20.04.2022
Infolge des im Frühjahr 2014 aus den Euromaidan-Protesten hervorgegangenen und von der Russischen Föderation unterstützten bewaffneten Konflikts in den Regionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine sowie der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im März 2014 (aber auch aufgrund der durch die frühere Regierung der Ukraine unter Präsident Wiktor Janukowytsch begangenen Menschrechtsverletzungen) verhängte die Europäische Union noch im Jahre 2014 zahlreiche Embargomaßnahmen gegen Russland (und auch die Ukraine sowie die Krim), die laufend erweitert und verlängert wurden und noch heute in Kraft sind. In Reaktion auf die von Präsident Wladimir Putin am 21. Februar 2022 erklärte Anerkennung der Unabhängigkeit und Souveränität der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk und die Entsendung von Truppen (zunächst nur) in diese Gebiete hat die EU am 23. Februar 2022 den bestehenden Sanktionskatalog erweitert. Auf die am Morgen des 24. Februar 2022 begonnene Invasion nunmehr der gesamten Ukraine durch das russische Militär hat die EU am 25. Februar 2022 mit zusätzlichen Sanktionen und Beschränkungen reagiert und diese im weiteren Verlauf nochmals erweitert, verschärft und ergänzt und zwar aufgrund der Unterstützungshandlungen auch gegen Belarus.
Bei den bereits seit 2014 geltenden Embargomaßnahmen handelt es sich um die folgende:
Zudem besteht gegen Belarus bereits seit dem Jahre 2006 ebenfalls ein Embargo:
Bei den seit dem 23. Februar 2022 verhängten neuen Sanktionen handelt es sich überwiegend um Erweiterungen der Embargoverordnungen 269/2014 und 833/2014. Zusätzlich wurde noch eine neue Embargo-Verordnung erlassen, die – wie sämtliche EU-Verordnungen – in allen Mitgliedstaaten allgemeinverbindlich wie nationales Recht Geltung haben.
Personenbezogene Maßnahmen (VO (EU) 269/2014)
Gemäß Art. 2 Abs. 1 der VO (EU) 269/204 werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang I zu jener Verordnung aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind, eingefroren (Verfügungsverbot). Zudem dürfen diesen in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen gemäß Art. 2 Abs. 2 Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen weder unmittelbar noch mittelbar zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen (Bereitstellungsverbot). Dies gilt auch für die mit den „gelisteten“ Personen, Einrichtungen oder Organisationen in Verbindung stehenden, von diesen gehaltenen oder kontrollierten Personen, Einrichtungen oder Organisationen. Dieser Anhang I (die sog. „Sanktionsliste“) wurde nun wie folgt erweitert:
Bis zum 8. April 2022 wurden im Ergebnis 896 natürliche Personen und 32 Organisationen bzw. Einrichtungen und Unternehmen neu in Anhang I der VO (EU) 269/2014 aufgenommen.
Bei den gelisteten Organisationen, Einrichtungen und Unternehmen handelt es sich um:
Güter- und branchenbezogene Maßnahmen (VO (EU) 833/2014)
Gemäß der VO (EU) 833/2014 waren schon bisher Ausfuhren (und Nebentätigkeiten wie die Erbringung von technischer Hilfe und Finanzdienstleistungen) in Bezug auf bestimmte Güter und Technologien (insbesondere Dual-Use-Güter sowie Güter für Explorations- und Förderprojekte gemäß Anhang II) beschränkt, das heißt jedenfalls genehmigungspflichtig. Zudem bestanden schon bisher Sanktionen in Bezug auf den Finanzsektor, um einzelnen russischen Banken und Unternehmen den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erschweren. Diese güter- branchenbezogenen Sanktionen wurden nun durch Ergänzungen und Änderungen der VO (EU) 833/2014 ganz erheblich ausgeweitet:
Neue Embargo-Verordnung betreffend Donezk und Luhansk
Zu Beginn der Krise wurde am 23. Februar 2022 die gänzlich neue Verordnung (EU) Nr. 2022/263 „über restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die Anerkennung der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk und die Entsendung russischer Streitkräfte in diese Gebiete“ erlassen. Mit dieser neuen Embargo-Verordnung wurden zusätzlich zu bereits bestehenden Maßnahmen gemäß der VO (EU) 833/2014 neue und weitere güterbezogene Beschränkungen verhängt, jedoch begrenzt auf die Regionen Donezk und Luhansk (sog. „spezifizierte Gebiete“), insbesondere:
Gemäß Art. 2 sind die Einfuhr von Waren mit Ursprung in den spezifizierten Gebieten sowie die direkte oder indirekte Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen sowie Versicherungen und Rückversicherungen im Zusammenhang mit der Einfuhr solcher Waren verboten. Nach Art. 3 ist u. a. der (auch teilweise) Erwerb von Immobilien oder Geschäftsanteilen an Einrichtungen in den spezifizierten Gebieten oder die Gründung von dortigen Unternehmen verboten (Investitionsverbote). Art. 4 verbietet den Verkauf, die Lieferung, Weitergabe oder Ausfuhr der in Anhang II aufgeführten Güter und Technologien an natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen in den spezifizierten Gebieten oder zur Verwendung in den spezifizierten Gebieten, ebenso die Erbringung von technischer Hilfe oder von Vermittlungsdiensten sowie die Bereitstellung von Finanzmitteln oder -hilfen. Dabei geht es um Güter und Technologien aus den Bereichen: Verkehr, Telekommunikation, Energie, Prospektion, Exploration und Förderung von Öl-, Gas- und Mineralressourcen. Art. 5 normiert ein Verbot der Erbringung von technischer Hilfe oder von Vermittlungs-, Bau- oder Ingenieurdienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Infrastruktur in den spezifizierten Gebieten in den vorgenannten Sektoren. Art. 6 verbietet die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit tourismusbezogenen Aktivitäten in den spezifizierten Gebieten.
Die neuen EU-Sanktionen gegen Belarus
Abgesehen von der Aufnahme diverser belarussischer Personen in die Sanktionsliste gemäß der VO (EU) 269/2014 (siehe oben) wurden auch die Beschränkungen gemäß der Embargo-Verordnung (EU) 765/2006 in Bezug auf Belarus umfassend erweitert:
Ole-Jochen Melchior
Rechtsanwalt, Partner
Essen
Der Eintritt einer Gasmangellage und die Feststellung der Notfallstufe für die Gasversorgung durch die Bundesregierung können derzeit nicht ausgeschlossen werden. Die Bundesnetzagentur wäre in diesem Fall nach dem Energiesicherungsgesetz 1975 (EnSiG) zu weitreichenden Eingriffen in die Gasversorgung berechtigt. Per Verfügung darf sie dann nach der Gassicherungsverordnung (GasSV) sowohl Lieferverträge ändern als auch Industrieanlagen untersagen, weiterhin Erdgas zu verbrauchen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Maßnahmen unbedingt erforderlich sind, um eine Gefährdung oder Störung der lebenswichtigen Versorgung mit Gas zu beheben oder zu mindern.
Die Bundesnetzagentur wird nach EnSiG nicht als Regulierungsbehörde tätig. Ihr obliegt dann vielmehr die klassische sonderordnungsrechtliche Aufgabe der Gefahrenabwehr. Gegen solche Verfügungen der Bundesnetzagentur ist daher der Verwaltungsrechtsweg nach der VwGO eröffnet. Widerspruch und Anfechtungsklage haben hierbei nach § 5 EnSiG keine aufschiebende Wirkung. Vorläufiger Rechtsschutz kann aber durch das Verwaltungsgericht gem. § 80 Abs. 5 VwGO im Wege einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung gewährt werden. Vorsorglicher Eilrechtschutz gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die der Bundesnetzagentur bereits den Erlass belastender Maßnahmen untersagt, ist denkbar. Allerdings muss hierfür ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis und die Unzumutbarkeit einer erst nach Verfügungserlass erfolgenden Anrufung der Gerichte geltend gemacht werden.
Belastende Eingriffe der Bundesnetzagentur in die Gasversorgung können den Bund auch im Fall ihrer Rechtmäßigkeit zur Staatshaftung verpflichten. Nach § 11 EnSiG ist bei besonders intensiven Eingriffen in das Eigentum etwa an einer Industrieanlage eine Entschädigung zu zahlen. Ein Härteausgleich ist nach § 12 EnSiG vorzunehmen, wenn behördliche Beschränkungen der Gaslieferungen wirtschaftliche Existenzen gefährden oder gar vernichten. Auf diese Entschädigungszahlungen besteht bei Vorliegen der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Es handelt sich nicht um Billigkeitsleistungen, die unter Haushaltsvorbehalt stehen. Geltend zu machen sind Entschädigungszahlungen bei der Bundesnetzagentur. Es gelten besondere Verfahrensregeln nach der Verordnung über das Verfahren zur Festsetzung von Entschädigung und Härteausgleich nach dem Energiesicherungsgesetz.
Sollten sich Maßnahmen der Bundesnetzagentur als rechtswidrig erweisen, kommen Staatshaftungsansprüche nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht. Weitergehende Schadensersatzansprüche betroffener Unternehmen gegen den Bund nach den Grundsätzen der Amtshaftung, Art. 34 GG und § 839 BGB, sind bei Amtspflichtverletzungen der Bundesnetzagentur oder der Bundesregierung ebenfalls möglich.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Rechtsanwalt, Partner
Düsseldorf
Engpässe bei der Warenversorgung führen vielfach zu der Frage: Welche meiner (Bestands-)Kunden soll, darf oder muss ich in welchem Umfang beliefern, wenn meine Lieferfähigkeit begrenzt ist? Und umgekehrt: Darf mein Lieferant die mit mir konkurrierenden Abnehmer bevorzugt mit Waren versorgen? Die Antwort auf diese Fragen muss das kartellrechtliche Missbrauchs- und Diskriminierungsverbot beachten, und zwar nach deutschem Recht unter Umständen auch dann, wenn keine Marktbeherrschung vorliegt.
Die derzeitigen Liefer- und Versorgungsschwierigkeiten sowie die geopolitischen Umbrüche führen in vielen Bereichen zu Engpässen bei der Versorgung mit Waren aller Art. Nach einer aktuellen Umfrage des DIHK rechnen rund 60 % der Unternehmen mit zusätzlichen Störungen in der Lieferkette und Logistik als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine – und schon vorher waren die Probleme offenkundig. Das führt für viele Unternehmen zu einer neuartigen Frage, die sich in der globalisierten Welt lange Zeit nicht (mehr) gestellt hat: Welche meiner (Bestands-)Kunden soll, darf oder muss ich in welchem Umfang beliefern, wenn meine Lieferfähigkeit begrenzt ist? Und umgekehrt: Darf mein Lieferant die mit mir konkurrierenden Abnehmer bevorzugt mit Waren versorgen?
Die Antwort auf diese Fragen muss unter Umständen das kartellrechtliche Missbrauchs- und Diskriminierungsverbot beachten. Danach dürfen u. a. gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandelt werden, also z. B. einzelne (Bestands-)Kunden nicht ohne weiteres von der Belieferung völlig abgeschnitten werden. Zwar gelten diese Vorschriften nach europäischem Kartellrecht nur für marktbeherrschende Unternehmen – damit dürften bereits die meisten Lieferanten nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm fallen. Vielen ist jedoch nicht bewusst: Das nationale Missbrauchsrecht darf strengere Regelungen vorsehen.
So gilt das Diskriminierungsverbot des deutschen Kartellrechts zusätzlich auch für Unternehmen mit lediglich „relativer Marktmacht“. Selbst ohne marktbeherrschende Stellung ist deshalb ein Lieferant dem Diskriminierungsverbot im Hinblick auf solche Abnehmer unterworfen, die (a) keine „ausreichenden und zumutbaren [Ausweich-]Möglichkeiten“ haben (also von dem Lieferanten abhängig sind) und die(b) nicht mit ausreichender Gegenmacht ausgestattet sind, so dass „ein deutliches Ungleichgewicht“ zum Lieferanten besteht (§ 20 Abs. 1 Satz 1 GWB).
Eingeführt wurde die ursprüngliche Fassung dieser Vorschrift im Zusammenhang mit der „Öl-Krise“ 1973, als Mineralölkonzerne angesichts knapper Benzinvorräte begannen, bevorzugt das eigene Vertriebsnetz zu Lasten der freien Tankstellen zu beliefern. Letztlich kam das Diskriminierungsverbot in solchen Fällen sogenannter mangelbedingter Abhängigkeit aber selten zur Anwendung. Praxisrelevant waren eher Konstellationen, in denen es um die Vergabe von Möglichkeiten zur Nutzung sonstiger knapper Ressourcen ging (z. B. räumlich begrenzter Flächen für Ausstellungen oder Messen).
Die Vorschrift könnte nun eine Renaissance erleben: Eine mangelbedingte Abhängigkeit kann bei allgemeinen Versorgungsengpässen schnell eintreten, weil die Nachfrager in der Regel im Markt keine alternativen Bezugsmöglichkeiten haben. Ein Abnehmer muss dann nachweisen, dass kein anderer Lieferant seine zusätzliche Nachfrage decken kann – was angesichts der aktuellen Verknappung bestimmter Rohstoffe und Waren zunehmend leichter fallen dürfte.
Schwieriger kann im Einzelfall der Nachweis eines „deutlichen Ungleichgewichts“ werden. Fehlen dürfte es bei einer wechselseitigen, weitgehend symmetrischen Abhängigkeit zwischen Lieferant und Abnehmer. Umgekehrt ist es ein Indiz für ein „deutliches Ungleichgewicht“, wenn eine Nichtbelieferung für die beiden Vertragspartner sehr unterschiedliche Folgen hätte. Eine solche Situation dürfte indessen in vielen Branchen derzeit in Betracht kommen, insbesondere wo sogenannte „Hidden Champions“ in Lieferketten eingebunden sind.
Nicht mehr erforderlich ist, dass es sich bei den Abnehmern um „kleine oder mittlere Unternehmen“ handelt. Diese Voraussetzung wurde mit der 10. GWB-Novelle zum 19. Januar 2021 aufgegeben. Das deutsche Kartellrecht schützt jetzt auch „große“ Abnehmer vor relativ marktmächtigen „kleinen“ Lieferanten.
Rechtsfolge einer festgestellten relativen Marktmacht ist regelmäßig, dass der Lieferant gegenüber den betreffenden Abnehmern eine sogenannte Repartierungspflicht hat. Er muss also alle gleichartigen Nachfrager gleichmäßig (anteilig) beliefern. Bei der Auswahl der zu beliefernden Unternehmen und der jeweiligen Liefermengen darf er jedoch differenzieren, soweit er dabei sachgerechte und einheitliche Maßstäbe anwendet. Das kann bedeuten, dass er die Liefermengen für alle Bestandskunden um denselben Prozentsatz reduziert. Möglich erscheint aber auch – bei entsprechender Begründung – ein Lieferstopp für einzelne abhängige Abnehmer zugunsten anderer Kunden. Insoweit kommt es sehr auf die Umstände des Einzelfalls an.
Interessant dürfte dabei die Frage werden, inwieweit vertikal integrierte Lieferanten die mit ihnen verbundenen Abnehmer bevorzugt beliefern dürfen. In der Gesetzesbegründung von 1973 zur erstmaligen Erstreckung des Diskriminierungsverbots auf Fälle relativer Marktmacht wurde das ausdrücklich verneint. Allerdings hat die Rechtsprechung zum allgemeinen Diskriminierungsverbot die Bevorzugung konzerneigener Abnehmer stets für zulässig gehalten. Wichtig dürfte deshalb auch heute sein, dass ein – nachgewiesen oder nur mutmaßlich – relativ marktmächtiger Lieferant eine Reduzierung von Liefermengen in jedem Fall gut begründet und dabei im Vorhinein dem Vorwurf begegnet, bei dieser Gelegenheit gleichzeitig „unliebsame Wettbewerber“ benachteiligen zu wollen.
Dr. Guido Jansen
Rechtsanwalt, Partner
Düsseldorf
Franz-Rudolf Groß
Rechtsanwalt, Counsel
Düsseldorf
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 30. März 2022 die erste Stufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Frühwarnstufe, ausgerufen. Gleichzeitig betont das Ministerium, dass die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet ist. Für Industrieunternehmen gilt es dennoch, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um für den Fall möglicher Liefereinschränkungen oder -ausfälle von russischem Gas gewappnet zu sein.
Der „Notfallplan Gas“ basiert auf der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (kurz: SoS-Verordnung). Er regelt die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation. Der Notfallplan Gas kennt drei Eskalationsstufen – die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe. Die Frühwarnstufe ist gem. Art. 11 Abs. 1 der SoS-Verordnung dann auszurufen, wenn es konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- bzw. der Notfallstufe führt. In der Frühwarnstufe ändert sich für Unternehmen erst einmal nichts. Es erfolgt in der Frühwarnstufe kein Markteingriff. Dies würde sich allerdings dann ändern, wenn die Notfallstufe ausgerufen werden würde.
Sollte die Notfallstufe ausgerufen werden, wird die Bundesnetzagentur zum sogenannten Bundeslastverteiler. Ihr obliegt dann in Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas. Dabei sind bestimmte Gruppen gesetzlich besonders geschützt, das heißt sie sind bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, private Haushalte und Anlagen, die auch der Wärmeversorgung dienen. Für Industrieunternehmen gibt es hingegen keinen gesetzlichen Schutz vor Beschränkungen der Gaszufuhr. Die Gasversorger könnten von der Behörde also angewiesen werden, Unternehmen abzuschalten. Solche Entscheidungen würde die Bundesnetzagentur nach eigenem Bekunden in jedem Einzelfall treffen, eine abstrakte Abschaltreihenfolge gibt es aktuell nicht.
Die Bundesnetzagentur bereitet zurzeit eine Datenabfrage vor, um im Fall einer Gas-Mangellage entsprechend reagieren zu können. Im ersten Schritt sollen diejenigen Letztverbraucher adressiert werden, die über mindestens eine Entnahmestelle mit einer technischen Anschlusskapazität von mehr als 10 MWh/h verfügen. Die Abfrage soll nach Informationen der Bundesnetzagentur Anfang Mai erfolgen. Unternehmen mit Erdgaskraftwerken werden im Rahmen einer vorgelagerten Abfrage bereits aktuell angeschrieben und um Mitteilung bestimmter technischer Informationen gebeten.
Angesichts der von der Bundesnetzagentur prognostizierten rund 2.500 Datensätze und der damit einhergehenden Informationsflut im Rahmen der geplanten Datenabfrage empfehlen wir Unternehmen, bereits zum jetzigen Zeitpunkt proaktiv auf die Behörde zuzugehen und einen Antrag auf Versorgungsschutz für das eigene Unternehmen zu stellen.
Auf diese Weise können die von der Bundesnetzagentur benötigten Informationen (zumindest teilweise) schon jetzt bereitgestellt und dadurch dafür Sorge getragen werden, dass sich die Verantwortlichen ein für jede Einzelfallentscheidung erforderliches umfassendes Lagebild machen können. Ferner kann durch positive Bescheidung eines solchen Antrags im Ernstfall bestenfalls der Produktionsbetrieb ganz oder teilweise aufrechterhalten werden, um Unterbrechungen in wichtigen Lieferketten zu verhindern. Um mögliche spätere Schadensersatzansprüche im Fall eines Versorgungsstopps zu wahren, empfiehlt es sich aus unserer Sicht ebenfalls, den Schutzantrag bei der Bundesnetzagentur zu stellen. Die Bereitstellung möglichst umfassender Informationen dürfte dem denkbaren Einwand vorbeugen, nicht frühzeitig auf die Bedeutung einer unterbrechungsfreien Gasversorgung für das eigene Unternehmen hingewiesen zu haben. Für die Pflicht der Geschäftsleitung zur Abwendung von Schaden am Unternehmen dürfte der Antrag daher ebenfalls nicht unbedeutend sein.
Dr. Gernot-Rüdiger Engel
Rechtsanwalt, Partner
Hamburg
Ekkehard Hübel
Rechtsanwalt, Senior Associate
Hamburg
Die Sanktionen gegen die russische Wirtschaft können direkt und indirekt zu erheblichen Streitigkeiten führen. Direkt entstehen Streitigkeiten, wenn durch die Sanktionen Geschäftsbeziehungen mit russischen Geschäftspartnern gestört werden. Indirekt entstehen Streitigkeiten, wenn durch die Sanktionen oder den Krieg Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen oder sonstigen nicht-russischen Unternehmen gestört werden. Ein gutes Beispiel hierfür sind Sanktionen gegen Russland, die den Export von Rohstoffen oder Grundstoffen verhindern. Ein weiteres Beispiel wäre ein Boykott russischen Erdgases, durch den mittelbar ein erheblicher Teil der Wertschöpfungskette in Deutschland betroffen wäre.
Es stellt sich dann die Frage, wie diese Streitigkeiten optimal beigelegt werden können. Wie wirken sich die Sanktionen zum Beispiel auf Schiedsvereinbarungen mit russischen Unternehmen aus? Und wie sollte man sich optimal in einer Lieferkette aufstellen?
Die daraus resultierenden Rechtsfragen sind komplex. Diese Streitigkeiten betreffen nicht nur unterschiedliche Rechtsordnungen, die eventuell zu kollidierenden Ergebnissen kommen können. In Lieferketten können auch inkompatible Gerichtsstand- und Schiedsgerichtsklauseln aufeinandertreffen. Der nachfolgende Überblick kann zwangsläufig nicht erschöpfend sein. Weder sind die Sanktionen final – vielmehr ist eine stetige Weiterentwicklung zu erwarten – noch sind alle Situationen miteinander vergleichbar. Eine Einzelfallbetrachtung ist unabdingbar.
Führen die Sanktionen zu Streitigkeiten mit russischen Unternehmen, ist zunächst relevant, dass von Sanktionen betroffene russische Unternehmen sich nach russischem Recht nicht an eine vertragliche Gerichtsstand- oder Schiedsvereinbarung halten müssen. Bereits im Juni 2020 wurde die russische Handelsverfahrensordnung („APC“) in Artikel 248 so ergänzt, dass die russischen Handelsgerichte ausschließliche Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten mit von Sanktionen beeinträchtigten russischen Bürgern und Unternehmen haben. Besteht eine vertragliche Schieds- oder Gerichtsstandsklausel mit einem nicht in Russland belegenen Sitz (also z. B. Gerichte oder Schiedsgerichte in der EU), so muss die russische Seite sich daher nicht daran halten. Russische Gerichte haben dies Anfang des Jahres so weit ausgelegt, dass die Existenz von Sanktionen an sich schon als Beeinträchtigung i.S.d. Art. 248 APC ausreicht, unabhängig davon, ob die russische Partei tatsächlich konkret beeinträchtigt ist. Die russische Partei kann vor russischen Gerichten sogar eine einstweilige Verfügung gegen die Durchführung eines Gerichts- oder Schiedsverfahren im Ausland erwirken. Außerhalb Russlands wird ein solches Verfahren vor russischen Gerichten allerdings vermutlich keine Wirkung entfalten.
Haben Sie in Ihren Verträgen ein russisches Schiedsgericht wie z. B. das Internationale Handelsschiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation (MKAS) vereinbart, so dürfte zweifelhaft sein, ob das nach dessen Regeln konstituierte Schiedsgericht die Sanktionen nach russischem Recht überhaupt berücksichtigen darf und wird. Damit stellen sich dann weitere Fragen, wenn z. B. ein Schiedsspruch gegen Sie ergeht, der die Sanktionen nicht berücksichtigt. Dessen Vollstreckbarkeit dürfte zumindest zweifelhaft sein.
Ein in der EU ansässiges Schiedsgericht wird die EU-Sanktionen berücksichtigen müssen. Das folgt schon daraus, dass ein die Sanktionen ignorierender Schiedsspruch möglicherweise nicht vollstreckt, sondern von EU-Gerichten aufgehoben werden kann. Dieses Ergebnis gilt aber nicht notwendigerweise, soweit und sofern das Schiedsgericht nicht nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats zu entscheiden hat, und vielleicht auch nicht in der EU sitzt.
Die Sanktionen schließen die Durchführung eines Schiedsverfahren grundsätzlich nicht aus. Im Allgemeinen müssen Schiedsinstitutionen bei Streitigkeiten, an denen sanktionierte Unternehmen beteiligt sind, mehr administrative Schritte vornehmen als normal. Diese beinhaltet etwa eine ausführliche Compliance-Prüfung und den Dialog mit den zuständigen staatlichen Behören über die praktischen Aspekte der in einer – erwartbaren – EU-Verordnung geforderten Maßnahmen. Dieser gesteigerte Administrationsaufwand der Schiedsinstitutionen wird sich vielleicht negativ auf die Verfahrensdauer, sicherlich jedoch auf die Kosten des Schiedsverfahrens auswirken. Grundsätzlich ist ein Verfahren aber durchführbar; es mag nur länger dauern und teurer werden.
Haben Sie einen deutschen Gerichtsstand vereinbart, kann sich dies aufgrund der Sanktionen vorteilhaft auswirken. Zwar wird die Einleitung und Durchführung eines Verfahrens länger dauern und wird das Ergebnis in Russland möglicherweise nicht anerkannt, da deutsche Urteile, insbesondere wenn Sie sanktionierte Leistungen zusprechen, vermutlich nicht vollstreckungsfähig sind. Soweit aber der russische Gegenpart Vermögenswerte in Europa hat, die durch Sanktionen eingefroren sind, kann auf diese mit einem Gerichtsurteil zugegriffen werden.
Komplexer stellt sich die Situation bei indirekten Streitigkeiten dar, wenn also z. B. Streitigkeiten entstehen, weil durch die Sanktionsfolgen bestimmte, für die Produktion nötige Rohstoffe nicht mehr oder nur noch stark verteuert zur Verfügung stehen, oder sich die Folgen eines Gasboykotts und der hoheitlich angeordneten Abschaltung von Unternehmen vom Gasnetz durch die Wertschöpfungskette fressen.
Zum einen stellen sich schwierige materielle Rechtsfragen,
z. B. ob im konkreten Fall höhere Gewalt oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt, und was die daraus resultierenden Folgen sind. Diese Fragen können in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet werden. Insoweit bietet es sich an, im Falle einer Beteiligung mehrerer Parteien aus unterschiedlichen Nationen zu prüfen, ob verschiedene Gerichtsstände für einen potentziellen Rechtsstreit in Betracht kommen können und sodann strategisch Klage in dem für die eigene Position günstigsten Gerichtsstand zu erheben, soweit dies Auswirkungen auf das anwendbare materielle Recht hat. Darüber hinaus bergen Mehrpersonenverhältnisse in Lieferketten vielschichtige weitere Fragen, etwa ob und gegenüber wem – eventuell auch dem Staat – ein Regress möglich ist, und ob ein Vorgehen im Wege der Abtretung, Prozessstandschaft oder Drittschadensliquidation angebracht ist.
Zum anderen aber stellen sich auch prozessuale Probleme, wenn sich ein Unternehmen in der Lieferkette befindet und einerseits z. B. eine Schiedsvereinbarung mit Vorlieferanten und andererseits z. B. eine Gerichtsstandsvereinbarung mit Kunden hat. Wie können unterschiedliche Ergebnisse verhindert werden? Der aus Gerichtsprozessen bekannte Mechanismus der Streitverkündung funktioniert ohne Probleme nur, wenn auf beiden Seiten der Lieferkette innerdeutsche Gerichtsverfahren geführt werden können. Und wie ist es bei einer Vielzahl von Kunden, mit denen zum Teil unterschiedliche Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklauseln vereinbart wurden? Wie wird am Ende eine Vollstreckung – womöglich auf Vermögen im Ausland – gelingen?
Eine Standardlösung gibt es für diese Fragen nicht. Ebenso gilt, dass die „richtige“ Lösung die ist, die die Risiken für ein Unternehmen minimiert. Ausschließen wird man diese Risiken aber nicht können, da Prognosen über den Ausgang von Gerichtsverfahren wie Wettervorhersagen sind: je langfristiger, desto unsicherer.
Die direkten und indirekten Auswirkungen der Sanktionen führen im Streitfall zu komplexen Rechtsfragen, da nicht nur kollidierende Rechtsordnungen, sondern auch kollidierende Streitbeilegungsmechanismen eine Rolle spielen können. Insbesondere Unternehmen, die sich in einer Lieferkette befinden, sollten vorab sorgfältig ihre Prozessstrategie planen.
Dr. Richard Happ
Rechtsanwalt, Partner
Hamburg
Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
Rechtsanwältin, Senior Associate
Köln
Als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine haben die EU, die USA und das Vereinigte Königreich Sanktionen gegen über 2.000 Personen, 155 Gesellschaften und 141 Organisationen verhängt. Darüber hinaus wurden Sanktionen gegen bestimmte Bereiche der Wirtschaft verhängt, z. B. den Ölsektor, die Flugzeugindustrie oder Schiffszubehör. Regelmäßig kommen weitere Sanktionen hinzu. Inzwischen gibt es das 5. Sanktionspaket. Einigermaßen aktuelle Informationen können Sie hier abrufen.
Um die Auswirkungen der Sanktionen auf seine Wirtschaft abzumildern, hat Russland zunächst Beschränkungen des Kapitalverkehrs eingeführt. So dürfen Schulden nur noch in Rubel bezahlt werden, Dividenden nicht ins Ausland überwiesen und dürfen Unternehmen aus „unfreundlichen Staaten“ keine Aktien mehr verkaufen. Als „unfreundlich“ stuft die russische Regierung solche Staaten ein, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Angesichts des Absturzes des Wechselkurses stören die Kapitalverkehrsbeschränkungen die Kapitalflüsse zwischen russischer Tochter- und ausländischer Muttergesellschaft erheblich.
Mehr und mehr richten sich die Gegenmaßnahmen aber gegen die ausländischen Unternehmen und ihr Geschäft. So hat Russland verkündet, den Schutz von IP-Rechten aufzuheben und für Patente Zwangslizenzen mit einer auf Null reduzierten Vergütung zuzulassen.
Seit Anfang März gab es Diskussionen über mögliche Zwangsverwaltungen und -verstaatlichungen, ausländische Unternehmen aus „unfreundlichen Staaten“ in Folge der Sanktionen vorübergehend oder endgültig die Geschäfte einstellen. Nachdem ein erster Gesetzentwurf vom Wirtschaftsministerium vorgestellt und Aufmerksamkeit erregt hatte, war Stille eingekehrt.
Am 8. und 12. April wurden jetzt neue Gesetzentwürfe eingebracht, die zumindest wieder besorgniserregend sind. Ein Gesetzentwurf soll das russische Strafgesetzbuch so ändern, dass die Umsetzung der ausländischen Sanktionen innerhalb Russlands strafbar sein soll. Ein zweiter Gesetzentwurf erlaubt die entschädigungslose Enteignung des Vermögens von Angehörigen der unfreundlichen Staaten. Der dritte Gesetzentwurf bringt eine leicht abgeschwächte Fassung des Gesetzes über die Zwangsverwaltung.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie diese Entwürfe verabschiedet und in der Praxis angewendet werden. Enteignungen würden das Vertrauen ausländischer Investoren in den Standort Russland endgültig zerstören. Es mag sich daher nur um eine Drohung handeln, um Unternehmen im Land zu halten. Als 2014 Sanktionen wegen der Annexion der Krim verhängt wurden und Enteignungsgerüchte aufkamen, versicherte die russische Regierung, man würde ja nicht die Gans schlachten, die goldene Eier legt. Verstaatlichungen und anschließende Privatisierungen wären aber keine Überraschung. In den neunziger Jahren sind die heutigen Oligarchen durch ähnliche Verkäufe von Staatseigentum reich geworden. Wie man mit unliebsamen Unternehmen umgeht, hat der Yukos-Fall gezeigt, bei dem über Steuerforderungen die Yukos-Gruppe in die Insolvenz getrieben und dann zu einem Schnäppchenpreis aufgekauft wurde. Es wäre daher durchaus möglich, dass die russische Regierung die Gelegenheit nutzen wird, um weite Teile der Wirtschaft unter russische Kontrolle zu bekommen.
Deutsche Unternehmen stehen diesen Maßnahmen jedoch keineswegs schutzlos gegenüber. Der deutsch-russische Investitionsschutzvertrag von 1989 schützt deutsche Kapitalanlagen in Russland
Artikel 4 schützt Investoren vor Enteignungen und Maßnahmen mit gleichartigen Auswirkungen (sogenannten indirekten Enteignungen). Diese sind nur zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse, unter Einhaltung des geltenden Verfahrens und gegen Entschädigung erfolgen und nicht diskriminierend sind. Die Entschädigung muss dabei dem tatsächlichen Wert der enteigneten Kapitalanlage unmittelbar vor dem Zeitpunkt entsprechen, in dem die tatsächliche oder drohende Enteignung bekannt wurde.
Artikel 5 schützt vor Kapitalverkehrsbeschränkungen und schreibt insbesondere das Recht vor, Kapital, Dividenden und Gewinne in konvertierbarer Währung frei zu transferieren. Ungewöhnlich ist, dass der Vertrag vorschreibt, dass ein Transfer „zu dem am Tage des Transfers gültigen Wechselkurses“ erfolgen muss. Diese Klausel ist vor dem Hintergrund des Abschlusses 1989 noch mit der Sowjetunion zu sehen. Damals war der Rubel rechtlich nicht frei konvertierbar.
Die Kapitalverkehrsbeschränkungen könnten gegen Artikel 5 und die geplanten Zwangsinsolvenzen, wenn sie stattfinden, gegen Artikel 4 verstoßen. Man darf davon ausgehen, dass Russland das anders sehen wird und insbesondere auf die durch die Sanktionen verursache Wirtschaftskrise verweisen wird. Inwieweit eine Währungskrise staatliche Maßnahmen rechtfertigen kann, ist jedoch Anfang des Jahrtausends im Kontext der argentinischen Währungskrise von Schiedsgerichten geklärt worden. Und in Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch gerichtlich angeordnete Insolvenzverfahren mit anschließendem Zwangsverkauf Enteignungen darstellen können.
Kommt es zu Meinungsverschiedenheit über die Höhe der Entschädigung nach Artikel 4 oder den freien Transfer nach Artikel 5, kann ein deutscher Investor ein internationales Schiedsgericht anrufen. Das tagt außerhalb Russlands und wendet den Investitionsschutzvertrag und internationales Recht an. Der 1998 ergangene Schiedsspruch in Sedelmayer gegen Russland zeigt auf, dass auch Streitigkeiten darüber, ob überhaupt eine entschädigungsfähige Enteignung vorliegt, von Art. 10 Abs. 2 des BIT umfasst sind. Investitionsschiedsverfahren sind grundsätzlich effizient und können auch stattfinden, wenn Russland sich am Verfahren nicht beteiligt. Das haben Schiedsverfahren gegen Russland infolge von Enteignungen auf der annektierten Krim gezeigt. Die durchaus hohen Kosten eines Verfahrens könnten von Prozessfinanzierern übernommen werden.
Neben dem deutsch-russischen Investitionsschutzvertrag ist Russland noch bis 2029 an den Energiechartavertrag gebunden. Bis 2009 war der Energiechartavertrag provisorisch anwendbar, dann hat Russland erklärt, niemals Vertragspartei werden zu wollen und damit diese provisorische Anwendbarkeit beendet. Für bis dahin erfolgte Investitionen im Energiesektor gilt der Vertrag aber noch 20 Jahre weiter.
Selbstverständlich würde Russland, zumindest unter der aktuellen Regierung, einen solchen Schiedsspruch niemals freiwillig erfüllen. Das hat Russland in der Vergangenheit nicht getan und es gibt keinen Grund, wieso dies jetzt anders sein sollte.
Ein Schiedsspruch wäre aber in den 169 Vertragsstaaten der New Yorker Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vollstreckbar. Das ist nicht nur etwas für Großunternehmen, da heutzutage Schiedssprüche auch an spezialisierte Fonds verkauft werden können, und es kann letztlich auch gegen Russland zum Erfolg führen. Und aktuell sind weltweit erhebliche russische Vermögenswerte eingefroren, in die möglicherweise vollstreckt werden kann.
Rechtsmittel sind daher keineswegs aussichtslos. Sie setzen nur Hartnäckigkeit voraus. Letztlich kann auch die „Feder“ des Juristen gegen das russische Schwert gewinnen.
Dr. Richard Happ
Rechtsanwalt, Partner
Hamburg
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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Dr. Richard Happ
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Dr. Guido Jansen
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Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
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Ole-Jochen Melchior
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Franz-Rudolf Groß, LL.M. (London)
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Düsseldorf
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+49 211 5660 18722
Ekkehard Hübel
Counsel
Hamburg
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