26.03.2021
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist seit dem 6. Juli 2017 in Kraft. Es dient der Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungs-Richtlinie und soll das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen. Praktische Relevanz kommt dabei vor allem dem individuellen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers zu, der einige Fragen aufwirft. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer wegweisenden Entscheidung vom 25. Juni 2020 mit diesem individuellen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers befasst. Joachim Reichenberger verschafft uns mit seinem Beitrag einen Überblick hierzu. In unseren Urteilsbesprechungen kommentiert Nadine Ceruti zudem eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die eine Entgeltgleichheitsklage zum Gegenstand hatte.
In Zeiten der schnell voranschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt ist die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Dauerbrenner in der betrieblichen Praxis. Die Rechtsprechung des BAG zum Beteiligungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG scheint stehen geblieben zu sein und erschwert die Umsetzung der Digitalisierung in den Unternehmen. Klaus Thönißen gibt in seinem Beitrag einen Überblick und zeigt Lösungsansätze auf.
Selbstverständlich befassen wir uns daneben auch in diesem Newsletter mit den aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung. Wir haben hierbei wieder eine Auswahl getroffen, bei der wir hoffen, dass sie für Sie von besonderem Interesse ist.
Wir freuen uns auf Ihr Feedback zu unseren Themen. Sprechen Sie unsere Autorinnen und Autoren gerne direkt an, wenn Sie Anregungen oder Fragen haben.
Wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest!
Bleiben Sie gesund!
Ihr
Achim Braner
Mit seiner Entscheidung vom 25. Juni 2020 schafft das Bundesarbeitsgericht Rechtsicherheit im Hinblick auf den individuellen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).
Das Entgelttransparenzgesetz dient der Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungs-Richtlinie. Sein Ziel ist die Durchsetzung des Gebots der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Hierzu enthält es drei „Bausteine“: Den individuellen Auskunftsanspruch, das betriebliche Prüfverfahren und die Berichtspflicht. Praktische Relevanz kommt dabei vor allem dem individuellen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers zu. Dieser soll nachfolgend anhand der Entscheidung des BAG dargestellt werden. Der Anspruch erstreckt sich u.a. auf Angaben zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und auf die Angabe zum Vergleichsentgelt für eine zu benennende Vergleichstätigkeit. Auch wenn er wegen seiner naturgemäßen Beschränkung auf die bloße Auskunft zum „zahnlosen Tiger“ erklärt wurde und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) davon ausging, der Anspruch würde höchstens von 1 % der Arbeitnehmer geltend gemacht, darf er in seinen möglichen Auswirkungen nicht unterschätzt werden. Immerhin ist der Arbeitgeber u.U. gezwungen, detaillierte Einblicke in betriebliche Entgeltsysteme zu geben und kann sich anschließend Gehaltsanpassungs-, Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen ausgesetzt sehen. Der wirksamen Gestaltung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen, die auch auf Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Entgelttransparenzgesetz Anwendung finden, kommt deshalb besondere Bedeutung zu. Vorsicht geboten ist in diesem Zusammenhang bei der Änderung von Altverträgen, um nicht etwaigen Vertrauensschutz für die Verfallsklausel zu verlieren.
Der Auskunftsanspruch besteht nach dem Gesetzeswortlaut für „Beschäftigte“ und damit insbesondere für Arbeitnehmer. Arbeitnehmerähnliche Personen bzw. freie Mitarbeiter sind damit erst einmal nicht erfasst, obwohl die Gesetzesbegründung ein umfassenderes Verständnis nahe legt. Bis zur Entscheidung des BAG war folglich unklar, ob das EntgTranspG auch auf arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter Anwendung finden kann. Das BAG bejaht dies nun mit Blick auf eine einheitliche, unionsrechtskonforme Auslegung des EntgTranspG. Erfasst werde demnach jeder, der während einer bestimmen Zeit für eine andere Person nach deren Weisungen Leistungen erbringe, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Die Entscheidung des BAG ist jedoch nicht als „Blankoscheck“ für alle freien Mitarbeiter zu verstehen. Vielmehr kann nur derjenige einen Auskunftsanspruch geltend machen, der weisungsgebunden tätig wird. Gerade für die aktuell im Fokus stehenden „Crowdworker“ ist das Vorliegen dieser Voraussetzung sehr genau zu prüfen.
Grundsätzlich erlaubt der Anspruch Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen. Auskunft ist dabei nach dem Willen des Gesetzes zu erteilen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung, d.h. die Information über die Festlegung des eigenen sowie des Entgelts für die Vergleichstätigkeit. Anzugeben ist dieses Vergleichsentgelt jedoch lediglich als hochgerechneter statistischer Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts bezogen auf die Vollzeitäquivalente. Im Hinblick auf die „Entgeltbestandteile“ vertritt das BAG nunmehr eine sehr großzügige, am insoweit aber eigentlich eindeutigen Wortlaut des Gesetzes aber zumindest fragwürdige Ansicht dahingehend, dass der Begriff der „einzelnen Entgeltbestandteile“ gruppenbezogen zu verstehen sei. Damit war im entschiedenen Fall die begehrte Auskunft über „alle außertariflichen Zulagen mit bzw. ohne Bezug zur Tätigkeit“ als solche bezogen auf nur „zwei Entgeltbestandteile“ zulässig. Nach Ansicht des BAG sei bei einer anderen Sichtweise das gesetzgeberische Ziel, die Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu erleichtern, nicht zu erreichen. Denn Arbeitnehmer ohne nähere Informationen müssten sonst „ins Blaue hinein“ Auskunft zu etwaigen Entgeltbestandteilen verlangen oder stufenweise vorgehen, indem sie zunächst Auskunft zu Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen und könnten diese erst anschließend auch zu einzelnen Entgeltbestandteilen erhalten. Darüber hinaus soll es auch nicht auf die Bezeichnung der einzelnen Leistung durch den Arbeitgeber ankommen, sondern vielmehr sei es entscheidend, dass es sich um der Sache nach vergleichbare Entgeltbestandteile handele. Vom Auskunftsbegehren umfasst seien deswegen auch etwaige anders bezeichnete vergleichbare Entgeltbestandteile (z.B. Zuschläge). Die extensive Sichtweise des BAG überzeugt aber nur bedingt, öffnet sie doch Globalanträgen Tür und Tor. Im Übrigen ist aber auch fraglich, ob den betroffenen Arbeitnehmern mit der Entscheidung tatsächlich geholfen ist. Denn je globaler der Antrag, desto globaler am Ende auch der jeweilige Median. Mit anderen Worten und bezogen auf das Beispiel „Zulagen“: Je mehr Zulagen sich hinter einem Wert verbergen, desto weniger wird sich in Bezug auf einzelne von ihnen eine geschlechtsbezogene Benachteiligung darlegen bzw. behaupten lassen.
Auch in Bezug auf formelle Aspekte trifft das BAG wichtige Aussagen. So schreibt der Gesetzgeber eigentlich die Textform, also eine lesbare, aber unterschriftslose Erklärung vor, die bspw. E-Mail, Fax oder auch via Instant-Messenger oder soziale Netzwerke ausreichen lässt. Nach Ansicht des BAG ist die Schriftform aber ausreichend. Berücksichtigt man die höheren Anforderungen der Schriftform durch die erforderliche eigenhändige Unterschrift, so überrascht die Entscheidung des BAG aber nicht. Denn die Einhaltung höherer Anforderungen als der gesetzlich Normierten kann unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, bestehende Lohndifferenzen zu beseitigen, dem Auskunftsanspruch als Mittel zur Förderung von Entgeltgleichheit nicht entgegenstehen.
Hingegen von großer praktischer Bedeutung sind die Feststellungen des BAG nach dem „richtigen Adressaten“ des Auskunftsanspruchs. Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Erteilung der Auskunft regelt das EntgTranspG abhängig von einer Tarifbindung des Arbeitgebers ein „ausdifferenziertes, mit umfangreichen wechselseitigen Informationspflichten ausgestattetes Kooperationsmodell“ zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat“. Das BAG sieht es hingegen vor der Zielsetzung „Beseitigung von Entgeltdiskriminierung“ als unschädlich an, wenn das Auskunftsverlagen an eine an sich unzuständige Stelle adressiert wird. Das BAG geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht die unzutreffende Adressierung selbst dann als unbeachtlich an, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten den richtigen Adressaten vorher explizit benannt hat. Damit kann künftig dahinstehen, ob der Auskunftsanspruch an den funktional (Betriebs- bzw. Personalrat, Arbeitgeber oder Tarifvertragspartei) und/oder geographisch (Betriebsrat am Standort X oder Y) zuständigen Adressaten gerichtet wird.
Die Entscheidung des BAG vom 25. Juni 2020 bringt Rechtssicherheit vor allem für die Frage des Anwendungsbereichs und Einzelheiten des Auskunftsanspruchs. Eine „Klagewelle“ steht aber unverändert nicht zu erwarten. Grundsätzliche Erweiterungen der Arbeitnehmerrechte sind mit ihnen nicht verbunden. Gleichwohl sollte die Entscheidung Anlass genug für die Unternehmen sein, das Thema Entgeltgerechtigkeit, soweit noch nicht geschehen, auf die Tagesordnung zu setzen und ggf. Compliance herzustellen.
Dr. Joachim Reichenberger, LL.M., EMBA (Washington D.C.)
Rechtsanwalt
Steuerberater
Dipl.-Verwaltungswirt (FH)
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)
Counsel
München
Über die Irrungen und Wirrungen des BAG
Die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist ein Dauerbrenner in der betrieblichen Praxis und hat erheblichen Einfluss auf die fortschreitende Digitalisierung von Unternehmen. Corona hat als Katalysator erheblichen Einfluss auf die Arbeitswelt und durch den hierdurch bedingten Zuwachs des Arbeitens von zu Hause steht die Einführung technischer Einrichtungen (hierzu zählt regelmäßig auch Software) an der Tagesordnung. Die oftmals coronabedingte Kooperationsbereitschaft der überwiegenden Mehrheit der Betriebsräte war und ist beeindruckend. Dennoch werden hierbei vielfach Problemfelder eröffnet, die keine sind. Insbesondere fehlt es leider oft an der Überzeugung, dass regelmäßig nicht die Leistungs- und Verhaltenskontrolle Grund für die Einführung von Software ist.
Unternehmen haben ein großes Interesse daran, ihren Mitarbeitern eine zeitgemäße Infrastruktur zu bieten. Produkte wie Office 365 oder MS Teams dienen aus Arbeitgebersicht nicht der Überwachung, sondern sollen den Arbeitsalltag der Mitarbeiter vereinfachen. Das Bundesarbeitsgericht sollte diese Erkenntnis berücksichtigen und seine Rechtsprechung ändern. Denn die seit Jahrzehnten unzutreffende BAG-Rechtsprechung mit Blick auf die „Bestimmtheit“ führt dazu, dass letztlich jede Software eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist.
In der Praxis führt dies leider dazu, dass einige Betriebsräte eine grundsätzliche Blockadehaltung an den Tag legen. Im Kern geht es nicht mehr um den Mitarbeiter und den Betrieb, sondern um die Ausübung von Mitbestimmungsrechten ausschließlich um der Mitbestimmung willen.
1. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Wortlaut und Geschichte
Rechtsgrundlage der betrieblichen Mitbestimmung bei technischen Einrichtungen ist § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach der Vorschrift ist der Betriebsrat zu beteiligen bei der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.“ Die tatsächliche Reichweite des Mitbestimmungstatbestands lässt sich vom Wortlaut ausgehend noch nicht erahnen. So war auch bei Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1971 seine heutige Bedeutung nicht absehbar. Eingefügt wurde diese Regelung, da bei der Überwachung durch technische Einrichtungen die Besonderheit besteht, dass – anders als bei menschlicher Überwachung – eine Vielzahl von Daten erhoben und verarbeitet werden kann. Für die Arbeitnehmer ist oft nicht ersichtlich, ob und wie eine technische Einrichtung ihr Verhalten überwacht. In der Gesetzesbegründung stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass diese Gefahr von technischen Kontrolleinrichtungen ausgehe, die den Zweckhaben das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist es klar: Die Arbeitnehmerüberwachung muss ureigene Bestimmung der Einrichtung sein. Darüber hinaus dürfte der Anwendungsbereich dann nur eröffnet sein, wenn der Arbeitgeber eine Einrichtung zum Zwecke der Überwachung einsetzen möchte (auch wenn die Einrichtung per se nicht zur Überwachung bestimmt ist).
2. BAG-Rechtsprechung: Bestimmtheit = Möglichkeit
Seine weitreichende Bedeutung hat der Tatbestand erst durch die extensive Auslegung des BAG erhalten. Allen voran eine 46 Jahre alte Grundsatzentscheidung (BAG, 9.9.1975 – 1 ABR 20/74), die bis heute nachwirkt. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war Microsoft 5 Monate, die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin waren 2 Jahre alt. Das BAG stellte damals fest, dass eine Bestimmung zur Überwachung bereits dann vorliege, wenn die technische Einrichtung dazu geeignet sei, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Es ist weder eine Überwachungsabsicht des Arbeitgebers noch eine tatsächliche Auswertung der leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten notwendig. Das BAG stützt seine Auslegung auf die Erwägung, dass es für den Arbeitnehmer keinen Unterschied mache, ob die Überwachung das vom Arbeitgeber verfolgte Ziel sei oder nur einen Nebeneffekt darstelle. Inwiefern mit dieser Begründung die Umdeutung des Wortlauts „bestimmt“ zum Begriff „geeignet“ gerechtfertigt werden kann, ist nicht nur fraglich, sondern falsch. So steht die Rechtsprechung des BAG seitdem zu recht stark in der Kritik. Konkretisiert hat das BAG nicht mehr.
Diese extensive und nach der hier vertretenen Ansicht unzutreffende Auslegung des BAG führt zu einem falschen Verständnis des § 87 I Nr. 6 BetrVG und schließlich dazu, dass der Betriebsrat bei nahezu jeder Einführung einer technischen Einrichtung zu beteiligen ist. In der Folge stellen selbst Microsoft-Excel oder ein Outlook-Gruppenkalender solche Überwachungseinrichtungen dar.
Lese-Tipp: Einen ausführlicheren Beitrag finden Sie in "SPA - Schnellinformation für Personalmanagement und Arbeitsrecht, Heft 8/2020
In der Praxis zeigt sich deutlich, welche Schwierigkeiten die extensive Rechtsprechung des BAG mit sich bringt. Denn nahezu jeder HR-relevante Sachverhalt ist mitbestimmt.
Da nach der Rechtsprechung des BAG bereits das Sammeln von verhaltensbezogenen Daten den Mitbestimmungstatbestand auslöst, ist auch die Einführung von Office-Software betroffen. Bereits eine in Microsoft Excel geführte Anwesenheitsliste ist zur Überwachung geeignet. Die in Excel hinterlegte Summenformel mache eine Verarbeitung der leistungsbezogenen Daten möglich (LAG Hamm, 10.4.2018 – 7 TaBV 113/16; ungeachtet dessen sah das LAG Hamm die Voraussetzungen selbst ohne hinterlegte Summenformel bereits als erfüllt an). Die Anwendung des Outlook-Gruppenkalenders erlaube dem Arbeitgeber eine Auswertung im Hinblick auf die Koordination der Termine oder der Termindichte des Arbeitnehmers (LAG Nürnberg, 21.2.2017 – 7 Sa 441/16).
Besonders problematisch wird es bei technisch komplexen Lösungen wie Workday, SAP Success Factors oder die bereits angesprochenen Office 365 und MS Teams. Hierbei muss es das Unternehmen schaffen, den Betriebsrat frühzeitig einzubinden, um – wenn im BR selbst nicht schon vorhanden – das erforderliche technische Know-How im Gremium aufzubauen. Andernfalls läuft die Einführung solcher umfassender Systeme oft in die Einigungsstelle.
1. Zugriffsrechte des BR: Mitbestimmung muss anlassbezogen sein
In der Beratungspraxis zeigt sich häufig das Problem, dass Betriebsräte dauerhaft und ohne konkreten Anlass Zugriffsrechte auf bestimmte Software-Lösungen haben wollen (regelmäßig unter dem Begriff „Einhaltung von Datenschutzgrundsätzen“). Hierbei ist herauszustellen, dass Datenschutz per se – d. h. ohne jeden Aufgabenbezug des Betriebsrates – nicht mitbestimmt ist. Insbesondere nach Einführung der DS-GVO besteht jedoch in vielen Unternehmen der Irrtum, dass der Betriebsrat auch ohne Aufgabenbezug bei datenschutzrechtlich relevanten Themen mitzubestimmen habe. Regelmäßig führt dies dazu, dass Betriebsräte weitreichende Zugriffsrechte in System- und auch Mitarbeiterdaten fordern. In einem Beschluss vom 9. April 2019 hat das BAG (1 ABR 51/17) in diesem Kontext – der Betriebsrat forderte in dem dortigen Fall die automatische Weitergabe von Mitteilungen über die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin – in Fortführung der ständigen Rechtsprechung nochmals zwei Punkte hervorgehoben:
In einem anderen Kontext – es ging um die durch den Betriebsrat geforderte dauerhafte Überlassung von Gehaltslisten – stellte das BAG fest: „Der Betriebsrat kann die dauerhafte Überlassung der näher beschriebenen Bruttoentgeltlisten an den Betriebsausschuss unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.“ (BAG, 29.09.2020 – 1 ABR 32/19).
2. Updates: Erneute Mitbestimmung bei Aktualisierungen
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass regelmäßig Updates für die jeweilige Software anstehen. Mit Blick auf § 87 I Nr. 6 BetrVG besteht bei einer Vielzahl von Updateskein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Ein solches besteht nur dann, wenn die Aktualisierung (d. h. die durch ein Update eingetretene Veränderung der Software) die Möglichkeit einer intensiveren Überwachung oder eine neue Qualität der Überwachung eröffnet. Die meisten Updates dienen allerdings ausschließlich einer Verbesserung der Systemsicherheit oder der Benutzerfreundlichkeit. In all diesen Fällen ist bereits kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gegeben.
Dennoch fordern Betriebsräte – oftmals ohne Berücksichtigung der eigenen zeitlichen Kapazitäten – ein umfassendes Zustimmungserfordernis sämtlicher Updates. In der Praxis der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen hat sich die folgende vermittelnde Lösung bewährt:
Formulierungshilfe:
„Aktualisierung der Software
(1) Die Software wird mit dem technischen Stand, wie er am Tag des Inkrafttretens dieser Vereinbarung besteht, eingeführt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Aktualisierungen der Software keine Neueinführung bzw. Anschaffung der Software darstellen, solange die Edition, bzw. die enthaltenen Module nicht durch den Arbeitgeber verändert werden und der Betrieb der Software nach den in dieser Betriebsvereinbarung geregelten Grundsätzen erfolgt. Vor diesem Hintergrund können durch den Hersteller der Software veranlasste Service- und Sicherheitsupdates sowie Updates, die der Behebung von Fehlern dienen, ohne Information des Betriebsrates durchgeführt werden.
(2) Der Arbeitgeber wird die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Software, insbesondere in Hinblick auf Privatsphäre und Sicherheit beobachten und nach eigenem Ermessen notwendige Maßnahmen treffen, um die in dieser Betriebsvereinbarung geregelten Grundsätze sicherzustellen.
(3) Der Betriebsrat kann, sofern und soweit sich der Funktionsumfang in Hinblick auf die Privatsphäre der Mitarbeiter verändert, diese Änderung des Funktionsumfanges bei der Geschäftsleitung rügen, welche diese Rüge prüfen und mit dem Betriebsrat in ergebnisoffene Gespräche eintreten wird, um die weiteren Maßnahmen abzustimmen.“
Ändert sich hingegen durch das Update die Qualität der Überwachung, stellt dies eine (erneute) Einführung einer technischen Einrichtung und somit eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme dar. Das Gleiche gilt natürlich auch dann, wenn bei einer umfangreichen HR-Suite nach Einführung verschiedene Elemente bzw. Pakete zusätzlich gekauft werden. Besondere Vorsicht ist bei einem „SaaS-Modell“ („software as a service“) geboten. Kennzeichnend für SaaS ist, dass die komplette IT-Administration der Software von einem externen Dienstleister übernommen wird. Dieser führt auch Wartungsarbeiten und Softwareaktualisierungen durch, zum Teil ohne dass der Auftraggeber etwas davon erfährt. Somit kann es unbemerkt zum Entstehen eines mitbestimmungswidrigen Zustands kommen.
3. Klassiker: Beweis- und Verwertungsverbote
Verstärkt seit Einführung der DS-GVO teilen Betriebsräte oftmals mit, dass man mit der Einführung einer Software-Lösung einverstanden sei, wenn ein umfassendes Beweis- und Verwertungsverbot in eine Betriebsvereinbarung aufgenommen werde. Tatsächlich ist hierbei zu berücksichtigen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates insoweit nicht besteht. Selbst wenn man eine solche Regelung aufnehmen würde, hätte diese – jedenfalls bezogen auf die disziplinarische Maßnahme im Verhältnis des Arbeitgebers zu dem betroffenen Mitarbeiter – im Falle eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens keine Wirkung. Denn die Betriebsparteien haben schlicht keine Regelungskompetenz, um Beweis- und Verwertungsverbote zu vereinbaren. So hat das LAG Baden-Württemberg in einem Urteil vom 6. Juni 2018 (21 Sa 48/17) in erfreulicher Klarheit mit Blick auf ein Beweis- und Verwertungsverbot – geregelt in einer BV – auf das Folgende hingewiesen:
„Eventuelle in den Betriebsvereinbarungen zum Ausdruck kommende eigenständige Verwertungsverbote bei Verstößen gegen die in den Betriebsvereinbarungen zur Auswertung und Erhebung von Daten befindlichen Regelungen, begründen kein gerichtliches Verwertungsverbot oder eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Die Betriebsparteien können gegenüber der Rechtspflege, zu denen u.a. die Gerichte berufen sind, mangels Regelungskompetenz keine über die Gesetze hinausgehenden Verwertungsverbote schaffen.“
Dieses Verständnis ist für Unternehmen deshalb von Bedeutung, weil nach der hier vertretenen Auffassung die Regelung zu einem Beweis- und Verwertungsverbot folgerichtig nicht Gegenstand des Spruchs einer Einigungsstelle sein kann. In der Praxis wird vor diesem Hintergrund bei der Einführung von Software häufig die folgende Formulierung gewählt:
„Leistungs- und Verhaltenskontrolle
In der Praxis sind Arbeitgeber gut beraten, Betriebsräte frühzeitig in die geplante Anschaffung einer Software einzubinden. Darüber hinaus sollte auch frühzeitig ein klares Verständnis zu den regelmäßig auftretenden Problemen bei dem Umgang mit Updates sowie der Auswertung von Daten (Stichwort: Beweis- und Verwertungsverbot) kommuniziert werden. Andernfalls kann sich die Einführung von Software erheblich verzögern; im worst case können solche Projekte sogar gänzlich scheitern. Regelmäßig hilft es, wenn Vertreter des Betriebsrates bereits mit in die Werbe-Workshops der verschiedenen Anbieter kommen. Eine flankierende Maßnahme bei Software-Lösungen kann der Abschluss einer Rahmenbetriebsvereinbarung sein. In dieser kann im Vorhinein bspw. der Umgang mit späteren Softwareaktualisierungen geregelt werden.
Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco)
Partner
Essen
Im Rahmen einer Entgeltgleichheitsklage begründet der Umstand, dass das Entgelt der klagenden Partei niedriger ist, als das vom Arbeitgeber mitgeteilte Entgelt der Vergleichsgruppe anderen Geschlechts, regelmäßig die – widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts erfolgt ist.
BAG, Urteil vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19 - Pressemitteilung
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie erhielt von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG zu den Vergleichsentgelten der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter. Die Angaben bezogen sich, wie vom EntgTranspG vorgesehen, auf den „auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts und der übertariflichen Zulage. Die Auskunft ergab, dass die Vergütung der Klägerin sowohl im Hinblick auf das Grundentgelt als auch bezüglich der Zulage geringer bemessen ist, als das Vergleichsentgelt der männlichen Arbeitnehmer. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, auf Zahlung der Differenz zwischen ihrem Grundentgelt und ihrer Zulage und der hierzu jeweils mitgeteilten Median-Entgelte zu klagen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das LAG änderte das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der beklagten Arbeitgeberin hin ab und gelangte zur Klageabweisung.
Die Revision der Klägerin vor dem BAG hatte Erfolg. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass das LAG die Klage nicht mit der Begründung habe abweisen dürfen, es lägen bereits keine Indizien i.S.d. § 22 AGG vor, auf welche sich die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts stützen lasse. Zur Begründung führt das BAG aus, dass die Klägerin gegenüber den durch die beklagte Arbeitgeberin mitgeteilten Vergleichspersonen eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren habe, denn ihre Vergütung sei geringer als die Vergütung der benannten Vergleichspersonen. In diesem Umstand liege die Vermutung begründet, welche allerdings von der Beklagten widerlegt werden könne, dass die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werde. Die durch das LAG getroffenen Feststellungen seien allerdings nicht ausreichend, um dem BAG die Entscheidung zu ermöglichen, ob es der Beklagten gelungen sei, diese Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen. Die Beklagte trage hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Die Sache wurde daher an das LAG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Entscheidung des BAG ist konsequent und nicht zu beanstanden. Zwar mag man – nicht ganz unzutreffend – einwenden, dass es dem Gehaltsmedian der Vergleichsgruppe mitunter an Aussagekraft fehlt. Der Median stellt nicht den Durchschnitt der Gehälter der Vergleichsgruppe dar, sondern bildet den Wert ab, der an mittlerer Stelle steht, wenn man die Gehälter ihrer Höhe nach sortiert. Es befinden sich also ebenso viele Gehälter unterhalb des Medians, wie oberhalb des Medians. Nun kann unter Umständen die Mitteilung des Mediangehaltes der Vergleichsgruppe den Eindruck einer diskriminierenden Ungleichbehandlung hervorrufen. Dies kann dann der Fall sein, wenn zwar eigentlich der Median der Gehälter sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Mitarbeitern identisch hoch ist, z.B. bei 2.000 Euro brutto liegt, die anfragende Mitarbeiterin selbst aber nur 1.600 Euro brutto verdient. Für die anfragende Mitarbeiterin entsteht dann der Eindruck, dass sie deutlich schlechter verdient, als die männliche Vergleichsgruppe, obschon die Gehälter in der Gruppe der weiblichen Mitarbeiter denselben Median aufweisen. Auch bei anderen Fallkonstellationen kann der Median zu irrigen Annahmen verleiten. Der Gesetzgeber hat sich aber im Rahmen des EntgTranspG dazu entschieden, dass sich der Anspruch auf Auskunftserteilung zu der Gehaltsstruktur der Vergleichsgruppe auf den Median bezieht. Es lässt sich zumindest auch nicht von der Hand weisen, dass der Median Anhaltspunkte für eine etwaige Entgeltdiskriminierung liefern kann.
Da der Gesetzgeber nun davon ausgeht, dass das Mediangehalt der Vergleichsgruppe in der Regel dazu geeignet sein wird, Hinweise auf eine Entgeltdiskriminierung zu geben, hat das BAG zutreffend festgestellt, dass im streitgegenständlichen Fall ein Indiz für eine Diskriminierung i.S.d. § 22 AGG vorliegt. Diese Vermutung einer Diskriminierung kann der Arbeitgeber nun zu widerlegen versuchen. Welche Argumente die Rechtsprechung hier zukünftig gelten lassen wird, bleibt abzuwarten. Eine längere Betriebszugehörigkeit oder eine besondere Qualifikation könnten vermutlich belastbare Gründe für eine abweichende Gehaltsfestsetzung darstellen.
Nadine Ceruti
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer unter gewissen Voraussetzungen vorsorglich Urlaub gewähren für den Fall, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Mit der vorliegenden Entscheidung hatte das BAG nunmehr Gelegenheit, diese Voraussetzungen weiter zu präzisieren.
BAG, Urteil vom 25.08.2020 – 9 AZR 612/19
Der Arbeitgeber hat das mit dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis am 18. September 2017 fristlos, hilfsweise fristgerecht unter Beachtung der maßgeblichen zweimonatigen Kündigungsfrist gekündigt. Im Kündigungsschreiben hieß es: „Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“ Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis bis zum 18. September 2017 zzgl. der Urlaubsabgeltung für den vorbenannten Zeitraum abgerechnet und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Arbeitnehmer ausbezahlt. Der Arbeitnehmer hat Klage gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung erhoben. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich geschlossen, der u. a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 31. Oktober 2017 vorgesehen hat. Im Rahmen der sich hieran anschließenden Schlussabrechnung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber die bereits geleistete Urlaubsabgeltung als (bereits geleistetes) Urlaubsentgelt behandelt und nicht (noch einmal) an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Der Arbeitnehmer hat die vorsorgliche Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber als unzulässig angesehen und den Arbeitgeber klageweise auf Zahlung des seiner Auffassung nach ausstehenden Entgelts in Höhe des Urlaubsentgelts in Anspruch genommen.
Die Klage des Arbeitnehmers ist in allen Instanzen abgewiesen worden. Auch nach Auffassung des BAG hatte der Arbeitnehmer insbesondere keinen Anspruch auf das von ihm begehrte Entgelt wegen Annahmeverzugs des Arbeitgebers.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs seien nicht erfüllt, da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in seinem Kündigungsschreiben wirksam Urlaub für den Zeitraum vom 19. September bis zum 11. Oktober 2017 erteilt habe. Auch die ohne einen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber sei rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußere. Der Arbeitgeber könne dem Arbeitnehmer Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Eine wirksame Urlaubsgewährung setze in diesem Fall jedoch voraus, dass der Arbeitgeber trotz der Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung eindeutig zum Ausdruck bringt, der Arbeitnehmer werde zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub endgültig von der Arbeitspflicht befreit. Diesen Anforderungen habe die obige Erklärung des Arbeitgebers in dem Kündigungsschreiben genügt. Die Ungewissheit über die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers im Zeitraum des gewährten Urlaubs hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich weiter rückwirkend beseitigt, sodass eine Arbeitspflicht nach der objektiven Rechtslage bestanden habe. Auch die vor Vergleichsabschluss tatsächlich gegebene Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses habe der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht entgegengestanden, da es der Urlaubszweck nicht gebiete, dass bereits bei Urlaubsantritt abschließende Gewissheit über die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht. Für die Erfüllung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub und die Realisierung des Urlaubszwecks komme es in Bezug auf die Freistellungskomponente nicht maßgeblich darauf an, dass der Arbeitnehmer das Bestehen seiner Arbeitspflicht kennt, sondern dass er durch die Urlaubserteilung die Gewissheit hat, während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen zu werden, und ihm dadurch Freizeit zur Erholung und Entspannung zur Verfügung steht. Der Arbeitnehmer wäre erst dann in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht wüsste, ob der Arbeitgeber von ihm in dem maßgeblichen Zeitraum die Erbringung einer Arbeitsleistung verlangt, und er sich deshalb in Bereitschaft halten müsste. Abschließend stünden der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber auch nicht die dem Arbeitnehmer nach Ausspruch der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber obliegenden Mitwirkungshandlungen gegenüber der Agentur für Arbeit betreffend den Bezug von Arbeitslosengeld entgegen. Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts habe der Arbeitgeber als Schuldner alles urlaubsrechtlich Erforderliche getan. Alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse – wie z. B. die sozialversicherungsrechtlichen Handlungsobliegenheiten – fielen als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Eine Umverteilung dieses Risikos zugunsten des Arbeitnehmers komme lediglich im – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefall in Betracht. Eine „Pflicht zur Erholung“ bestehe für den Arbeitnehmer weiter nicht. Eine Erfüllung von Urlaubsansprüchen sei deshalb nicht schon dann ausgeschlossen, wenn bereits bei der Gewährung und Inanspruchnahme absehbar ist, dass der Arbeitnehmer im vorgesehenen Urlaubszeitraum aus seiner Sphäre stammenden Belastungen oder Anstrengungen ausgesetzt ist, die seine selbstbestimmte Erholung negativ berühren, solange die durch den bezahlten Jahresurlaub intendierten Mindestanforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung – wie vorliegend – nicht unterschritten würden.
Die Entscheidung des BAG stellt die Fortführung der bisherigen Rechtsprechung dar. Aus Arbeitgebersicht erfreulich ist, dass die Erfurter Richter nunmehr eine konkrete Formulierung für die (vorsorgliche) Urlaubsgewährung bei fristlosen Kündigungen für tauglich befunden haben. Dies bringt weitere Handlungssicherheit und gibt den Arbeitgebern ein Instrument an die Hand, einer doppelten Inanspruchnahme soweit möglich zu entgehen. Weiter ist erfreulich, dass dem Einwand, sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten stünden der Urlaubsgewährung entgegen, im Arbeitgebersinne zunächst entgegengetreten worden ist.
Der Hinweis des BAG, dass Arbeitnehmer der einseitigen Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber unter Hinweis auf eigene Urlaubswünsche widersprechen und somit die Urlaubsgewährung u. U. blockieren können, ist in der betrieblichen Praxis im Auge zu behalten. Es ist davon auszugehen, dass solche Widersprüche – nicht zuletzt durch eben die vorliegende Entscheidung – zunehmen werden. Insoweit ist allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit ein solcher Widerspruch überhaupt möglich ist bzw. zu von der einseitigen Urlaubsgewährung des Arbeitgebers abweichenden Ergebnissen führen kann.
Thorsten TilchRechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Leipzig
Der Wunsch des Betriebsrats zum monatlichen Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG kann nicht mit der bloßen Wahrnehmung einer Überwachungsaufgabe oder eines Mitbestimmungsrechts begründet werden. Der Betriebsrat muss vielmehr darlegen, aus welchen Gründen der Einblick im begehrten monatlichen Turnus erforderlich ist.
BAG, Beschluss vom 29.09.2020 – 1 ABR 23/19
Die Beteiligten des Beschlussverfahrens streiten über das vom Betriebsrat geltend gemachte Verlangen, monatlich Einblick in Bruttoentgeltlisten zu nehmen. Hintergrund war der Einblick in eine Exceltabelle durch den Betriebsrat im Januar 2017, in der für jeden Monat des Jahres 2016 für jeden Arbeitnehmer ein Gesamtbruttoentgelt nebst einer Jahressumme sowie einer Monatsdurchschnittssumme aufgelistet war. Dabei hat der Betriebsrat erhebliche Differenzen der Gesamtbruttoentgelte festgestellt und vermutet, die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 11 BetrVG Sonderzahlungen geleistet. Im Juni 2017 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, ihm erneut Einblick in die aktuellen Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren. Auf Nachfrage teilte er mit, er wolle im monatlichen Turnus Einsicht nehmen. Diesem Verlangen kam die Arbeitgeberin nicht nach, weshalb der Betriebsrat ein Beschlussverfahren eingeleitet hat. Im Beschlussverfahren vertrat er die Auffassung, es müsse monatlich Einblick in die Bruttoentgeltlisten gewährt werden, damit er die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit und die Gewährung von Zuschlägen für Mehrarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie Nachtarbeit überwachen könne. Zudem sei aufgrund der im Januar 2017 eingesehenen Bruttoentgeltlisten nicht auszuschließen, dass die Arbeitgeberin unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG Sonderzahlungen leiste.
Nachdem der Betriebsrat erstinstanzlich obsiegt hatte, hat das Landesarbeitsgericht in dem von der Arbeitgeberin angestrengten Beschwerdeverfahren den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
Die vom Betriebsrat eingelegte Rechtsbeschwerde beim BAG auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung blieb erfolglos.
Das BAG sah den Antrag des Betriebsrats, monatlich Einsicht in die Bruttoentgeltlisten nehmen zu können, als unbegründet an. Ein solcher Antrag stehe dem Betriebsrat nach Auffassung des BAG nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG zu. Danach sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und in diesem Rahmen ist er berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Das Recht zur Einsichtnahme besteht jedoch nur, wenn es zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Beruft sich der Betriebsrat auf eine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist ein solcher Aufgabenbezug in der Regel gegeben. Ein besonderes Überwachungsbedürfnis muss der Betriebsrat in diesem Fall nicht darlegen. Die in § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG verlangte Erforderlichkeit ist bezogen auf das konkrete Einsichtsverlangen zu prüfen. Nach diesen Grundsätzen sah das BAG einen Anspruch auf die verlangte regelmäßige monatliche Einsichtsmaßnahme in Bruttolohn- und -entgeltlisten nicht als gegeben an. Die Erforderlichkeit für ein solches monatliches Einsichtsrecht hat der Betriebsrat selbst nicht dargelegt. Der Verweis des Betriebsrats auf die Überwachung der Einhaltung der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, in welcher Zuschläge für Mehrarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie für Nachtarbeit geregelt sind, begründet nicht die Notwendigkeit einer monatlichen Einsichtnahme, insbesondere weil der Betriebsrat eine regelmäßig monatlich anfallende Mehr- oder Nachtarbeit nicht behauptet hat. Im Hinblick auf die vom Betriebsrat bei der Einsichtnahme im Januar 2017 festgestellten Differenzen der Gesamtbruttoentgelte war für das BAG nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Betriebsrat davon ausgeht, es würde einer monatlichen Überprüfung bedürfen.
Das BAG führt mit seiner Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung fort, wonach es einer spezifischen Prüfung der Erforderlichkeit in Bezug auf das konkret geltend gemachte Einsichtsverlangen bedarf, wenn der Betriebsrat die Einsicht von Bruttolohn- und Entgeltlisten verlangt. Dabei unterstreicht das BAG, dass die Hürden für eine Einsichtnahme des Betriebsrats grundsätzlich niedrig sind, da es für den Betriebsrat ausreicht, auf seine Überwachungsaufgaben zu verweisen. In diesem Fall muss er kein besonderes Überwachungsbedürfnis darlegen. Der für das Einsichtsrecht erforderliche Aufgabenbezug ergibt sich regelmäßig schon daraus, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze eingehalten werden. Gleichwohl sind dem Betriebsrat Grenzen gesetzt. Wenn sich der Betriebsrat auf einen spezifischen Turnus, Anlass oder Aufgabe beruft, muss er ein darauf bezogenes Überwachungsbedürfnis darlegen. So führt das BAG beispielhaft an, dass ein Einsichtsverlangen ausscheidet, wenn es dem örtlichen Betriebsrat um den betriebsübergreifenden Einblick in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten geht. In diesem Fall liegt kein mit der Überwachungsaufgabe des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und einem möglichen Mitbestimmungsrecht begründeter Einsichtsanspruch vor. Das BAG hatte am selben Tag einen weiteren Fall zu entscheiden, in dem der Betriebsrat Einsichtnahme in Bruttoentgeltlisten begehrte, dieses Mal allerdings unter Verweis auf seine Aufgabe zur Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit (BAG, Beschluss vom 29. September 2020 – 1 ABR 32/19). Der Betriebsrat hatte allerdings nicht dargelegt, für welche konkreten Förderungsmaßnahmen bestimmte Auskünfte benötigt werden, so dass auch in diesem Fall die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats erfolglos blieb. Das BAG stellte in dieser Entscheidung zum einen klar, dass ein allgemein gehaltener Hinweis auf die gesetzlichen Aufgaben unter bloßer Wiederholung des Gesetzeswortlauts regelmäßig unzureichend ist. Zum anderen wies das BAG darauf hin, dass weder das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG noch das Einsichts- und Auswertungsrecht des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG ein Recht auf eine dauerhafte Überlassung von Entgeltlisten enthalten. Es lohnt sich daher, das Einsichtsverlangen des Betriebsrats und seine Begründung genau zu prüfen.
Sandra Sfinis
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Hamburg
Ob eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsrechtes vorliegt, hängt auch im Falle einer kurzzeitigen Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, von der Dauer des Arbeitseinsatzes ab. Erfasst ein Globalantrag auch Fallgestaltungen, die nicht der begehrten Feststellung zugänglich sind, ist der Globalantrag insgesamt abzuweisen.
BAG, Beschluss vom 29.09.2020 – 1 ABR 21/19
Der Arbeitgeber betreibt Möbelhäuser in Deutschland. In dem betreffenden Möbelhaus ist es üblich, dass an Tagen mit erheblichem Kundenandrang ein sog. „Lucky-Luke-Ausruf“ erfolgt. Alle Mitarbeiter werden damit aufgefordert im Bereich der Kassen und in der Logistik auszuhelfen. Arbeitnehmer, die ansonsten hauptsächlich mit Verwaltungstätigkeiten im Büro beschäftigt sind oder in den Bereichen „Food“, „lokales Marketing“ und anderen Bereichen tätig sind, arbeiten an diesen Tagen auch im Lager, auf der Verkaufsfläche und an den Kassen. Die Einsätze dauern zwischen einer halben Stunde und maximal sechs Stunden. Sonstige Änderungen, insbesondere eine Änderung der Vergütung oder der Arbeitszeiten, gehen mit dem abweichenden Arbeitseinsatz nicht einher.
Der Betriebsrat wollte feststellen lassen, dass diese kurzfristigen Arbeitseinsätze Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BetrVG und damit gemäß § 99 BetrVG zustimmungspflichtig sind. Die kurzfristigen Arbeitseinsätze seien mit erheblichen Änderungen der Umstände verbunden. Die Arbeitnehmer müssten im Kassenbereich mit Kundenkontakt und dem damit verbundenen Stress arbeiten. Sie seien zudem verstärkt Zugluft, Lärm und im Lager Kälte ausgesetzt. Er stellte einen sog. Globalantrag, von dem sämtliche Arbeitnehmer und Arbeitseinsätze, also eine Vielzahl von Fallgestaltungen, erfasst waren. Das LAG Niedersachsen gab diesem Antrag für bestimmte Fallgestaltungen statt.
Das BAG hob den Beschluss des LAG Niedersachsens auf und wies den Antrag des Betriebsrats vollständig ab. Eine Versetzung im Sinne des Gesetzes sei die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreite oder die mit erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Relevant sei ausschließlich die tatsächliche Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs. Die Frage, ob der Arbeitgeber individualrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer zur Zuweisung des entsprechenden Arbeitsbereiches berechtigt sei, sei für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unerheblich.
Das BAG arbeitet den Begriff der Versetzung heraus und unterscheidet dabei zwischen der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs und der Änderung der äußeren Umstände.
Der Begriff „Arbeitsbereich“ sei räumlich und funktional zu verstehen und umfasse die Aufgabe und Verantwortung, die Art der Tätigkeit sowie die Einordnung im Arbeitsablauf des Betriebes. Dies sei vom Standpunkt eines neutralen Beobachters, der mit den betrieblichen Verhältnissen vertraut ist, zu beurteilen. Kein Kriterium sei hingegen die tarifliche Wertigkeit der Tätigkeit.
Die „Änderung der Umstände“ erfasse demgegenüber nur die äußeren Umstände, unter denen die geänderte Tätigkeit zu verrichten sei, beispielsweise die zeitliche Lage und äußere Einflüsse wie Temperatur, Lärm und Schmutz.
Umstände, die untrennbar zum Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung gehören, könnten demnach keine äußeren Umstände sein. Das Argument des Betriebsrats, die Umstände seien erheblich andere, da die Arbeitnehmer an der Kasse im Kundenkontakt arbeiten müssten, verfing daher nicht. Der Kundenkontakt sei der Tätigkeit an der Kasse immanent und begründe daher lediglich den Einsatz in einem „anderen Arbeitsbereich“, nicht jedoch erhebliche Änderung der äußeren Umstände.
„Erheblich“ sei die Änderung der äußeren Umstände, wenn sie objektiv bedeutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend seien. Dies sei wiederum vom Standpunkt eines neutralen Beobachters zu beurteilen. Ein relevanter Faktor sei dabei insbesondere auch der zeitliche Umfang, in dem der Arbeitnehmer den geänderten Umständen ausgesetzt sei.
Im konkreten Fall sei zumindest der halbstündige Einsatz von Arbeitnehmern, die auch im Rahmen ihrer sonstigen Arbeit gelegentlich im Bereich der Kassen tätig würden, nicht von einer „erheblichen Änderung der Umstände“ begleitet, sodass zumindest im diesem Fall keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG vorläge. Diese Arbeitnehmer seien auch im Rahmen ihrer gewöhnlichen Tätigkeit den negativen äußeren Umständen, wie Zugluft und Lärm ausgesetzt.
Es sei jedoch nicht möglich, dem Globalantrag des Betriebsrats unter einschränkenden Voraussetzungen stattzugeben, wie es das LAG getan hat. Das Gericht würde sich damit nicht mehr im Rahmen des Antrags bewegen, sondern unzulässigerweise etwas anderes zusprechen, als beantragt wurde.
Das Urteil ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen wird ausführlich dargestellt, wann eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG vorliegt. Zum anderen wird noch einmal die Tücke von Globalanträgen deutlich.
Bei der Frage, ob eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts vorliegt, sind insbesondere folgende zwei Aussagen des Gerichts zu beherzigen:
Erstens muss zwischen der „Änderung des Arbeitsbereichs“ und der „Änderung der äußeren Umstände“ unterschieden werden. Ist ein Umstand untrennbarer Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung, kann er nicht zugleich die erhebliche Änderung der äußeren Umstände begründen.
Zweitens spielt auch bei der kurzzeitigen Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BetrVG die zeitliche Komponente eine erhebliche Rolle. Die Frage, ob eine Änderung der äußeren Umstände objektiv bedeutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend ist, hängt insbesondere auch damit zusammen, wie lange der Arbeitnehmer den geänderten Umständen ausgesetzt ist. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie Arbeitnehmern, soweit sie individualrechtlich dazu berechtigt sind, kurzzeitig andere Arbeitsbereiche übertragen können, ohne zuvor den Betriebsrat zu konsultieren.
Der Betriebsrat unterliegt in diesem Verfahren vollständig, obwohl sein Antrag auch Fallgestaltungen erfasst, die das BAG wohl als Versetzungen ansehen würde. Sein Globalantrag ist jedoch zu weit gefasst und erfasste auch Fallgestaltungen, die keine Versetzungen im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG sind. Dies zeigt die Gefahr von Globalanträgen deutlich auf. Werden sie zu weit gefasst, laufen sie Gefahr abgewiesen zu werden, obwohl im Kern das richtige Anliegen verfolgt wird. Der Globalantrag ist daher mit Bedacht zu formulieren und die Fallgestaltungen exakt zu bestimmen.
Lukas Gallenkämper
Associate
Düsseldorf
Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Reichweite einer Verweisungsklausel in einem Anerkennungstarifvertrag befasst sowie den Grundsätzen für die Auslegung von tariflichen Verweisungsklauseln und den Anforderungen an deren Wirksamkeit.
BAG, Urteil vom 11.11.2020 – 4 AZR 210/20
Der Kläger machte die Gewährung von Freistellungstagen aus einem Tarifvertrag für das Kalenderjahr 2019 geltend. Für das Arbeitsverhältnis des Klägers, der Mitglied in der IG Metall ist, gilt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der von der Beklagten mit der IG Metall geschlossene Haustarifvertrag unmittelbar und zwingend. Gemäß § 5 Abs. 5 des Haustarifvertrages „gelten alle Abkommen, Zusatzabkommen, Änderungen und Neufassungen von Tarifverträgen sowie alle neuen Tarifverträge und -bestimmungen, die zwischen dem Arbeitgeberverband und der IG Metall für das Tarifgebiet vereinbart werden“. Der Haustarifvertrag sieht ferner vor, dass bestimmte in dem Haustarifvertrag näher bezeichnete Tarifverträge mit sofortiger Wirkung zur Anwendung kommen (§ 2 des Haustarifvertrages) oder, hinsichtlich der Erhöhung der Löhne, Gehälter, Entgelte und Auszubildendenvergütung, unmittelbar nach ihrem zukünftigen Abschluss (§ 3). Ferner wird eine Verhandlungspflicht bezüglich der Anerkennung anderer Verbandstarifverträge geregelt, die bei Abschluss des Haustarifvertrages bereits gelten und die in einer Anlage zum Haustarifvertrag konkret genannt sind (§ 4).
Nach Inkrafttreten des Haustarifvertrages wurden zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband ein Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld sowie eine Änderung des Manteltarifvertrages vereinbart, wonach unter bestimmten Umständen ein Anspruch auf Freistellungstage anstatt des tariflichen Zusatzgeldes besteht. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob die Verweisung in § 5 Abs. 5 des Haustarifvertrages auch zur Geltung dieser Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis führt.
Das Arbeitsgericht Bonn und das Landesarbeitsgericht Köln haben die Klage abgewiesen. Das BAG hat das Urteil aufgehoben und festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung nach dem Manteltarifvertrag für das Kalenderjahr 2019 zusteht.
Das BAG hat den im Wege der Feststellungsklage geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Gewährung der Freistellungstage für das Kalenderjahr 2019 bejaht. Der Tarifvertrag Tarifliches Zusatzentgelt und die Änderung des Manteltarifvertrages, aus denen sich der Anspruch auf die tariflichen Freistellungstage ergibt, gelten im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend, da diese von der Verweisung in § 5 Abs. 5 des Haustarifvertrages erfasst sind.
Für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages gelten nach der ständigen Rechtsprechung des BAG die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln, wobei zunächst von dem Wortlaut auszugeben ist. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Anerkennungstarifverträgen. Das BAG distanziert sich ausdrücklich von einer früheren Entscheidung vom 16. Juni 2010 (4 AZR 944/09), in der es ohne weitergehende Begründung die Auffassung vertreten hat, eine Verweisung auf andere Tarifverträge sei im Zweifel eng auszulegen.
Da die Verweisungsklausel in § 5 Abs. 5 auf solche Tarifbestimmungen verweist, die „vereinbart werden“ sind hiervon ausdrücklich die nach dem Inkrafttreten des Haustarifvertrages neu vereinbarten Tarifverträge erfasst. § 5 Abs. 5 verweist nur auf solche zeitlich nachfolgend geschlossenen Tarifverträge, für die der Haustarifvertrag keine anderen Geltungsbestimmungen enthält und die auch nicht unter die Verhandlungspflicht in § 4 in Verbindung mit der Anlage fallen. Dem Argument der Arbeitgeberseite, dass es sich bei der Aufnahme von § 5 Abs. 5 des Haustarifvertrages um ein Redaktionsversehen handelt, folgt das BAG nicht, da sich aus dem Haustarifvertrag keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass neue Tarifvereinbarungen trotz des klaren Wortlauts des § 5 Abs. 5 generell nicht in Bezug genommen werden sollten. Daher erstreckt sich der Verweis in § 5 Abs. 5 des Haustarifvertrages auch auf den Anspruch auf die tariflichen Freistellungstage.
Für die Wirksamkeit der Verweisungsklausel kommt es darauf an, dass der Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifbestimmungen wie hier des Tarifvertrages Tarifliches Zusatzentgelt und der Änderung des Manteltarifvertrages in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm steht. Darüber hinaus müssen die Tarifvertragsparteien die Verweisungsbestimmungen jederzeit aufheben, modifizieren oder ersetzen können und durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen darf nicht eine zu lange zeitliche Bindung ohne Lösungsmöglichkeit eingegangen werden. Diese Voraussetzungen waren in dem zugrunde liegenden Fall erfüllt.
Die Entscheidung bestätigt einmal mehr die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Auslegung der normativen Bestimmungen eines Tarifvertrages wie hier der Verweisungsklausel in einem Anerkennungstarifvertrag. Indem es den Anwendungsbereich der im Streit stehenden Verweisungsklausel auf neu abgeschlossene tarifliche Regelungen reduziert, nutzt das BAG den weiten Spielraum der Auslegung und kommt so zu einer widerspruchslosen und rechtssicheren Abgrenzung zu den weiteren Verweisungsregelungen des Haustarifvertrages. Bei der Verhandlung von Verweisungsklauseln ist daher Vorsicht geboten, damit die spätere Auslegung nicht zu unliebsamen Überraschungen führt.
Martina Ziffels
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Hamburg
Die Übertragung von Weisungsrechten des Arbeitgebers im Wege der Stellvertretung oder Ermächtigung über die Berichtswege innerhalb der Konzernstruktur ändert grundsätzlich nichts am Bestand des Arbeitsverhältnisses. Ebenso steht es der Begründung eines einheitlichen Betriebes nicht entgegen, wenn in dem Betrieb mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden. Erfüllt ein Mitarbeiter innerhalb der Matrix-Struktur neben dem Betriebszweck des einzelnen Unternehmens auch die Betriebszwecke der Muttergesellschaft, ist eine Zuordnung des Arbeitnehmers sowohl zum Vertragsarbeitgeber, als auch zur steuernden Einheit möglich.
LAG Hessen, 26.08. 2020, 2 Sa 119/20
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte ist Teil eines internationalen Konzerns. In der Betriebsstätte der Beklagten besteht neben der Produktion eine weitere Abteilung für den lokalen Vertrieb der Produkte. Der Kläger ist Diplom-Betriebswirt und war zwischen 2003 und 2008 bei der Beklagten beschäftigt. Ab September 2013 war der Kläger erneut bei der Beklagten beschäftigt – zunächst als Regional Manager Europe sowie ab Juni 2015 als Chief Commercial Officer (CCO). Der fortbestehende Arbeitsvertrag regelte einen direkten Berichtsweg des Klägers an den Chief Executive Officer (CEO) der Muttergesellschaft. Mit Positionswechsel 2015 sowie im Jahr 2016 erfolgte eine Vergütungsanpassung.
Dem Kläger waren weltweit alle Marketing- und Vertriebsteams, u.a. der Local Sales Manager der Beklagten, Herr E., Leiter eines dreiköpfigen Teams, sowie der Director Marketing & Product Development der Beklagten, Herr F., fachlich unterstellt. Er genehmigte Spesenabrechnungen und Urlaubsanträge und übernahm teilweise Vertretungsfälle. Der Kläger stimmte seinen Urlaub mit dem CEO der Muttergesellschaft ab und meldete diesen der Personalabteilung der Beklagten. Der Kläger verfügte über ein Büro bei der Beklagten, konnte aber auch von zu Hause arbeiten und hatte umfangreiche weltweite Dienstreisen zu übernehmen. Von dem Geschäftsführer der Beklagten erhielt der Kläger als CCO keine fachlichen Weisungen. Die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses erfolgte durch die Beklagte, wobei jedenfalls ein Teil der vertraglichen Vergütung des Klägers mit der Muttergesellschaft verrechnet wurde.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 29. Mai 2019 ordentlich zum 30. November 2019. In zeitlichem Zusammenhang wurde auch die Assistentin des Klägers sowie Herr F. gekündigt. Zum 1. Juni 2019 vergab die Beklagte eine in ihrem Betrieb nachzubesetzende Stelle eines Produktcontrollers an einen externen Bewerber.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben.
Das LAG Frankfurt wies die Berufung der Beklagten als unbegründet ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei mangels sozialer Rechtfertigung der Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden.
Die Zusatzvereinbarungen zur Anpassung der Position sowie der Vergütung des Klägers in den Jahren 2015 und 2016 nehme Bezug auf den Arbeitsvertrag von 2013. Der Arbeitsvertrag sei durch die Zusatzvereinbarung nicht ersetzt worden. Der bisherige ausdrückliche Berichtsweg an den CEO der Muttergesellschaft sei aufrechterhalten geblieben. Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sei nicht entscheidend, dass der Berichtsweg zu einer nicht bei der Beklagten beschäftigten Person, nämlich dem CEO der Muttergesellschaft, führe. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers könne vielmehr im Wege der Stellvertretung bzw. der Ermächtigung durch einen Dritten ausgeübt werden. Der Kläger sei zudem in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert und habe seine Arbeitszeit nicht frei einteilen können.
Der Kläger war auch dem Betrieb der Beklagten zuzuordnen. Der in § 23 Abs. 1 KSchG verwendete Betriebsbegriff entspreche im Wesentlichen demjenigen des § 1 BetrVG. Insbesondere die Verfolgung eines einheitlichen arbeitstechnischen Zwecks unter selbstständiger Ausübung einer im Wesentlichen einheitlichen Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten gelte auch hier. Dem stehe nicht entgegen, dass in einem einheitlichen Betrieb mehrere unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgt würden. Im Betrieb der Beklagten bestehe neben einer Produktionseinheit eine weitere Abteilung, mit dem Zweck des Vertriebes der von der Beklagten hergestellten Produkte.
Der Kläger ist in diesen Betrieb eingegliedert gewesen. Er war fachlicher Vorgesetzter mehrerer im Verkaufsbereich der Beklagten beschäftigter Mitarbeiter und hat diese teilweise in Abwesenheitsfällen auch gegenüber Kunden vertreten. Der Kläger hatte ein eigenes Büro bei der Beklagten und bekam von ihr eine Assistentin gestellt. Die Personalabteilung der Beklagten war seine Ansprechpartnerin im Fall von Urlaub und Krankheit. Die Beklagte trug im Wesentlichen die Personalkosten des Klägers. Die umfangreichen Dienstreisen des Klägers seien dabei unerheblich. Die Eingliederung in einen Betrieb setze keine Mindestanwesenheit oder einen bestimmten zeitlichen Umfang der Tätigkeit zur Verwirklichung des Betriebszwecks voraus. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger auch arbeitstechnische Zwecke der Muttergesellschaft verfolgt habe. In seiner Rolle als CCO sei er für eine konzernweit einheitliche Marketing-, Entwicklungs- und Vertriebsorganisation zuständig gewesen. Im Fall solcher Mischformen, bei denen ein Arbeitnehmer auch den Betriebszweck eines Dritten erfülle, sei innerhalb der Matrix-Struktur eine Zuordnung des Arbeitnehmers sowohl zum Vertragsarbeitgeber, als auch zur steuernden Einheit möglich.
Der Kläger war auch der betrieblichen Leitungsmacht der Beklagten unterworfen. Die wesentlichen personellen Entscheidungen, insbesondere auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ist von der Beklagten ausgegangen. Der CEO der Muttergesellschaft war von der Beklagten bevollmächtigt, sodass dessen Verhalten der Beklagten zugerechnet werden konnte. Eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Kläger (§ 167 Abs. 1 2. Alt. BGB) ist in der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag enthalten. Bei der Erteilung von Urlaub handelte der CEO der Muttergesellschaft in Vertretung der Beklagten, bei der der Urlaub letztendlich einzureichen war. Daneben ist das Verhalten des CEO der Muttergesellschaft auch in fachlicher Hinsicht der Beklagten zurechenbar, soweit es die Verfolgung der Betriebszwecke der Beklagten betraf. Eine Verfolgung von Betriebszwecken auch der Muttergesellschaft stehe dem nicht entgegen, da ein Handeln zugleich im fremden und im eigenen Namen rechtlich möglich sei und die Zurechnung zum Vertreter nicht hindere.
Die Kündigung ist wegen bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des Klägers unverhältnismäßig. Bei der Beklagten bestand eine Stelle als Produktcontroller. Der Kläger ist fachlich für diese Position geeignet. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre des Klägers liege zwar bereits 20 Jahre zurück und der Kläger hat keinen Schwerpunkt im Bereich Finanzen und Controlling gelegt. Es gelte jedoch als zugestanden, dass der Kläger diese Aufgaben eines Produktcontrollers in der Zeit seiner Vorbeschäftigung bei der Beklagten in den Jahren 2003 – 2008 ausgeübt hat.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen 2 AZR 447/20 beim BAG eingelegt.
Die Entscheidung des LAG behandelt die bisweilen schwierige Frage der Einstufung von Misch-Positionen innerhalb der Matrix-Strukturen von Konzernunternehmen und löst diese durch Übertragung der bereits bekannten und größtenteils bewährten Kriterien.
Zu begrüßen ist, dass das LAG bei der Beurteilung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses an den bekannten Kriterien, insbesondere der vertraglichen und personalrechtlichen Zuordnung und der Eingliederung in die Betriebsabläufe des Arbeitgebers innerhalb der Konzernstruktur festhält.
Arbeitgeber können danach auch bei unternehmensübergreifenden Tätigkeiten auf die bekannten Maßstäbe zur Differenzierung zwischen eigenen und extern beschäftigten Mitarbeitern zurückgreifen. Insbesondere innerhalb der Matrix-Struktur eines Konzerns ist die partielle Übertragung von Weisungsrechten zur effektiven Ausschöpfung des Berichtswesens erforderlich.
Die Zuordnung von Misch-Positionen zum Betrieb eines Konzernunternehmens ebenso wie zur steuernden Einheit des Mutterkonzerns ist ebenfalls zu befürworten. Diese Möglichkeit trägt der konzerninternen und gesellschaftsübergreifenden Zusammenarbeit Rechnung. In der Praxis ergibt sich aus der flexiblen Zuordnung jedoch gleichzeitig ein Bedürfnis nach klaren Strukturen und eindeutiger Zuweisung auf vertraglicher und personalrechtlicher Basis. Zudem sollte auch die praktische Ausübung der Tätigkeit stets im Auge behalten werden, um eine faktische Verschiebung der Arbeitgeberrolle zu vermeiden.
Für die Praxis gilt danach bei der Wahl der personalrechtlichen Zuordnung eines Mitarbeiters genau abzuwägen, ob eine arbeitsvertragliche und personelle Zuordnung zur Muttergesellschaft oder ein Verbleib im Betrieb der Konzerngesellschaft sinnvoll erscheint. Zu beachten gilt es dabei auch, dass sich im Rahmen einer Restrukturierung und einem erforderlichen Stellenabbau aus der Zuordnung eines Mitarbeiters zur Muttergesellschaft oder einem Konzernunternehmen wesentliche Unterschiede ergeben können.
Der weite Einbezug von Tätigkeiten während Vorbeschäftigungszeiten im Betrieb des Arbeitgebers bei der Beurteilung des Bestehens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ist hingegen kritisch zu sehen. In der Praxis führt die Ausdehnung des Einbezugs auch weit zurückliegender Tätigkeiten zu Schwierigkeiten. Nicht nur, dass der aus einer solchen Einbeziehung resultierende zusätzliche Aufwand enorm ist. Zudem wandelt sich das Tätigkeitsbild insbesondere mit Blick auf die voranschreitende Digitalisierung und Spezialisierung der einzelnen Berufsfelder. Die Darlegung dieser Unterschiede im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens wird unabdingbar.
Cyrielle Therese Ax
Rechtsanwältin
Associate
Frankfurt a. M.
Eine Freistellungserklärung von Seiten des Arbeitgebers ist nur dann geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zum Zwecke des selbstbestimmten Erholungsurlaubs von der Arbeitspflicht freistellen will. Der Arbeitgeber kann insbesondere nicht im Nachgang einen arbeitsfreien Zeitraum zu Erholungsurlaub erklären.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.10.2020 – 12 Sa 60/20 (rechtskräftig)
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub. Der Arbeitnehmer machte die Zahlung von Urlaubsabgeltung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geltend. Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers sei bereits erfüllt worden. Sie hatte während einem Zeitfenster von einigen Wochen keine Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer und gestattete ihm während dieser Zeit zu Hause zu bleiben. Der Geschäftsführer der Beklagten behauptet, es habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Abwesenheitszeiten des Klägers in diesem Zeitraum mit seinem Urlaubsanspruch verrechnet würden. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung der Urlaubsabgeltung. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass dem Arbeitgeber aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Bundesurlaubsgesetz ein Anspruch auf die geltend gemachte Urlaubsabgeltung zustehe. Die darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeberin habe nicht substantiiert vorgetragen, dass eine Vereinbarung, wie von ihr dargestellt, tatsächlich bestanden habe.
Die Berufung der Arbeitgeberin blieb ohne Erfolg. Diese sei bereits mangels ordnungsgemäßer Begründung teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Arbeitnehmer könne von der Arbeitgeberin die ausgeurteilte Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BUrlG beanspruchen. Tatsächlich arbeitsfreie Zeiten seien auch in Kombination mit einer Einigung über deren Verrechnung mit dem Urlaubsanspruch nicht stets als Gewährung des gesetzlichen Urlaubs zu bewerten. Hierzu bedürfe es vielmehr einer vor Urlaubsbeginn erfolgten und nach ihrem Umfang hinreichend bestimmten unwiderruflichen Freistellungserklärung seitens der Arbeitgeberin. Vorliegend habe der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen können, dass der Urlaub nicht unvermittelt endet, weil wieder Arbeitsaufträge für ihn vorhanden sind.
Enthält ein Sozialplan eine Regelung, nach der für Arbeitnehmer, die eine abschlagsfreie Rente erhalten können, keine Abfindung vorgesehen ist, bewirkt dies zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, die jedoch nach § 10 Satz 3 Nr. 6 i.V.m. § 10 Satz 2 AGG gerechtfertigt ist.
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.12.2020 – 2 Sa 152/20 (rechtskräftig)
Der Arbeitnehmer begehrt die Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan. Der im Rahmen der Schließung eines Depots und des Abbaus von Stellen geschlossene Interessenausgleich sah vor, dass lediglich rentenferne Arbeitnehmer eine Basisabfindung erhalten sollten, während für rentennahe Arbeitnehmer nur eine modifizierte oder keinerlei Abfindungsleistungen vorgesehen waren. Der Arbeitnehmer bezieht nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Rentenabschläge. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Mangels Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen stehe dem Arbeitnehmer weder eine Basisabfindung noch eine modifizierte Abfindung nach den Regelungen des Rahmensozialplanes zu. Die Tatsache, dass rentennahe Mitarbeiter nach dem Rahmensozialplan nur eine gekürzte Abfindung erhielten, führe vorliegend nicht zur Unwirksamkeit der Regelungen.
Auch vor dem LAG blieb der Arbeitnehmer mit seinem Klagebegehren erfolglos. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch weder nach dem Rahmensozialplan noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Nach § 10 S. 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG werde den Betriebsparteien die Möglichkeit eröffnet, Beschäftigte von Leistungen des Sozialplans auszuschließen, weil diese rentenberechtigt sind. Nach den von den Betriebsparteien vereinbarten Regelungen im Rahmensozialplan, sei für den Fall des Klägers keine Abfindungsleistung vorgesehen. Diese Regelungen seien vorliegend auch nicht unwirksam. Die Betriebsparteien seien grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung ob und in welchem Umfang sie die entstandenen Nachteile ausgleichen oder milden wollen. Bei der Einschätzung der zu erwartenden Nachteile stehe den Betriebsparteien ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Der Ausschluss derjenigen Arbeitnehmer, die eine abschlagsfreie Altersrente beziehen können, sei notwendig, weil diese anderenfalls überproportional begünstigt worden wären.
Verwendet der Arbeitgeber ein elektronisches Bewerbungsmanagementsystem, so reicht es für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG im Rahmen der Zustimmungseinholung für eine Einstellung nicht aus, nur die im System hinterlegten Dokumente vorzulegen. Dem Informationsanspruch des Betriebsrats wird nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn auch die im System genutzten Funktionalitäten überlassen und eingesehen werden können.
LAG Köln, Beschluss vom 15.05.2020 – 9 TaBV 32/19 (Rechtsbeschwerde anhängig)
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur geplanten Einstellung einer Bewerberin. Die Arbeitgeberin verwendet ein Bewerbungsmanagement-Tool, das es Recruiting-Teams ermöglicht sich über Bewerber auszutauschen und zu kommunizieren. Dazu wird für die Bewerber jeweils eine virtuelle Bewerbungsmappe angelegt. Über eine Team Chat Funktion können Kommentare zu den Bewerbern eingegeben werden. Der Bewerberin, für deren Einstellung die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats begehrt, wurde eine Stelle angeboten, für die sich auch ein bereits bei der Arbeitgeberin beschäftigter Arbeitnehmer beworben hatte. Die Arbeitgeberin hörte den Betriebsrat mit einem Anhörungsbogen zur beabsichtigten unbefristeten Einstellung der Bewerberin an. Zudem erhielt der Betriebsrat über das Bewerbungsmanagementsystem Einblick in den dort hinterlegten Lebenslauf und das Motivationsschreiben der Bewerberin. Der Betriebsrat widersprach der Einstellung unter anderem mit der Begründung, dass ihm nicht die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden seien. Die Arbeitgeberin beantragte beim Arbeitsgericht erfolglos die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung der Bewerberin.
Das LAG schloss sich der Entscheidung des Arbeitsgerichts an. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG habe der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Die Unterrichtung des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin habe vorliegend nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entsprochen. Hinsichtlich der Bewerberin habe die Arbeitgeberin nicht alle maßgeblichen Bewerbungsunterlagen vorgelegt. Dem Betriebsrat sei lediglich eine eingeschränkte Einsicht in das Softwaresystem zum Bewerbermanagement gewährt worden. Insbesondere auf die Kommentarfunktion, habe der Betriebsrat keinen Zugriff gehabt. Die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber sei aber Voraussetzung dafür, dass dieser seine Rechte nach § 99 Abs. 2 BetrVG ordnungsgemäß wahrnehmen kann.
Ein Arbeitsvertrag ist als Scheingeschäft zu bewerten und damit nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Arbeitnehmer seit Abschluss des Arbeitsverhältnisses nicht im Betrieb des Arbeitgebers gearbeitet und ihm auch zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitsleistung angeboten hat.
BAG, Urteil vom 14.10.2020 - 5 AZR 409/19
Die Parteien streiten im Wesentlichen über Vergütungsansprüche. Die Klägerin schloss mit der beklagten Gesellschaft im Jahr 2005 einen Arbeitsvertrag als Beraterin ab. Zu diesem Zeitpunkt waren ihr Ehemann und eine weitere Person (Herr S.) alleinige Gesellschafter der Gesellschaft. Ende 2017 übernahm Herr S. die Gesellschaft als Alleingesellschafter und Geschäftsführer und kündigte der Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Mai 2018. Eine Kündigungsschutzklage wurde nicht erhoben. Während die Beklagte für den Monat Januar 2018 noch die Vergütung an die Arbeitnehmerin gezahlt hatte, blieb diese für die folgenden Monate aus. Die Arbeitnehmerin erbrachte im Jahr 2018 keinerlei Arbeitsleistung für die Beklagte. Die Arbeitnehmerin machte mit ihrer Klage Vergütungsansprüche geltend. Vor Gericht berief sie sich darauf, dass sie seit Beginn des Arbeitsverhältnisses weder im Betrieb der Beklagten gearbeitet noch ihre Arbeitsleistung angeboten habe. Von Anfang an habe sie ihr Gehalt ohne Arbeitsleistung erhalten. Das BAG schloss sich den Vorinstanzen an und verwarf die Revision. Der im Jahr 2005 geschlossene Arbeitsvertrag sei als Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, so dass ein Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis für die begehrte Zahlung ausscheide. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einvernehmlich den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die damit verbundenen Rechtwirkungen aber nicht eintreten lassen wollen. Ein solcher sei gegeben, wenn die Parteien nicht wollen, dass der Arbeitnehmer aufgrund des abgeschlossenen Arbeitsvertrags überhaupt eine Arbeitsleistung verrichten muss. In diesem Fall wollen sie den Eintritt der rechtlichen Verpflichtungen der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen nicht herbeiführen. Ein Arbeitsvertrag sei daher als Scheingeschäft einzuordnen, wenn sich die Parteien bei Vertragsabschluss darüber einig sind, dass das vereinbarte Entgelt ganz oder zumindest teilweise nicht als Gegenleistung für die Erbringung einer Arbeitsleistung gezahlt werden soll und eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht begründet wird. Die Klägerin hat nach eigener Aussage keine Arbeitsleistung erbracht und die Beklagte hat dies auch nicht eingefordert. Der beiderseitige Parteiwille war hierauf nicht gerichtet.
Die Aussagekraft des Sendestatus eines Einwurf-Einschreibens genügt nicht, um einen Anscheinsbeweis für den ordnungsgemäßen Zugang eines Kündigungsschreibens zu begründen. Aus diesem geht nämlich weder der Name des Zustellers hervor noch beinhaltet er eine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers. Der Sendestatus ist vom Auslieferungsbeleg zu unterscheiden.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.2020 - 3 Sa 38/19 (rechtskräftig)
Im zu entscheidenden Fall ging es um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eines Rettungsassistenten. Die beklagte Arbeitgeberin hatte vorgebracht, dem Kläger sei ein Kündigungsschreiben zugegangen. Sie habe die Übermittlungsform des Einwurf-Einschreibens gewählt und legte hierfür einen Einlieferungsbeleg und einen Sendestatus vor. Der Kläger trug hingegen vor, er habe keine Kündigung der Beklagten erhalten. Das Arbeitsgericht Reutlingen hatte der Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses stattgegeben und dies damit begründet, dass der Zugang des Kündigungsschreibens nicht nachgewiesen werden könne. Das LAG schloss sich der erstinstanzlichen Entscheidung an und führte aus, dass die Aussagekraft des Sendungsstatus nicht ausreiche, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen. Aus dem Sendungsstatus gehe nicht der Name des Zustellers hervor und er beinhalte auch keine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers, der den Einwurf der Sendung beurkunde. Dem Sendungsstatus könne man lediglich entnehmen, dass eine Sendung zugestellt worden sein soll, deren Nummer einer der Sendungsnummern entspräche, die auf dem Einlieferungsbeleg vermerkt seien. Der Sendungsstatus biete dem Absender lediglich die Möglichkeit unter Angabe der Lieferungsnummer den jeweiligen Status der Sendung bestätigt zu bekommen. Zudem verdeutlicht das LAG in seiner Entscheidung den wesentlichen Unterschied des bei der Deutschen Post AG erhältlichen Reproduktion des Auslieferungsbelegs vom Sendungsstatus. Beim Einwurf-Einschreiben dokumentiere der Mitarbeiter der Deutschen Post AG den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Der dabei gefertigte Auslieferungsbeleg werde dann in einem Lesezentrum zentral für Deutschland eingescannt, sodass die genauen Auslieferungsdaten zur Verfügung stünden. Das Original des Auslieferungsbelegs werde zwar beim Scanvorgang zerstört, jedoch könne der Absender anschließend gegen Zahlung einer Gebühr einen Ausdruck des Auslieferungsbelegs erhalten, auf dem Datum und Ort des Einwurfs sowie der Namen des Mitarbeiters der Deutschen Post AG dokumentiert seien.
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam, wenn als Vertragsstrafe das Entgelt für einen bestimmten Zeit-raum vorgesehen ist, aber mangels näherer Bestimmung einer festen Arbeitszeit oder eines Entgelts nicht feststeht, welches Entgelt auf diesen Zeitraum entfällt.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.10.2020 - 9 Sa 508/20 (rechtskräftig)
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte über eine widerklageweise geltend gemachte Zahlungsforderung aufgrund einer Vertragsstrafe zu entscheiden. Geklagt hatte ein Paketzusteller, der für einen Zeitraum von zwei Wochen bei der Beklagten tätig war. Arbeitsvertraglich war ein Stundenlohn von 10 EUR bei einer Arbeitszeit von bis zu 195 Stunden monatlich vereinbart. Daneben sah der Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafe in Höhe eines vollen Gesamtmonatseinkommens (bzw. in Höhe von zwei Wochen während der Probezeit) für den Fall der schuldhaften Nichtaufnahme oder schuldhaften vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit vor. Eine entsprechende Vertragsstrafe ist ebenso zu zahlen, wenn das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers beendet wird und der Arbeitnehmer hierfür schuldhaft einen wichtigen Grund gesetzt hat. In Reaktion auf die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers während der Probezeit behielt die Arbeitgeberin als Vertragsstrafe 900 EUR des Arbeitslohns ein. Das LAG schloss sich der erstinstanzlichen Entscheidung an und wies die die Berufung als unbegründet zurück. Die Arbeitgeberin habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafenregelung verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 2 S. 2 BGB und sei deshalb unwirksam. Der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen sei dazu verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und verständlich darzustellen, sodass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt. Somit soll der Gefahr begegnet werden, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Die vorliegende Klausel genüge diesen Anforderungen nicht. Aus der Klausel gehe nicht hervor, welches Entgelt dem Arbeitnehmer für zwei Wochen zustehe. Vereinbart wurde lediglich ein Stundenlohn von 10 EUR bei einer Arbeitszeit von bis zu 195 Stunden im Monat. Dabei sei nicht hinreichend klar, welche Arbeitszeit und damit auch welches Entgelt anfalle, weshalb für den Kläger bei Vertragsschluss die Höhe einer allfälligen Vertragsstrafe nicht absehbar war.
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