19.05.2020
In Zeiten von Corona ist das Thema Kurzarbeit wieder sehr viel bedeutsamer geworden, da die Einführung von Kurzarbeit Arbeitgebern – wie zu Zeiten der Wirtschaftskrise 2008/2009 - die Möglichkeit bietet, kurzfristig wirtschaftlich schwere Zeiten abzufangen. Mit dem nachfolgenden Leitfaden möchten wir Ihnen daher einen kurzen Überblick zu den wesentlichen Regelungen und Voraussetzungen für die Beantragung von Kurzarbeit an die Hand geben. Im März 2020 hat der Gesetzgeber hierzu gesetzliche Neuregelungen in Kraft treten lassen. Im Einzelnen:
Voraussetzung ist zunächst ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall. Der Arbeitsausfall muss auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Wirtschaftliche Ursachen sind alle jene, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die wirtschaftliche Entwicklung zurückführen lassen, z.B. ein Rückgang der Verkaufszahlen. Eine wirtschaftliche Ursache ist z.B. auch die Stornierung von Veranstaltungen, Auftragsmangel oder ein Mangel an Rohstoffen für die Produktion aufgrund einer Epidemie. Ein unabwendbares Ereignis kann z.B. ein Unglücksfall sein (Epidemien, Brände, Explosionen etc.). Dies gilt insbesondere für die Erkrankung von Mitarbeitern aufgrund der Epidemie, welche einen (teilweisen) Stillstand des Betriebes zur Folge hat sowie für von der Behörde aufgrund der Epidemie verhängte Quarantänen oder Tätigkeitsverbote, die Arbeitsausfälle nach sich ziehen.
Der Arbeitsausfall muss zudem von zeitlich begrenzter Dauer sein. Daher muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang in die Vollarbeit zu rechnen ist. Zudem muss der Arbeitsausfall unvermeidbar sein. An die Voraussetzung der Unvermeidbarkeit werden hohe Voraussetzungen gestellt, so dass Unvermeidbarkeit nur dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um den Arbeitsausfall zu verhindern. Unvermeidbarkeit liegt daher z.B. dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber durch Gewährung von Urlaub oder Abbau von Überstunden Kurzarbeit verhindern kann.
Grundsätzlich gilt, dass zurVermeidung von Arbeitsausfällen auch die Gewährung von Urlaub in Betracht kommen kann. Vom Arbeitgeber kann aber eine Bestimmung über den Antritt des Urlaubs zur Vermeidung der Kurzarbeit gegen die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer nicht gefordert werden. Vorrangig sind zunächst Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr sowie etwaig angesammelte Guttage abzubauen. Darüber hinaus muss jedoch auch der Urlaub des laufenden Kalenderjahres zumindest in Teilen gewährt worden sein, bevor von der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls auszugehen ist.
Der Gesetzgeber hat im März 2020, rückwirkend zum 1. März 2020, gesetzliche Neuerungen zur Erleichterung der Einführung von Kurzarbeit vor dem Hintergrund der Corona-Krise in Kraft treten lassen (Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit – KugV v. 25.03.2020, BGBl. I S. 595 (Nr. 14)).
Im Rahmen der gesetzlichen Änderungen wird auf das Erfordernis des Aufbaus negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes verzichtet.
Schließlich muss der Arbeitsausfall einen gewissen Mindestumfang erreichen. Hierzu hat der Gesetzgeber ebenfalls rückwirkend zum 1. März 2020 zur Erleichterung den Anteil der Arbeitnehmer gesenkt, die von dem Arbeitsausfall betroffen sein müssen. Statt bislang ein Drittel müssen nur noch 10 % der im Betrieb oder einem Betriebsteil Beschäftigten vom Arbeitsausfall erfasst sein. Die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer müssen ferner einer Entgelteinbuße in Höhe von mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoeinkommens ausgesetzt sein.
Kurzarbeitergeld wird unabhängig von der Größe und der Rechtsform eines Betriebes gewährt, sofern mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt wird. Betrieb im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld ist auch eine Betriebsabteilung.
Der Arbeitnehmer muss während der Dauer der Kurzarbeit seine versicherungspflichtige Tätigkeit fortsetzen oder aus zwingenden Gründen aufnehmen. Die Voraussetzung der Fortführung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit ist nicht mehr gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer bereits gekündigt wurde oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist. Wird das Arbeitsverhältnis während des Bezugs von Kurzarbeitergeld gekündigt oder wird ein Aufhebungsvertrag geschlossen, so entfällt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld mangels Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit. Eine Aufnahme der Tätigkeit aus zwingenden Gründen liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer zwar erst nach Eintritt des Arbeitsausfalls seine Tätigkeit in dem Betrieb aufnimmt – und damit eigentlich keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hätte – seine Beschäftigung aber z.B. aus besonderen betrieblichen Interessen notwendig ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn es sich bei dem fraglichen Arbeitnehmer um eine Fachkraft handelt, die im Betrieb dringend benötigt wird. Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können gemäß den gesetzlichen Neuerungen nunmehr Kurzarbeitergeld beziehen.
Geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer im Sinne des § 8 SGB IV erfüllen die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Auszubildende. Bei Auszubildenden sind alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten, zum Beispiel durch Umstellung des Lehrplanes oder Versetzung in eine andere Abteilung.
Der Arbeitgeber hat die Einführung der Kurzarbeit gegenüber der Bundesagentur für Arbeit schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Für die Anzeige existieren Formularvordrucke der Bundesagentur für Arbeit, die bei der Agentur für Arbeit einzureichen sind, in deren Bezirk der von der Kurzarbeit betroffene Betrieb oder Betriebsteil liegt.
Das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld sind glaubhaft zu machen (z.B. mittels Angaben über die Auftragslage und Vorlage der Individualvereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit erfolgen).
Eine möglichst frühzeitige Anzeige der Kurzarbeit bietet sich an, da gemäß § 99 Abs. 2 SGB III Kurzarbeitergeld frühestens von dem Monat an geleistet wird, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt stets rückwirkend, auch wenn über den Antrag noch nicht entschieden ist.
Die Agentur für Arbeit hat über das Vorliegen der genannten Voraussetzungen unverzüglich zu entscheiden und einen schriftlichen Bescheid zu erteilen.
Nach der Entscheidung der Agentur für Arbeit über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, muss in einem zweiten Schritt für die einzelnen Arbeitnehmer der Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt werden. Der Antrag ist schriftlich jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) bei der Agentur für Arbeit zu stellen, in deren Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnstelle liegt. Eine Übersendung des Antrags per Telefax oder E-Mail ist ausreichend. Antragsberechtigt ist nicht der einzelne Arbeitnehmer selbst, sondern nur der Arbeitgeber.
Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage der Kurzarbeit liegen. Zu beachten ist, dass, wird der Antrag erst mit Ablauf der dreimonatigen Frist gestellt, Leistungen ohne Rücksicht auf die Gründe für die Fristversäumnis nicht gewährt werden.
Die gesetzliche Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld beträgt derzeit zwölf Monate. Liegen auf dem Arbeitsmarkt außergewöhnliche Verhältnisse vor, kann die Bezugsfrist durch Rechtsverordnung auf bis zu 24 Monate verlängert werden.
Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich nach der pauschalierten Nettoentgeltdifferenz. Arbeitnehmer mit mindestens einem unterhaltsberechtigtem Kind erhalten danach 67 %, alle anderen Arbeitnehmer 60 % der Nettoentgeltdifferenz. Der Bundestag und der Bundesrat haben zudem ganz aktuell eine (gestaffelte) Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 87 % beschlossen. Ab dem vierten Monat sollen Mitarbeiter mit einer mindestens um 50 % reduzierten Arbeitszeit 70 % bzw. 77 % Kurzarbeitergeld erhalten. Ab dem siebten Monat steigt das Kurzarbeitergeld bei einer um mindestens 50 % reduzierten Arbeitszeit dann auf 80 % bzw. 87 % des Nettolohns. Die Nettoentgeltdifferenz berechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem „Sollentgelt“ und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem „Istentgelt“. Als Sollentgelt gilt das Bruttomonatsentgelt, dass der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit erhalten würde. Istentgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum tatsächlich erzielt hat. Bei Kurzarbeit auf Null entspricht das Kurzarbeitergeld daher maximal der Höhe des Arbeitslosengeldes. Das Kurzarbeitergeld ist steuerfrei.
Das Kurzarbeitergeld unterliegt ebenso wie das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung. Während für das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt die Beiträge durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer hälftig getragen werden, trägt der Arbeitgeber die Beitragsanteile, die auf das Kurzarbeitergeld entfallen, grundsätzlich alleine.
Gemäß den gesetzlichen Neuerungen werden dem Arbeitgeber für Arbeitsausfälle bis zum 31. Dezember 2020 die von ihm allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Bundesagentur in pauschalierter Form erstattet. Für die Pauschalierung wird die Sozialversicherungspauschale abzüglich des Betrags zur Arbeitsförderung zu Grunde gelegt. Ob dies zu einer vollständigen Erstattung der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge führen wird, wie dies bisher auf der BMAS-Homepage verlautbart wird (Stand: 24. April 2020), ist allerdings noch unklar.
Der Arbeitgeber ist schließlich verpflichtet, das Kurzarbeitergeld zu errechnen und auszuzahlen. Das Kurzarbeitergeld wird nachträglich für den Zeitraum ausgezahlt, für den es beantragt wurde. Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Kurzarbeitergeld vorzustrecken, er ist jedoch zur unverzüglichen Weiterleitung des Kurzarbeitergeldes an die Arbeitnehmer verpflichtet.
Dem Arbeitgeber ist es nicht möglich durch einseitige Entscheidung Kurzarbeit einzuführen. Vielmehr bedarf es zur Einführung einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Diese kann sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer ergeben.
Achim Braner
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