen internationale Topklubs, ohne dass Gewinne in Sicht gewesen wären. Dieses Mäzenatentum zulasten wirtschaftlich agierender Vereine wird von den FFPR erschwert. Daneben fördern die FFPR aber auch die Jugendarbeit der Vereine, da Nachwuchsspieler günstig sind und keine Transferzahlungen erforderlich machen. Nicht zuletzt ist es auch im Interesse des Sports, finanziell stabile Vereine zu haben, die den Spielbetrieb nicht einstellen. Ansonsten geriete das System von Auf- und Abstieg in den einzelnen Ligen gegebenenfalls aus den Fugen.
Umgekehrt ist im Wettbewerbsrecht das vorrangige Ziel nicht die finanzielle Stabilität einzelner Unternehmen. Die Insolvenz unfähiger Marktteilnehmer ist im Gegenteil als Ergebnis von Wettbewerb hinzunehmen. Dem Interesse des Sports an einem kontinuierlichen Spielbetrieb kann auch durch die alljährlich stattfindenden Lizenzierungen für die einzelnen Ligen gedient werden. Außerdem ist fraglich, ob die UEFA gezielt reichen Fußballliebhabern die finanzielle Unterstützung von Vereinen erschweren darf. Diese Mäzene heben das Fußballniveau ihres Vereins und fördern so den Sport.
Die FFPR dienen wie die Bankenregulierung der finanziellen Stabilität eines Systems. Während Bankenregulierung dem Anlegerschutz dient, sollen die FFPR dem Fußball dienen. Dabei ist das staatliche Bankenrecht kartellrechtlich unproblematisch, auch wenn wirtschaftliche Handlungsfreiheiten eingeschränkt werden. Am privatrechtlichen Verbandsrecht, den FFPR, scheiden sich die Geister, da private Unternehmen grundsätzlich nicht zur Aufstellung von Marktregeln befugt sind. Trotzdem hat der Sport auch ein Interesse daran, dass seine Besonderheiten im Kartellrecht geschützt werden. Die Frage ist allerdings: Ist dieses Interesse auch kartellrechtlich abgedeckt?
Am Beispiel der FFPR zeigt sich aus unserer Sicht, dass es im Sportbereich darum geht, die richtige Justierung des Kartellrechts zu finden. Zu dieser Thematik interessiert uns Ihre Meinung:
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
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Die Europäische Kommission wird ab Ende des Jahres 2015 keine Kronzeugenanträge mehr per Fax annehmen. Nach dem 31. Dezember müssen alle eingereichten Unterlagen per E-Mail an folgende Internetadresse geschickt werden: „comp-leniency@ec.europa.eu“. Bis zum Ende des Jahres können betroffene Unternehmen noch beide Kommunikationswege nutzen. Die Kommission selbst empfiehlt aber aus Effizienzgesichtspunkten, bereits jetzt ausschließlich das Medium „E-Mail“ zu nutzen.
Das Unternehmen Timab Industries hat eine Klage beim EuGH gegen eine Entscheidung des EuG in der vorhergehenden Instanz eingereicht (Az. C-411/15 P). Das EuG hatte ein Bußgeld in Höhe von EUR 59,85 Mio. aufrechterhalten, das von der Europäischen Kommission gegen Timab Industries wegen Praktiken der Marktaufteilung und Preisfestsetzung bei Tierfutterphosphaten festgesetzt worden war. Die Mitglieder des Futterphosphat-Kartells, das länger als drei Jahrzehnte bestand und sich auf den Großteil des Europäischen Wirtschaftsraums erstreckte, waren insgesamt mit Geldbußen von insgesamt EUR 175.647.000 Mio. belegt worden. Die Bußgeldentscheidung aus dem Jahr 2010 war damals der erste Fall der Europäischen Kommission, in welchem sie ein sog. Hybridverfahren betrieb, in dem das Vergleichsverfahren und das ordentliche Verfahren parallel durchgeführt wurden. Neben dem Beschluss im Zuge des – verkürzten – Vergleichsverfahrens für die dazu bereiten Unternehmen war ein Beschluss im ordentlichen Verfahren gegen Timab Industries ergangen, die sich dem Vergleich nicht anschließen wollten. Im Mittelpunkt der nunmehr erhobenen EuGH-Klage steht der Umstand, dass das Bußgeld wegen der Beendigung außerhalb des Settlement-Verfahrens um fast EUR 15 Mio. höher ausfiel als von der Europäischen Kommission avisiert. Dies lag an der Neubewertung der Umstände und Beweismittel, der Anpassung der Methode zur Berechnung der Geldbuße sowie der Verlängerung des Tatzeitraums um ca. 15 Jahre im Vergleich zum Settlement-Verfahren.
Das Unternehmen Pacific Fruit, Exporteur exotischer Früchte, hat am 4. September 2015 ein Rechtsmittel gegen eine EuG-Entscheidung eingelegt. Das Urteil hatte das von der Europäischen Kommission gegen den Kartellanten Pacific Fruit verhängte Bußgeld wegen unzureichender Beweise für eine Beteiligung im gesamten vorgeworfenen Tatzeitraum um EUR 2,3 Mio. verringert. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Feststellung der europäischen Wettbewerbshüter aus dem Jahr 2011, dass die beiden Konzerne Chiquita und Pacific Fruit von Juli 2004 bis April 2005 im Rahmen eines Kartells, das sich auf Südeuropa erstreckte, Preisabsprachen getroffen und damit gegen das Kartellverbot verstoßen hatten. Die Kommission hatte deswegen Pacific Fruit mit einer Geldbuße in Höhe von EUR 8,919 Mio. belegt. Chiquita war die Geldbuße erlassen worden, weil es die Kommission über das Kartell in Kenntnis gesetzt hatte.
Der amerikanische Mischkonzern General Electric (GE) darf die Energiesparte des französischen Unternehmens Alstom übernehmen. Diese Fusion hat die Europäische Kommission am 8. September 2015 gebilligt. Allerdings genehmigte sie das Geschäft nur unter Auflagen. Von diesen Auflagen nicht betroffen sind die Bereiche Stromerzeugung aus Wärmekraft (außer Gas), Energieübertragung sowie erneuerbare Energien, da sich die Tätigkeiten der Unternehmen hier nicht überschneiden. Alstom muss allerdings den Geschäftsteil Hochleistungsgasturbinen, die v.a. in Gaskraftwerken zum Einsatz kommen, veräußern. Die Auflage wurde erteilt, weil die Europäische Kommission Wettbewerbsnachteile dadurch befürchtete, dass Alstom als drittgrößter Anbieter von Hochleistungsgasturbinen und wichtiger Konkurrent des weltweit größten Herstellers GE vom Markt verschwindet. Wegen der Auflage könnten die bei Vollzug der Fusion zu befürchtenden negativen Auswirkungen geringer Innovationen und höherer Preise verhindert und die Erreichung europäischer Klimaschutzziele befördert werden. Der als potenzieller Käufer ausgemachte kleinere Hersteller Ansald, dessen Marktmacht insbesondere wegen der sehr hohen Anfangsinvestitionen im Bereich Forschung und Entwicklung hinter den großen Unternehmen GE, Siemens, Alstom und Mitsubishi Hitachi Power Systems zurückbleibt, soll durch die Auflage als Wettbewerber aufgebaut werden und die frühere Rolle von Alstom im Markt für Hochleistungsgasturbinen übernehmen.
Die Europäische Kommission hat mit Entscheidung vom 15. Juli 2015 Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 49 Mio. auf dem Markt für sog. „Ganzzugdienstleistungen“ verhängt. Auf Schenker, eine Tochter der Deutschen Bahn, entfällt ein Anteil von EUR 31,8 Mio. Express Interfracht, ein Teil der Österreichischen Bundesbahn, muss EUR 17,4 Mio. Bußgeld zahlen. Bei „Ganzzügen“ handelt es sich um ein Güterbeförderungssystem von einem Knotenpunkt zum anderen, ohne dass die Wagons aufgeteilt oder zwischendurch abgestellt werden. Die Bußgelder ergingen aufgrund der kartellrechtswidrigen Beteiligung der Unternehmen an einem Kartell auf dem Markt für entsprechende „Ganzzugladungen“. Im Bereich der Dienstleistungen „Balkantrain“ (Verbindung Westund Mitteleuropa/Südosteuropa) und „Soptrain“ (Verbindung Mitteleuropa/Rumänien) wurden fast acht Jahre lang Preisabsprachen getroffen, vertrauliche Informationen über Kundenbedürfnisse ausgetauscht und Gütervolumina aus Verträgen mit nachgelagerten Kunden aufgeteilt. Das ebenfalls an dem Kartell beteiligte Unternehmen Kühne+Nagel wurde nach der Kronzeugenregelung nicht bebußt. Aufgrund der Kooperationsbereitschaft von Schenker und Express Interfracht wurden deren Bußgelder um 10 % reduziert.
Am 7. September wurde bekannt, dass Google womöglich das Kartellverfahren der Europäischen Kommission wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nicht durch einen Vergleich („Settlement“) beenden möchte und auf gerichtliche Verteidigung setzt. Dementsprechend habe Google in seiner Antwort auf die Vorwürfe aus dem Frühjahr dieses Jahres auch kein Entgegenkommen signalisiert. Für Google sei das Beschuldigungsschreiben von schlechter Qualität. Es sei ungenau recherchiert und die vorgebrachten Tatsachen seien teilweise falsch, insbesondere was den Suchmechanismus angehe. Das Unternehmen war in den Fokus der Kartellwächter geraten, weil es eigene Preisvergleichsdienste für Online-Einkäufe auf seinen Suchergebnisseiten bevorzugt anzeigte. Die Europäische Kommission wird aller Voraussicht nach ihre Untersuchungen innerhalb der nächsten drei Monate beenden und könnte ein Bußgeld in Höhe von USD 6,6 Mrd. verhängen. Dies entspräche 10 % der jährlichen Umsätze des Unternehmens. Im Raum steht weiterhin die Anordnung zur Veränderung der Anzeige von Suchergebnissen.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 14. Juli 2015 in einem kar tellrechtlichen Missbrauchsverfahren zur Wasserpreiskontrolle entschieden. Eine der Kernfragen war, ob die aus dem Energierecht bekannten Grundsätze zur Bestimmung von Entgelten (Strom- bzw. Gasnetzentgeltverordnung) zur Ermittlung eines angemessenen Wasserpreises herangezogen werden können. Nach dem BGH sind im Rahmen einer Preiskontrolle die einschlägigen ökonomischen Theorien maßgeblich. Dies umfasse auch die Grundsätze der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Verfahren der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg, die aufgrund des Ergebnisses ihrer Kostenkontrolle von dem Versorger Energie Calw GmbH eine nachträgliche Preisabsenkung verlangte. Das OLG Stuttgart hatte bereits zuvor die Entscheidung der Kartellbehörde wegen Bedenken gegen deren Kontrollmethode aufgehoben. Der BGH hatte daraufhin die Entscheidung des OLG Stuttgart kassiert und für einen Preishöhenmissbrauch im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB neben einer Vergleichsmarktbetrachtung auch das Abstellen auf Preisbildungsfaktoren zugelassen. Nach der Zurückverweisung hob das OLG Stuttgart die behördliche Verfügung allerdings erneut auf. Das OLG mahnte insbesondere an, die in der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung angelegte Kostenkontrolle müsse als in sich geschlossenes System umfänglich angewendet werden. Auch diese OLG-Entscheidung hob der BGH nunmehr auf und verwies die Sache erneut an das OLG Stuttgart zurück. Es gebe keine Bindung an die energierechtlichen Verordnungen, jede Methode der Kostenkontrolle müsse für sich auf Tragfähigkeit überprüft werden.
Bereits im letzten Newsletter 3/2015 berichteten wir über die neuesten Entwicklungen im Zuckerkartell und darüber, dass als erstes Unternehmen das Unternehmen Vivil Klage gegen den Kartellanten Südzucker vor dem Landgericht Mannheim erhoben hat. Nunmehr schließen sich Presseberichten zufolge weitere Geschädigte des Zuckerkartells der Klage an. So hätten die Unternehmen Bauer, Ehrmann und Zentis eine Klage auf Schadensersatz gegen die drei Zuckerkartellanten erhoben (Streitwert EUR 118 Mio.), auch die Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz habe Klage eingereicht (Streitwert EUR 11,6 Mio.). Das Unternehmen Nestlé soll ebenfalls bereits Klage auf Schadensersatz in Höhe von EUR 50 Mio. vor dem Landgericht Mannheim erhoben haben. Die Zuckerkartellanten werden jedoch noch mit weiteren Klageverfahren rechnen müssen. Rund 100 Unternehmen haben Akteneinsicht beim Bundekartellamt beantragt.
Am 25. August 2015 hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von insgesamt ca. EUR 4,56 Mio. gegen sieben Unternehmen und deren Verantwortliche sowie gegen eine Unternehmensvereinigung verhängt. Gegenstand des Vorwurfs waren abgestimmte Verhaltensweisen bei Containertransporten im Bereich der deutschen Seehäfen Hamburg, Bremen und Bremerhaven. Das Bundeskartellamt sah ein gemeinsames Grundverständnis der Unternehmen als gegeben an, wonach Kostensteigerungen auf die jeweiligen Kunden abgewälzt werden sollten. Die Unternehmen stimmten sich dazu über gemeinsame Vorgehensweisen ab. So wurden etwa prozentuale Erhöhungssätze von Frachtraten vereinbart. Die Unternehmen stimmten sich auch über die Einführung und Erhöhung von Zuschlägen zur Grundfracht, wie einen Dieselpreiszuschlag oder einen Mautzuschlag, verschiedene Nebenkosten, gegenseitige Verrechnungssätze im Falle der Kollegenbeauftragung sowie zuletzt im Jahre 2014 den sog. „Stauzuschlag Hamburg“ ab.
Mit Pressemitteilung vom 18. Juni 2015 hat das Bundeskartellamt mitgeteilt, dass ein Großteil der Kartellverfahren gegen Hersteller- und Handelsunternehmen wegen vertikaler Preisbindungen in den Warengruppen Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung, Bier und Körperpflegeprodukte abgeschlossen seien. Sieben Handelsunternehmen und vier Markenhersteller aus den Warengruppen Tiernahrung und Körperpflegeprodukte erhielten im Rahmen eines Settlementverfahrens ein Bußgeld von insgesamt EUR 151,6 Mio. Die Verfahren in den übrigen Warengruppen sollen in den nächsten Monaten abgeschlossen werden. Im Rahmen der Untersuchung dieser Vertikalfälle führte das Bundeskartellamt im Januar 2010 an 15 Standorten Durchsuchungen durch. Hierzu war es aufgrund von Hinweisen aus horizontalen Kartellverfahren in den Bereichen Kaffee und Süßwaren gekommen. Im Rahmen der Preisabsprachen sei es zur Beeinflussung der Ladenpreisgestaltung durch Druckausübung einer Vertragspartei, Gewährung monetärer Anreize sowie Koordination der Händlerpreise durch die Moderation eines Herstellers gekommen. Eine Besonderheit des Verfahrens sah die Behörde darin, dass neben Herstellern auch Handelsunternehmen als Vertreter der gebundenen Seite bei den Verstößen eine eigenständige Rolle spielten.
Mit Pressemitteilung vom 7. Juli 2015 gab das Bundeskartellamt bekannt, dass das Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Post AG (DPAG) abgeschlossen ist. Konkret waren der DPAG zwei Verstöße gegen das Missbrauchsverbot vorgeworfen worden. Zum einen sei im Bereich des Teilleistungszugangs eine unzulässige Preis-Kosten-Schere angewendet worden. So seien mit vier Großversendern (eleko, Vodafone, Telefónica und Freenet) im Rahmen von Zielpreisverträgen spezielle Treuerabatte von bis zu 2,9 Cent pro Brief vereinbart worden, welche es Wettbewerbern unmöglich gemacht hatten, ein konkurrenzfähiges Angebot abzugeben. Die DPAG konnte diese günstigen Beförderungspreise realisieren, indem sie verschiedene Rabatte gewährte, Abzüge für Werbeleistungen (Aufdruck „Zugestellt durch die Deutsche Post“; Posthorn) vornahm und/oder die Lieferung von Qualitätsdaten honorierte. Den zweiten Verstoß der DPAG sah das Bundeskartellamt in der Verknüpfung der Treuerabatte mit der Gesamtbedarfsdeckung der Versender über die DPAG. Das Verfahren endete mit einer bloßen Abmahnung, nachdem die DPAG die kritisierten Maßnahmen abgestellt hatte. Die DPAG gab indes an, sie prüfe weitere rechtliche Schritte.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 hat das Bundeskartellamt die abschließende Entscheidung im Rundholzverfahren gegen das Land Baden-Württemberg versandt. Hierin wird dem Land untersagt, neben Holz aus dem eigenem Staatswald auch solches aus Kommunal- oder Privatwäldern zu vertreiben. Etwaige Vereinbarungen zur gemeinsamen Vermarktung verstießen gegen deutsches und europäisches Kartellrecht, sofern es sich nicht um Flächen von weniger als 100 ha handele. Konkret wurden dem Land der Verkauf und die Fakturierung Fakturierung von Holz der anderen Waldbesitzer sowie unmittelbare vermarktungsnahe Dienstleitungen untersagt. Insbesondere monierte die Wettbewerbsbehörde, die bislang üblichen, nicht kostendeckenden Preise für verschiedene Dienstleistungen verhinderten den Wettbewerb durch andere Anbieter. Nach aktuellen Informationen möchte das Bundesland Baden-Württemberg umgehend Rechtsmittel gegen diesen Beschluss des Bundeskartellamts einlegen.
Aktuellen Presseberichten zufolge hat Thyssen-Krupp mit diversen Geschädigten des Schienenkartells Vergleiche über Entschädigungszahlungen geschlossen. Mit weiteren Geschädigten soll sich das Unternehmen noch in Verhandlungen befinden. Bereits im Jahr 2013 hatte sich Thyssen-Krupp mit der Deutschen Bahn AG auf eine Entschädigung von mehr als EUR 100 Mio. geeinigt. Daneben trat Thyssen-Krupp am 14. September 2015 als Nebenkläger vor dem Bochumer Landgericht im Strafprozess gegen sieben Angeklagte – vier ehemalige Geschäftsführer und Manager von Thyssen-Krupp und drei von Stahlberg Roensch, einer Tochtergesellschaft von Vossloh – auf. Der Konzern möchte nun nicht nur seinen Ruf wiederherstellen. Es soll zudem auch in einer Reihe von zivilrechtlichen Schadensersatzprozessen das Geld, welches für das Bußgeld in Höhe von EUR 191 Mio., Vergleiche etc. in Höhe von rund EUR 300 Mio. aufgebracht werden musste, Ausgleich geschaffen werden. Im Falle einer Schadensersatzklage in Höhe von EUR 191 Mio. gegen einen Bereichsvorstand hatte Thyssen-Krupp jedoch Anfang des Jahres vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf das Nachsehen. Auch mit Klagen gegen die Tochter des Ex-Vorstands, der sein Vermögen an diese verschoben haben soll, scheiterte die Bahn vor mehreren Gerichten. Ebenso war im Mai dieses Jahres ein erstes Verfahren gegen mehrere Manager der Voestalpine AG gegen Zahlung von Geldauflagen in Höhe von insgesamt EUR 290.000 eingestellt worden. Hintergrund dieser Vorgänge sind die Ermittlungen des Bundeskartellamts, die am 5. Juli 2012 in der Verhängung von Bußgeldern in Höhe von insgesamt EUR 124,5 Mio. gegen vier Hersteller und Lieferanten von Schienen wegen konstanter Quotenaufteilung am Auftragsvolumen der Deutschen Bahn gipfelten. Zu den Kartellanten gehörten Töchter des Thyssen-Krupp-Konzerns, des Vossloh-Konzerns sowie der Voestalpine AG. Letztere löste das Verfahren durch einen Bonusantrag aus.
Der Deutsche ReiseVerband (DRV) als Interessenvertretung der Tourismusbranche hat sich mit einer Beschwerde an das Bundeskartellamt gewandt. Gegenstand der Eingabe ist der von der Lufthansa geplante Aufschlag in Höhe von EUR 16,00 auf Flugtickets, die über eine alternative Buchungsplattform, wie z. B. Expedia, gebucht werden. Die Wettbewerbsbehörde solle klären, ob darin eine Diskriminierung der dritten Buchungsplattformen liege. Der DRV geht davon aus, dass der Aufschlag eine negative Auswirkung auf den Wettbewerb im Markt der Reiseagenturen haben wird. Die Transparenz und Vergleichsmöglichkeit von Angeboten und Preisen verschlechtere sich für Reisebüros wie Verbraucher. Zuvor hatten bereits deutsche und österreichische Reiseagenturen bei Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager entsprechende Beschwerden eingelegt. Daneben haben sich der europäische Dachverband der Reisebüros und Reiseveranstalter (ECTAA) sowie der Europäische Verband der Reise-Technologieunternehmen und Online-Reisevermittler (ETTSA) wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung zum Verhaltenskodex in Bezug auf Computerreservierungssysteme an die Generaldirektion Verkehr der Europäischen Kommission gewandt. Die EU-Kommission prüft nun, ob die Extra-Gebühr mit europäischem Recht vereinbar ist.
Erste Verlage haben eine Beschwerde gegen die auf Hörbücher spezialisierte Amazon-Tochter Audible beim Bundeskartellamt eingelegt. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat am 24. August 2015 eine entsprechende Beschwerde eingereicht. Hintergrund des Streits ist das neue Flatrate-Modell von Audible sowie insbesondere dessen rücksichtslose Umsetzung. So habe das Unternehmen zur Durchsetzung seines neuen Flatrate-Modells kleineren Hörbuch-Verlagen die Verträge gekündigt. Unter drohender Auslistung seien ihnen im Gegenzug neue, unattraktivere und verschärfte Konditionen angeboten worden. Aufgrund eines geschätzten Marktanteils von 90 % verfüge Audible offensichtlich über die entsprechende Marktmacht, um Druck ausüben zu können. Als gutes Beispiel in diesem Zusammenhang stehe die Kündigung des Vertrages mit dem Unternehmen Bookwire. Dem Zwischenhändler für kleinere Verlage sei ohne Aussicht auf neue Kooperation gekündigt worden, was für ein künftiges Geschäftsmodell von Audible ohne Zwischenhändler stehen könne. Soweit ersichtlich, ist es aber bislang noch nicht zu einer entsprechenden Kartellbeschwerde gekommen.
Das Bundeskartellamt hat am 19. August 2015 eine Informationsbroschüre zur Aufdeckung von Submissionsabsprachen veröffentlicht. Diese enthält eine Checkliste anhand welcher Vergabestellen für die Aufdeckung möglicher Absprachen sensibilisiert werden sollen. Diesen soll es durch typische Indikatoren erleichtert werden, Hinweise auf mögliche Absprachen zwischen Unternehmen bei Vergabeverfahren (frühzeitig) zu erkennen. Äußerliche Ähnlichkeit von Angeboten, Kenntnis der Angebote der jeweils anderen Bieter untereinander sowie die Erkennbarkeit gewisser Angebotsmuster können nach dem Papier erste Hinweise auf mögliche Submissionsabsprachen sein. Da solche Absprachen strafbare Handlungen gemäß § 298 StGB darstellen, sei ein striktes Vorgehen hiergegen geboten.
Nach Auskunft der beiden Unternehmen hat es in jüngerer Zeit Gespräche über eine mögliche Fusion gegeben. Diese seien aber nun nicht mehr aktuell. Über gemeinsame Projekte hinaus sei keine weitere Zusammenarbeit geplant. Bereits vor 10 Jahren war ein solcher Zusammenschluss gescheitert. Damals konnte die Übernahme aufgrund des Widerstands des Bundeskartellamts nicht verwirklicht werden. Spekulationen zufolge könnte dem jüngsten Zusammenschluss möglicherweise das Bestreben von Axel Springer, die Kontrolle in dem zusammengeführten Unternehmen zu übernehmen, entgegengestanden haben. Das fusionierte Unternehmen hätte mit einer Marktkapitalisierung von EUR 14,4 Mrd. (Axel Springer: EUR 4,7 Mrd. und ProSiebenSat.1: EUR 9,7 Mrd.) erheblichen Einfluss auf den Mediensektor in Deutschland genommen. Dies hätte erneut eine intensive Prüfung des Bundeskartellamts herbeigeführt.
Die Monopolkommission hat sich in ihrem 70. Sondergutachten vom 3. August 2015 zur Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka geäußert. Sie empfiehlt, die von Edeka und Tengelmann beantragte Ministererlaubnis nicht zu erteilen, auch nicht unter Bedingungen oder Auflagen. Die bei Erteilung der Ministererlaubnis für das Zusammenschlussvorhaben, das erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung aufweise, erreichbaren Gemeinwohlvorteile könnten die Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen. Es seien erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen auf den Absatzund Beschaffungsmärkten des Lebensmitteleinzelhandels zu befürchten. Über die Filialen von Kaiser’s Tengelmann würde die starke Marktstellung von Edeka auf den regionalen Angebotsmärkten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels verstärkt. Umgekehrt entfalle mit Kaiser's Tengelmann eine Absatzalternative für viele Hersteller. Die Verhandlungsposition von Edeka gegenüber Herstellern würde gestärkt. Diese Nachteile könne im konkreten Fall auch nicht das Argument der Sicherung von ca. 5.700 Vollzeitstellen ausräumen, vielmehr sei mit einem Abbau von Stellen wegen duplizierten Zentralstrukturen und Doppelstandorten zu rechnen. Nebenbestimmungen kämen nicht in Betracht, da insbesondere eine laufende Verhaltenskontrolle gesetzlich nicht vorgesehen sei. Eine solche sei aber etwa bei Nebenbestimmungen bezüglich Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung oder den Verzicht auf Konditionenanpassungen bei den Herstellern gegeben. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat zwischenzeitlich vorgeschlagen, die Erteilung unter Bedingungen und Auflagen (insb. Erhalten von 16.000 Arbeitsplätzen und laufende Kontrolle) zu prüfen. Das Land Bayern hatte zuvor schon klar die Ministererlaubnis empfohlen. Eine Entscheidung durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) steht trotz Ablaufs der gesetzlich vorgesehenen viermonatigen Frist im August 2015 bislang aus.
In ihrem 69. Sondergutachten vom 22. Juli 2015 schlägt die Monopolkommission als Lösung für die Wettbewerbsprobleme im Bahnsektor (erneut) die eigentumsrechtliche Entflechtung der die Märkte dominierenden Deutschen Bahn AG und die Privatisierung ihrer Transport- und Logistiksparte (DB Schenker Rail und DB Schenker Logistics) vor. Kurzfristig sollten zunächst die organisatorischen Verflechtungen aufgelöst und die Trennung der Finanzströme innerhalb des Konzerns sichergestellt werden. Nur die Trennung der Infrastruktur- und Transportsparten der Deutschen Bahn AG könne wirksamen und unverfälschten Wettbewerb entstehen lassen. Der integrierte Konzern habe bislang weiterhin Möglichkeiten der Diskriminierung von Wettbewerbern, die von der Regulierung nicht umfassend verhindert werden könnten. Die „Eins-zu-eins-Umsetzung“ der europäischen Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums durch das deutsche Eisenbahregulierungsgesetz werde im Übrigen nicht weiter helfen, sondern zu hoher Rechtsunsicherheit führen und Regulierung wie Wettbewerb schwächen. Der Gesetzesentwurf stelle einen Rückschritt für den Wettbewerb dar. Unter anderem kritisierte die Monopolkommission auch die im Gesetzesentwurf angelegte Umsetzung der Anreizregulierung.
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