02.06.2021
Deutliche Verschärfungen für sog. Share-Deals
Mit der formellen Ausfertigung des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes durch den Bundespräsidenten und der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 17. Mai 2021, BGBl. I S. 986 tritt die Grunderwerbsteuerreform – flankiert durch zahlreiche Anwendungs- und Übergangsregelungen – zum 1. Juli 2021 in Kraft.
Die Vermeidung von Grunderwerbsteuer bei Share-Deals, bei denen die Anteile an Gesellschaften übertragen werden, die Eigentümer von in Deutschland gelegenem Grundvermögen sind, ist dem deutschen Gesetzgeber ein Dorn im Auge. Die am 1.Juli 2021 in Kraft tretende Reform des Grunderwerbsteuerrechts enthält dementsprechend zahlreiche Regelungen, die eine vermeintliche Umgehung der Grunderwerbsteuer zukünftig noch stärker erschweren sollen.
Für Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz wurde ein Ergänzungstatbestand geschaffen, der sich an dem bereits für Personengesellschaften geltenden § 1 Abs. 2a GrEStG orientiert. Bei Übergang von mindestens 90 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter fällt Grunderwerbsteuer an. Der Betrachtungszeitraum beginnt dabei ab dem 1. Juli 2021, davor stattfindende Anteilsübertragungen bleiben unberücksichtigt. Anders als bisher, wonach nur die Vereinigung (von mind. 95 %, zukünftig 90 %) der Anteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters maßgeblich war, sind in Zukunft alle Veränderungen im Gesellschafterbestand fortlaufend zu beobachten und zu prüfen, ob sich in einem Zeitraum von zehn Jahren die Gesellschafter zu mind. 90 % verändert haben. Sobald die Grenze von 90 % erreicht wird, fällt Grunderwerbsteuer nicht anteilig, sondern auf den gesamten inländischen Grundbesitz an. Anzeigepflichtiger ist die Kapitalgesellschaft, deren Anteile bewegt wurden. Die für § 1 Abs. 2a GrEStG teilweise geltenden Befreiungsvorschriften der §§ 3 - 7 GrEStG finden im Zuge des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. allerdings keine Anwendung.
Den im Vorfeld bestehenden Bedenken hinsichtlich der künftigen Behandlung von börsennotierten Gesellschaften wurde durch die Einführung einer sog. „Börsenklausel“ zumindest teilweise Rechnung getragen. § 1 Abs. 2c GrEStG besagt, dass Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die an einer Börse innerhalb der EU / des EWR oder eines Drittstaates (aktuell sind dies Australien, die USA und Hongkong) gehandelt werden, der von der EU-Kommission als den zuvor genannten Plätzen „gleichwertig“ eingestuft wurde, keine Grunderwerbsteuer auslösen. Weitere Voraussetzung ist, dass der entsprechende Anteilsübergang auf einem Geschäft beruht, das an dem jeweiligen Börsenplatz getätigt wurde. Für die Praxis wird damit in diesen Fällen vermieden, dass die oftmals unüberschaubaren Anteilsübertragungen nachverfolgt und dokumentiert werden müssen.
Nach bisheriger Rechtslage gilt, dass Anteilsübertragungen bei Personengesellschaften mit inländischem Grundbesitz (§ 1 Abs. 2a), Anteilsvereinigungen bei Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz (§ 1 Abs. 3) und rechtsformunabhängige wirtschaftliche Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3a) im Grundsatz Grunderwerbsteuer auslösen, wenn eine Beteiligungsgrenze von 95 % erreicht oder überschritten wird. Diese Beteiligungsgrenze wird nun ab dem 1. Juli 2021 auf 90 % gesenkt. Wird diese Grenze erreicht, unterliegt wiederum der gesamte Grundbesitz (und nicht nur 90 %) der Grunderwerbsteuer.
Darüber hinaus wird mittelfristig eine weitere Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 75 % angestrebt. Eine entsprechende Empfehlung wurde durch den Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz an den Bundesrat ausgesprochen, BR Drs. 320/1/21.
Zu beachten ist hierbei, dass die bisherigen Regelungen in bestimmten Fällen parallel weitergelten. Damit sollen Anwendungslücken geschlossen werden. Dies ist beispielsweise relevant, wenn auf Ebene einer Gesellschaft vor dem 1. Juli 2021 ein Gesellschafterwechsel von mind. 90 % aber weniger als 95 % stattfand. In diesem Fall gilt die bisherige Grenze des § 1 Abs. 2a bis zum 30. Juni 2026, die bisherigen Grenzen des § 1 Abs. 3 u. 3a ohne zeitliche Begrenzung.
Der Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG für Personengesellschaften umfasst bisher einen maßgebenden Beobachtungszeitraum von fünf Jahren. Für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden, wird ein Zeitraum von zehn Jahren zu betrachten sein.
Entwarnung gegeben werden kann für sog. „Alt-Gesellschafter“, also solche, für die die bisher geltende Fünfjahresfrist bereits mit Ablauf des 30. Juni 2021 geendet hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies für Gesellschafter, auf die dies nicht zutrifft, dass für sie die künftig geltende Zehnjahresfrist maßgeblich wird.
Besondere Vorsicht ist im Rahmen von mittelbaren Beteiligungsverhältnissen geboten. Auch eine Kapitalgesellschaft, die an einer Personengesellschaft mit inländischem Grundbesitz (un-)mittelbar beteiligt ist, gilt als Neu-Gesellschafterin, wenn mindestens 90 % ihrer Gesellschaftsanteile auf neue Gesellschafter übergehen (§§ 1 Abs. 2a S. 3-5 GrEStG n.F.). Dies gilt auch, wenn der Anteilsübergang vor dem 1. Juli 2021 erfolgte (§ 23 Abs. 19 S. 2 GrEStG n.F.).
Auch im Rahmen der Übergänge von Grundstücken auf eine (§ 5 GrEStG) bzw. von einer (§ 6 GrEStG) Gesamthand (Personengesellschaft) werden die sog. Nachbehaltensfristen von bisher fünf auf nun zehn Jahre ausgeweitet. Im Bereich der Vorbehaltensfrist wurde sogar eine Verlängerung auf 15 Jahre vorgenommen, um den bisher in der Praxis vorgenommenen „gestreckten Erwerben“ stärker entgegenzutreten (§ 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 GrEStG n.F.).
§ 6a GrEStG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen von konzerninternen Umstrukturierungen keine Grunderwerbsteuer anfällt, wird im Zuge der Reform nicht geändert. Es bleibt somit bei der bislang geltenden fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfrist, sowie einer maßgeblichen Beteiligungsgrenze in Höhe von 95 %.
Um künftig unerwünschten Gestaltungen vorzubeugen, im Rahmen derer die an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger innerhalb des umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraumes inländische Grundstücke unter dem Marktwert untereinander verkaufen, wird die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nach dem Bewertungsgesetz ermittelt (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GrEStG n.F.).
Dr. Bela Jansen
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