29.11.2021
Das am 28. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zum Autonomen Fahren läutet die vierte von insgesamt fünf Stufen ein, die die Entwicklung bis hin zum vollautomatisierten Fahren markieren. Kurz gesagt erlaubt das neue Gesetz den Einsatz führerloser Fahrzeuge in festgelegten Betriebsbereichen. Es bedarf keiner fahrzeugführenden Person mehr, allerdings muss eine natürliche Person die sogenannte Technische Aufsicht über das Fahrzeug ausüben, um im Notfall eingreifen zu können.
Bereits im Jahr 2017 wurde mit der Einführung der §§ 1a und 1b in das Straßenverkehrsgesetz (StVG) der Grundstein für den Einsatz automatisierter Fahrsysteme gelegt. Mit dem Gesetz zum Autonomen Fahren wurde das StVG nunmehr weiter novelliert mit dem Ziel, als Übergangslösung bis zur Erarbeitung international harmonisierter Vorschriften den Betrieb von autonomen Kraftfahrzeugen im nationalen öffentlichen Straßenverkehr in festgelegten Betriebsbereichen zu ermöglichen. Die veränderte Regulatorik im Hinblick auf Genehmigung und Zulassung fahrerloser Fahrten ebnet den Weg für neue Mobilitätskonzepte und bietet insbesondere Fahrzeugherstellern einen ersten Rechtsrahmen für die Entwicklung, Erprobung und hiernach Implementierung neuer Geschäftsmodelle rund um autonome Mobilität.
Im Kern enthält das Gesetz zum Autonomen Fahren zwei Regelungsbereiche, nämlich den Regelbetrieb autonomer Fahrfunktionen (§§ 1d-1h StVG) sowie den Probebetrieb für automatisierte und autonome Fahrfunktionen auf öffentlichen Straßen (§ 1i StVG). Dabei wurden nicht nur technische Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen neu geregelt, sondern auch die Zuständigkeit für die Prüfung und das Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für solche Fahrzeuge dem Kraftfahrt-Bundesamt („KBA“) zugewiesen. Hierdurch sollen Genehmigungsentscheidungen auf Bundesebene konzentriert werden, um so bundeseinheitliche, vergleichbare und damit prognostizierbare Entscheidungen zu gewährleisten. Darüber hinaus enthält die Gesetzesnovelle umfangreiche Regelungen zur Datenverarbeitung, insbesondere im Hinblick auf deren Speicherung und Verwendung (zu Fragen rund um die Datenverarbeitung Näheres im Dritten Teil dieses Sondernewsletters ab S. 9).
Dabei fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber nicht den Begriff der autonomen Fahrzeuge verwendet, sondern vielmehr von Kraftfahrzeugen spricht, die autonome Fahrfunktionen besitzen. Hintergrund hierfür ist, dass sich der Gesetzgeber insofern an eine Stufensystematik anlehnt, die entsprechend der schrittweisen Übertragung der Fahraufgabe von menschlichen Fahrzeugführern auf ein autonomes, intelligentes System zur Kategorisierung der Verantwortungsverlagerung vom Menschen auf die Maschine nach Automatisierungsgrad verwendet wird. Auf internationaler Ebene findet insofern maßgeblich eine Orientierung an der Klassifizierung der Society of Automotive Engineers („SAE“) statt, die sechs Stufen von 0 bis 5 beschreibt, welche von keiner Automatisierung bis zur Vollautomatisierung reichen. Abweichend hiervon hat die Bundesanstalt für Straßenwesen („BASt“) bereits 2012 eine von der Beschreibung der SAE abweichende Klassifizierung veröffentlicht. Im neuen Gesetz zum Autonomen Fahren werden offiziell Stufe 4 und nicht Stufe 5 Funktionen adressiert, was die vom Gesetzgeber gewählte Terminologie erklärt. Insofern ist allerdings zu kritisieren, dass in der Umsetzung faktisch weder eine der bestehenden Kategorisierungen nachvollzogen noch hinreichend nach den Automatisierungsstufen differenziert wird. Nicht zuletzt mit Blick auf eine internationale Harmonisierung wäre ein deutlicherer Bezug auf eines der SAE-Level jedoch wünschenswert gewesen.
Definiert wird ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion in § 1d Abs. 1 StVG als ein solches, das die Fahraufgabe ohne eine fahrzeugführende Person selbständig in einem festgelegten Betriebsbereich erfüllen kann und über eine (im Weiteren näher definierte) technische Ausrüstung verfügt. Beispielhaft für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion werden in der Gesetzesbegründung die sogenannten „People-Mover“, also autonome Shuttlebusse, die im Rahmen der Forschungsförderung als Ergänzung des ÖPNV bereits vielfach erprobt werden, genannt. Hieran zeigt sich, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung maßgeblich den ÖPNV als Anwendungsbereich vor Augen gehabt haben muss. Nichtsdestotrotz sollen unter die Definition der Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion aber auch gängige Kraftfahrzeuge mit entsprechender Zusatzausstattung fallen. Ferner soll neben der Personenbeförderung die Beförderung von Gütern durch Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion ermöglicht werden. In diesem Sondernewsletter wird der Einfachheit halber für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion der Begriff „Autonomes Fahrzeug“ verwendet. Hervorzuheben ist, dass der Betrieb eines Autonomen Fahrzeugs nur innerhalb eines festgelegten Betriebsbereichs, mithin einem örtlich und räumlich bestimmten öffentlichen Straßenraum, zulassungsfähig ist. Insgesamt zielen die Regelungen daher eher auf gewerbliche Anbieter und weniger auf den Individualverkehr ab.
Um den Vorgaben internationaler Normen zu genügen, die als Leitlinie für fahrerlose Fahrzeuge der Stufen 4 und 5 die Deaktivierbarkeit durch einen Menschen als Sicherheitslösung vorsehen, musste weiter der Wegfall des Fahrzeugführers in beschränktem Maße ausgeglichen werden. Dies hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Technischen Aufsicht gelöst, die zwingend eine natürliche Person sein muss und deren Aufgabe unter anderem darin besteht, das Fahrzeug von außen bei Bedarf zu deaktivieren, Fahrmanöver freizugeben und Verkehrssicherungsmaßnahmen einzuleiten. Verortet wird die Pflicht zur Gewährleistung, dass die Aufgaben der Technischen Aufsicht erfüllt werden, beim Halter. Allerdings ist es möglich, eine andere Person mit der Erfüllung dieser Aufgabe zu betrauen, auch wenn sich der Halter laut Gesetzesbegründung in diesem Fall haftungsrechtlich das Verschulden der betrauten Person zurechnen lassen muss (zur hiermit einhergehendem veränderten Pflichtenkreis von Fahrer, Halter und Hersteller sowie haftungsrechtlicher Konsequenzen Näheres im zweiten Teil ab S. 6). Insofern scheint es möglich, dass sich hier Geschäftsmodelle rund um die Übernahme der Aufgaben der Technischen Aufsicht als Dienstleistung gegenüber dem Halter entwickeln.
Mit der Möglichkeit des Einsatzes Autonomer Fahrzeuge im Regelbetrieb entstehen auch Chancen für neue Geschäftsmodelle. Wer sich in diesen neuen Geschäftsfeldern betätigen möchte, wird sich Klarheit über den durch die Gesetzesnovelle veränderten Pflichtenkatalog der jeweiligen Akteure und die damit verbundenen Haftungsrisiken verschaffen müssen. Insbesondere aufgrund der Substitution des Fahrzeugführers durch die Technische Aufsicht sind Auswirkung auf den bekannten Haftungsmaßstab im Dreiklang aus Hersteller-, Fahrzeugführer- und Halterhaftung zu erwarten.
Seit über 100 Jahren ist der Führerschein Voraussetzung für das Führen eines Automobils. Wer keinen Führerschein hat, darf kein Kraftfahrzeug führen. Wer aber schlecht an das ÖPNV-Netz angebunden ist, ist auf die Nutzung von Kraftfahrzeugen angewiesen, um das pulsierende Leben der Innenstädte deutscher Metropolen zu erreichen. Die Folgen sind ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und eine Verknappung von Parkplätzen am begehrten Zielort. Autonome Fahrzeuge können diese Dilemmata reduzieren. Ein vom Gesetzgeber hervorgehobener Vorteil der Einsatzmöglichkeiten Autonomer Fahrzeuge besteht in der Schaffung neuer Mobilitätsangebote im öffentlichen Personennahverkehr. Hier liegt ein praktischer Nutzen für unsere zunehmend alternde Gesellschaft, insbesondere zur Schaffung von Beförderungsmöglichkeiten im ländlichen Raum. Für Menschen, die in Wohngebieten mit schlechter Anbindung an das bestehende ÖPNV-Netz leben, ebenso wie für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen kein Fahrzeug (mehr) führen können, soll das autonome Fahren das soziale Miteinander und die Teilhabe am öffentlichen Leben verbessern. Das neue Gesetz wird daher auch mit dem Begriff „People-Mover-Gesetz“ beworben. Auch der Logistiksektor soll in vielfacher Hinsicht vom Einsatz autonomer Systeme profitieren, sei es um Waren oder Dokumente zwischen verschiedenen Standorten oder Produktionsstätten zu transportieren, oder um Mitarbeiter via Betriebsshuttle, Fluggäste auf dem Rollfeld oder Bewohner von Alten- und Pflegheimen zu medizinischen Versorgungszentren zu befördern, um nur einige Beispiele zu nennen. Transporte auf der ersten oder letzten Meile sind weitere denkbare Einsatzziele autonomer Fahrzeuge. Hierin liegen neue Chancen für die Branche, die schon seit einiger Zeit einen Fahrermangel im Straßengüterverkehr zu beklagen hat. Durch den Einsatz autonomer Systeme könnte sie dem Personalengpass begegnen und gleichzeitig ein neues, modernes Berufsbild schaffen. Wie im ersten Teil deses Sondernewsletters erläutert, werden mit dem neuen Gesetz u. a. Neuregelungen zu den Pflichten des Fahrzeughalters und des Herstellers getroffen sowie die Technische Aufsicht eingeführt.
Halter von Autonomen Fahrzeugen sind nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes zunächst zur Erhaltung der Verkehrssicherheit und der Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs verpflichtet. In welcher Weise der Halter die Umweltverträglichkeit gewährleisten soll, ist aber nicht geregelt. Unklar bleibt auch, inwiefern ein Halter (der nicht der Hersteller des Fahrzeugs ist) die Umweltverträglichkeit sicherstellen kann.
Hinsichtlich der Erhaltung der Verkehrssicherheit hat der Halter zunächst die regelmäßige Wartung der für die autonome Fahrfunktion erforderlichen Systeme sicherzustellen. Die Einzelheiten hierzu sind in der Autonome-Fahrzeuge- Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV) niedergelegt. Hiernach hat der Halter während des Betriebs des Kraftfahrzeugs insbesondere zu gewährleisten, dass die Fahrzeugsysteme für die aktive und passive Sicherheit regelmäßig überprüft werden, vor Fahrtantritt eine erweiterte Abfahrkontrolle durchgeführt wird, alle 90 Tage eine Gesamtprüfung des Fahrzeugs nach den Vorgaben des Betriebshandbuches erfolgt und die Ergebnisse der Gesamtprüfungen in einem Bericht dokumentiert werden. Für die Durchführung dieser Maßnahmen darf der Halter nur Personen einsetzen, die zuverlässig sind und über eine geeignete fachliche Qualifikation verfügen. Anerkannt sind z. B. eine Meisterprüfung im Kraftfahrzeugmechaniker-Handwerk oder ein fachspezifischer Studienabschluss mit dreijähriger Berufserfahrung. Delegiert der Halter solche Maßnahmen an Dritte, muss er diese ordnungsgemäß anweisen und überwachen.
Darüber hinaus treffen den Halter solche Sorgfaltspflichten, die normalerweise dem Fahrzeugführer obliegen, der bei einem autonomen Fahrzeug jedoch nicht vorhanden ist. Darunter fällt u. a. das Sicherstellen, dass die beförderten Personen angeschnallt sind oder die Ladung gesichert ist.
Schließlich obliegt dem Halter die Pflicht zur Gewährleistung der Erfüllung einer Technischen Aufsicht über Autonome Fahrzeuge. In dieser Hinsicht muss der Halter u. a. in der Lage sein, auf Anforderung Nachweise darüber zu erbringen, dass die von ihm für die Durchführung der Technischen Aufsicht beauftragte Person über eine geeignete fachliche Qualifikation verfügt (z. B. Abschluss als Diplom-Ingenieur oder staatlich geprüfter Techniker) und eine Schulung durchlaufen hat.
In der Gesamtschau lässt sich festhalten, dass an den Halter eines autonomen Fahrzeugs sehr hohe Anforderungen gestellt werden, die von Privatpersonen kaum zu erfüllen sind und deshalb davon auszugehen ist, dass solche Fahrzeuge auf Basis der momentanen Gesetzeslage ausschließlich von gewerblichen Anbietern, vornehmlich im Bereich des ÖPNV oder bei Speditionen, zum Einsatz kommen werden.
Im Gegensatz zu Fahrzeugen mit automatisierten Fahrsystemen gibt es in Autonomen Fahrzeugen keine fahrzeugführende Person mehr. Damit würde es ohne Alternativlösung an der grundsätzlichen Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeit des Fahrzeugs durch einen Menschen fehlen. Dies wäre allerdings nicht mit den internationalen Vorgaben im Straßenverkehrsbereich zu vereinbaren. Mittels Einführung der Pflicht des Halters zur Gewährleistung einer Technischen Aufsicht soll den Vorgaben internationaler Regelungen Rechnung getragen werden.
Die Technische Aufsicht erfolgt zwingend durch eine natürliche Person, die das Autonome Fahrzeug steuern oder ganz abschalten kann. Dabei ist eine stetige Überwachung des Autonomen Fahrzeugs aber nicht erforderlich. Vielmehr bedarf es nur einer jederzeitigen Bereitschaft, die Deaktivierung des Autonomen Fahrzeugs oder die Freigabe von Fahrmanövern durchzuführen.
Die konkreten Aufgaben der Technischen Aufsicht werden in § 1f Abs. 2 StVG geregelt. Diese bestehen darin, das Fahrzeug gegebenenfalls zu deaktivieren, vorgeschlagene Fahrmanöver auszuwählen, Maßnahmen zur Verkehrssicherung einzuleiten und bei Stillstand Kontakt mit den Passagieren aufzunehmen.
Grundsätzlich wird zunächst nicht ausgeschlossen, dass die Technische Aufsicht auch mehrere Autonome Fahrzeuge gleichzeitig beaufsichtigen kann. Insofern ist zu erwarten, dass sich entsprechende Anbieter am Markt etablieren werden.
Die Rechtsfigur des haftenden Fahrzeugführers fällt beim autonomen Fahren dagegen weg. Dementsprechend besteht keine Haftungsgrundlage nach der „klassischen Fahrerhaftung“ gemäß § 18 StVG mehr. Für die Technische Aufsicht kommt alleine eine Haftung nach deliktischen Maßstäben in Betracht.
Die im Gesetz zum Autonomen Fahren neugeregelten Pflichten des Herstellers sind nunmehr in § 1f Abs. 3 StVG zu fin- den. Ausgehend von der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27439) kann der neue Pflichtenkatalog für die Hersteller von Autonomen Fahrzeugen wie folgt beschrieben werden.
Um die Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs zu gewährleisten, hat der Hersteller über den gesamten Entwicklungs- und Betriebszeitraum des Fahrzeugs nachzuweisen, dass die elektronische und elektrische Architektur des Kraftfahrzeugs sowie die mit dem Kraftfahrzeug in Verbindung stehende elektronische und elektrische Architektur vor Angriffen gesichert ist. Der Hersteller hat zudem eine Risikobeurteilung vorzunehmen und die ausreichenden Funkverbindungen nachzuweisen.
Die Einhaltung der im neuen § 1e Abs. 2 S. 1 StVG beschriebenen Voraussetzungen der technischen Ausrüstung von Autonomen Fahrzeugen hat der Hersteller in der Systembeschreibung gegenüber dem KBA und im Betriebshandbuch des jeweiligen Kraftfahrzeugs verbindlich zu erklären. Die Systembeschreibung des Kraftfahrzeugs muss garantieren, dass die verbauten Teile und Systeme den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Neben den durch eine Rechtsverordnung näher zu bestimmenden technischen Vorgaben, deren Erfüllung zur Erteilung der Betriebserlaubnis für ein Autonomes Fahrzeug führt, ist die sogenannte Herstellererklärung notwendig. Diese hat die Gesetzmäßigkeit der verbauten technischen Ausstattung und Teile zu garantieren, die etwa durch Weiterentwicklung eine wirkgleiche Lösung bisheriger Vorgaben darstellen, insoweit aber noch nicht standardisiert und normiert vorliegen. Diese Herstellererklärung gegenüber dem KBA erfolgt im Rahmen der Antragstellung auf Erteilung der Betriebserlaubnis für ein Autonomes Fahrzeug. Unklar ist bislang, ob aus dieser Erklärung in rechtlicher Hinsicht eine Garantiehaftung folgt.
Außerdem muss der Hersteller eine Schulung für die am Betrieb beteiligten Personen anbieten, welche die technische Funktionsweise insbesondere auf die Fahrfunktionen und die Aufgabenwahrnehmung der Technischen Aufsicht vermittelt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Kraftfahrzeug sachgemäß betrieben werden kann.
Des Weiteren muss der Hersteller im Rahmen seiner allgemeinen Produktbeobachtungspflicht erkannte Manipulationen an seinem Kraftahrzeug unverzüglich dem KBA und der nach Landesrecht zuständigen Behörde mitteilen und erforderliche Maßnahmen, wie etwa Rückrufe einleiten.
Eine Gesamtregelung zur Neuverteilung der Haftung im Schadensfall, die der mit der Automatisierung einhergehenden Verantwortungsverlagerung vom Menschen auf die Maschine Rechnung trägt, sucht man in der Gesetzesnovelle vergebens. Für die Technische Aufsicht lässt sich insoweit sagen, dass diese nicht aus dem StVG sondern ausschließlich nach allgemeinen deliktsrechtlichen Maßstäben haftet. Insbesondere unterliegt die Technische Aufsicht aufgrund ihres deutlich vom Fahrzeugführer abweichenden Pflichtenprogramms nicht der Fahrerhaftung aus § 18 StVG. Auch für den Hersteller ergibt sich aus dem StVG keine spezielle Haftung; allerdings ist er dafür verantwortlich, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine Haftung des Herstellers ergibt sich insofern weiterhin aus dem Produkthaftungsgesetz oder dem Deliktsrecht in Verbindung mit dem Produktsicherheitsgesetz. Die Halterhaftung hingegen bleibt als reine Gefährdungshaftung für alle beim Betrieb des Autonomen Fahrzeugs entstandenen Schäden bestehen, womit dieser primärer Haftungsadressat bleibt. Allerdings kann der Halter weiter versuchen, im Schadensfall beim Hersteller Regress zu nehmen.
Im Hinblick auf Haftungsrisiken im Zusammenhang mit autonomen Fahrfunktionen wird sich für Fahrzeughersteller insofern insbesondere die noch ungeklärte Frage der Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die deliktische Produzentenhaftung stellen. Daneben könnten Hersteller aus produkthaftungsrechtlicher Sicht im Rahmen ihrer Warnpflicht zur Bereitstellung von Softwareupdates verpflichtet sein. Dieselbe Verpflichtung dürfte sich übrigens für Verkäufer Autonomer Fahrzeuge im Zusammenhang mit der europäischen Warenkaufrichtlinie sowie der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen, deren nationale Umsetzungen am 1. Januar 2022 in Kraft treten werden, gegenüber Verbrauchern als Endkunden ergeben. Hier wird sich die spannende Frage der Haftung entlange der Lieferkette für Aktualisierungspflichten gegenüber dem Verbraucher stellen.
Das autonome Fahren führt zu einer weiteren Erhöhung des Umfangs personenbezogener Daten, die beim Fahrzeugbetrieb verarbeitet werden. Denn grundsätzlich alle verarbeiteten Daten haben aufgrund ihrer Verknüpfung mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) einen Personenbezug. Als Fahrzeughalter und damit datenschutzrechtlich Verantwortliche müssen insbesondere Anbieter neuer Geschäftsmodelle zahlreiche datenschutzrechtliche Pflichten erfüllen. Dazu gehört u. a. Fahrgäste und die Technische Aufsicht transparent über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu informieren.
Der neu in das Straßenverkehrsgesetz eingefügte § 1g regelt in seinen Absätzen 1 und 2 die datenschutzrechtliche Pflicht des Halters zur Speicherung einer Vielzahl an Fahrzeug- und Umweltdaten (darunter die FIN, Positionsdaten, Angaben zur Aktivierung und Deaktivierung der autonomen Fahrfunktion, Daten zu Umwelt- und Wetterbedingungen, Geschwindigkeit, Beschleunigung in Längs- und Querrichtung). Diese mittels verschiedener Sensoren, optisch mit Kameras, mit Lidar und Radar, Schallwellen und GPS erfassten Daten, die sich als Identifikationsdaten und Merkmalsdaten kategorisieren lassen, und die aufgrund ihrer Verbindung zur FIN einen Personenbezug aufweisen, müssen an das KBA und sonstige nach Bundes- oder Landesrecht zuständige Behörden übermittelt werden, wenn dies zur Überwachung des sicheren Betriebs des Autonomen Fahrzeugs erforderlich ist.
Aufgrund der Verarbeitung von personenbezogenen Daten der technischen Aufsicht (natürliche Person, die die autonome Fahrfunktion jederzeit deaktivieren und für das Fahrzeug Manöver freigeben kann) durch die Behörden müssen Anbieter neuer Geschäftsmodelle rund um autonome Mobilität ihre Beschäftigten, die sie als Technische Aufsicht einsetzen, über diese Weitergabe ihrer Daten an die Behörden informieren, um nicht gegen die bußgeldbewehrten Informationspflichten der DSGVO zu verstoßen. Dies kann durch Aufnahme entsprechender Hinweise in der Datenschutzinformation für Beschäftigte erfolgen, die z. B. im Intranet des Arbeitgebers veröffentlicht werden kann. Allgemeine Informationspflichten von Mobilitätsanbietern bestehen auch gegenüber ihren Nutzern, nicht nur bei der Erstellung von Videoaufzeichnungen des Fahrzeuginnenraums, sondern auch bei der Hinzuspeicherung von Positionsdaten zu den Profilen von registrierten Nutzern.
Hat neben dem Halter auch der Fahrzeughersteller Zugriff auf die im Fahrzeug gespeicherten Daten, kann der Abschluss einer Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortung nach Art. 26 DSGVO („joint controller agreement“) erforderlich sein.
Hersteller von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion müssen diese so ausstatten, dass dem Halter die Speicherung der zuvor genannten Daten tatsächlich möglich ist (§ 1g Abs. 3). Bei der Ausgestaltung des Fahrzeugspeichers stehen die Hersteller vor der Schwierigkeit, einerseits den allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatz der Speicherbegrenzung zu beachten, andererseits den Halter in die Lage zu versetzen, die ihm durch die neuen gesetzlichen Regelungen auferlegten Pflichten zur zeitlich nicht begrenzten Datenspeicherung zu erfüllen. Insofern ist fraglich, inwiefern z. B. automatische Löschroutinen überhaupt herstellerseitig vorgesehen werden dürfen. Nicht geregelt sind Einzelheiten zur technischen Ausgestaltung und zum Ort des Speichermediums (dürfen die Daten außerhalb des Fahrzeugs gespeichert werden?). Offen ist, welche technischen Maßnahmen die Hersteller zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz treffen müssen, um etwa im relevanten Fall eines schweren Unfalls die Auswertbarkeit der Daten zu gewährleisten (Robustheit). Der Gesetzgeber sieht den Halter als Berechtigten hinsichtlich der beim Betrieb eines autonomen Fahrzeugs anfallenden Daten an und verlangt, dass der Hersteller dem Halter die Ausübung der Datenhoheit technisch und organisatorisch ermöglichen muss. Zudem hat der Hersteller den Halter in präziser, klarer und leichter Sprache über mögliche Veränderungen der Einstellungen zur Privatsphäre und Datenverarbeitung zu informieren. Damit soll dem Grundsatz des „Privacy by Design“ Rechnung getragen werden.
Die Neuregelung schafft für das KBA zum Zweck der Überwachung des sicheren Betriebs des Autonomen Fahrzeugs eine Rechtsgrundlage zur Verarbeitung der beim Halter erhobenen Identifikations- und Merkmalsdaten sowie der personenbezogenen Daten der als Technische Aufsicht eingesetzten Person, einschließlich Daten zu ihrer fachlichen Qualifikation (§ 1g Abs. 4). Als Technische Aufsicht können ausreichend qualifizierte Be- schäftigte oder spezielle Dienstleister eingesetzt werden, die sich voraussichtlich am Markt etablieren werden.
Zudem darf das KBA nicht personenbezogene Daten, die es beim Halter erhoben hat, insbesondere Universitäten, zur Verwendung für verkehrsbezogene Gemeinwohlzwecke und Forschungszwecke im Bereich der Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung und zur Unfallforschung zugänglich machen (eine Übermittlung der FIN, die ein personenbezogenes Datum darstellt, erscheint mithin ausgeschlossen).
Die für die Genehmigung von festgelegten Betriebsbereichen nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Behörden sind gleichermaßen berechtigt, die Fahrzeugdaten und die Daten der als Technische Aufsicht eingesetzten Person zu verarbeiten, soweit dies für die Überprüfung und Überwachung, ob der festgelegte Betriebsbereich für den Betrieb des Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion geeignet ist, erforderlich ist (§ 1g Abs. 6).
Die Speicherdauer für die vom KBA und der nach Landesrecht zuständigen Behörde verarbeiteten Daten umfasst die gesamte Betriebszeit des Autonomen Fahrzeugs und in Anlehnung an die allgemeine Verjährungsfrist weitere drei Jahre, da in diesem Zeitraum sämtliche Ansprüche und Verfahren abgeschlossen sein sollten.
Schließlich räumt die Neuregelung Dritten einen Auskunftsanspruch über die gespeicherten Daten ein, soweit ein Autonomes Fahrzeug an einem Unfall beteiligt ist (§ 1g Abs. 7).
Laut der Gesetzesbegründung soll sich die Speicherung der in § 1g Abs. 1 genannten Daten nur auf konkrete, in Absatz 2 genannte Anlässe im Sinne der gesetzlich geforderten Grundsätze der Datenminimierung und Datensparsamkeit beschränken. Der Fokus liege auf der Untersuchung von Fällen, in denen die autonome Fahrfunktion an ihre Grenzen stoße und/oder ein menschlicher Eingriff erforderlich werde (Gesetzesentwurf, S. 41).
Tatsächlich aber muss der Halter die sehr umfangreichen, teils sensiblen Daten (z. B. Positionsdaten), aus denen sich Bewegungsprofile bilden lassen, beim Betrieb des Kraftfahrzeugs speichern – also bei jeder Fahrt und nicht nur anlassbezogen. Wenn etwa Anbieter autonomer Gruppentaxis über die Namen der Fahrgäste verfügen, weil diese sich bei der Buchung einer Mitfahrt mangels anonymer Nutzungsmöglichkeit mit ihren persönlichen Daten anmelden müssen, können Bewegungsprofile gebildet werden, die vom Mobilitätsanbieter ohne Rechtsgrundlage für ander Zwecke, etwa zielgenaue Werbung, weiterverarbeitet und an Dritte verkauft werden könnten.
Zurecht hatte bereits der Deutsche Anwaltverein (DAV) in seiner Stellungnahme diesen aufgrund der weitreichenden Datenverarbeitung erheblichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht kritisiert. Die in der Neuregelung beschriebenen Einstellungsmöglichkeiten des Halters sind beschränkt und vermögen nichts an seiner Verpflichtung zu ändern, umfangreiche Daten an staatliche Behörden zu übermitteln. Aufgrund der umfangreichen Datenverarbeitung forderte der DAV die Regelung einer nur anlassbezogenen Pflicht zur Übermittlung der gespeicherten Daten in Fällen von Unfällen oder Straftaten.
Der VDA2 wiederum kritisierte im Gesetzgebungsverfahren, dass der in § 1g Abs. 1 enthaltene Datenkatalog zu unbestimmt sei (etwa nicht die zu speichernde Anzahl der Daten bestimme). Die gesamte Regelung widerspreche den Grundsätzen der Datenverarbeitung (Art. 5 DSGVO), insbesondere dem Grundsatz der Datensparsamkeit. Unklar ist etwa, wann der Halter die Daten im Fahrzeugspeicher löschen muss. Während die Fahrzeughersteller den Haltern die technische Möglichkeit geben müssen, die personenbezogenen Fahrzeugdaten nach von diesen festgelegten Aufbewahrungsfristen zu löschen, müssen die Halter und Anbieter neuer Geschäftsmodelle rund ums autonome Fahren Löschkonzepte entwickeln, um dem gesetzlich geforderten Grundsatz der Speicherbegrenzung gerecht zu werden. Eine zeitliche unbeschränkte Speicherung wäre unzulässig.
Aufgrund vieler offener Fragen hat der Gesetzgeber angedeutet, nach Abschluss der Evaluierung der neuen Regeln nach Ablauf des Jahres 2023 zu prüfen, ob umfassende Regelungen zu den Mobilitätsdaten zu erarbeiten sind, etwa im Rah- men eines eigenen „Mobilitätsdatengesetzes“ (BT Drs. 19/27439, S. 28).
Das autonome Fahren revolutioniert auch das Arbeitsrecht. Innovative Ideen sind gefragt, um mit der rasanten Entwicklung Schritt halten zu können und die Rechtslage aktuell zu halten. Welche Ansätze gibt es und wo öffnen sich erste Problemfelder? Dies soll der folgende Beitrag kurz aufzeigen.
Der Arbeitgeber dürfte seinerseits verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer eine Einweisung in das autonome Fahren in Form von Fortbildungsmaßnahmen zu offerieren. Zudem ist der Arbeitgeber zu einer Konkretisierung der allgemein gehaltenen straßenverkehrsrechtlichen Pflichten befugt und sogar angehalten, dem Arbeitnehmer präzisere Anweisungen bzgl. des Führverhalten mit an die Hand zu geben, welche der Arbeitnehmer umzusetzen hat.
Der konkrete Einsatz autonomen Fahrens im betrieblichen Alltag bleibt abzuwarten. Jedoch stellen sich bereits jetzt konkrete Fragen, wie ein solcher Einsatz zu planen ist und abzulaufen hat. Sowohl Inhalt, Zeit als auch Ort der Tätigkeit sind Teil des arbeitgebereigenen Weisungsrechts. Daher soll neben der Anordnung von Dienstreisen auch die Art der Fortbewegung, also bspw. das Führen eines konkreten Fahrzeugs nach billigem Ermessen angeordnet werden können. Nicht anders wird es sich mit der Nutzung autonomer Fahrzeuge verhalten, insbesondere, wenn an diese Art der Fortbewegung wegen der autonomen Fahrweise geringere Anforderungen als an das Führen eines PKW zu stellen sind. Insoweit scheint das autonome Fahren eine weniger eingriffsintensive Möglichkeit darzustellen.
Sofern das Fahren mit autonomen Fahrzeugen wirksam vom Arbeitgeber angeordnet wurde, könnte sich bspw. ein Außendienstmitarbeiter auf überregionaler Autofahrt wiederfinden. Da er, jedenfalls bei Annahme der Funktionen von Level 4 und 5 Fahrzeugen, hier nicht mehr auf die Straße achten muss, ergibt sich für ihn die Möglichkeit sich anderen Dingen zu widmen. Offensichtlich bestehen bleibt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers, sofern der Arbeitnehmer diese Zeit bspw. zum Lesen seiner Emails nutzt. Was aber, wenn der Arbeitnehmer die gewonnene Zeit zum Entspannen zwischen zwei Terminen, also als Pause nutzen möchte? Wie dargestellt treffen den Arbeitnehmer beim autonomen Fahren keine klassischen Pflichten des Straßenverkehrs mehr. Jedoch ist er, ebenso wie bei der klassischen Fahrt, an den Aufenthalt im Auto gebunden und im Wege seiner Beschäftigung verpflichtet, den Ort des nächsten Termins zu erreichen. Somit ergibt sich eine gewisse Vergleichbarkeit mit der Anreise per Zug. Mehr noch, muss der Arbeitnehmer gegebenenfalls doch eingreifen, indem er zum Beispiel außerplanmäßige Fahrtmanöver bestätigt. Mithin ist, ob der Ortsbindung und der ohne gesonderte Anforderung des Arbeitgebers notwendigen Aufnahme der Tätigkeit, eine Arbeitsbereitschaft gegeben. Somit ist diese Zeit auch Arbeitszeit und mithin vergütungspflichtig. Eine solche ständige Bereitschaft abzulehnen würde wohl ein außerordentlich weiterentwickeltes Fahrzeug des Levels 5 voraussetzen, bei dem das Tätigwerden des Arbeitnehmers gänzlich ausgeschlossen werden kann. In diesem Fall kann, wie heute üblich, nach der Beanspruchungstheorie unterschieden werden, ob der Arbeitnehmer während der Fahrt anderweitigen Arbeitsaufgaben nachgeht, oder eine Arbeitszeitunterbrechung angenommen werden. Darüberhinaus stellen sich spannende Fragen, ob und wie die LenkzeitVO angepasst werden muss, insbesondere ob Fahren auf Level 5 noch „Lenken“ im Sinne dieser Vorschrift ist.
Um eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht zu vermeiden und eine Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Haftungsregeln annehmen zu können, ist es sinnvoll zu wissen, welchen Tätigkeiten nebst eingeschalteter Fahrautomatik nachgegangen werden kann. Gerade im Bereich tatsächlich autonomen Fahrens, also bei Fahrzeugen die Level 4 und 5 unterstützen, ist der Fahrzeugführer nicht mehr angehalten den Fahrtbetrieb zu überwachen. Somit bietet sich für den Arbeitnehmer auch die Möglichkeit anderen Tätigkeiten nachzugehen. Hierbei ist relevant, dass die schadensverursachende Tätigkeit „betrieblich veranlasst“ ist. Oftmals wird einer Mitursächlichkeit betrieblicher Natur zuzustimmen sein und so eine Anwendung arbeitsrechtlicher Haftungsregeln zum Tragen kommen, auch wenn ein privates Verhalten des Arbeitnehmers den Unfall (mit-)verursachte. Allerdings ist je nach Verschuldensmaßstab zulasten des Arbeitnehmers eine Zahlung als Haftungsfolge zu bestimmen (ein bis drei Bruttomonatsverdienste als Größenorientierung). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass beim Fahren im autonomen Modus mittels „Black Box“ nachweisbar sein soll, ob Fahrer oder Fahrzeug die Steuerung übernommen haben. Somit kann im Zweifel der Beweis geführt werden, dass der Arbeitnehmer kein Fahrzeugführer war und somit auch nicht für Verkehrsverstöße oder Schäden haftet. Einige Automobilhersteller, unter ihnen Volvo, haben bereits angekündigt für Unfälle mit deren autonomen Fahrzeugen „die volle Haftung übernehmen zu wollen“.
Könnte aber der Betriebsrat mithilfe des Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Einführung autonomen Fahrens verbieten, wenn es keine Systeme ohne Überwachungsfunktion gäbe? Nach aktuellem Kenntnisstand wird es zukünftig allen Automatisierungssystemen in Unabhängigkeit ihres Automatisierungsgrades möglich sein, alle relevanten Daten erheben zu können, auch wenn die Fahrautomatik in dem Zeitpunkt nicht aktiv sein sollte. Zudem sollen mittels einer „Black Box“ bei einem etwaigen Unfall diverse Daten wie Ort, Fahrweise, Fahrstrecke etc. feststellbar sein. Sofern dies einem Fahrtenschreiber gleich kommt scheint der Anwendungsbereich vergleichbar und der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 eröffnet.
Diese Thematik weitet zudem den Blick auf datenschutzrechtliche Fragestellungen zum Thema.
Mit dem autonomen Fahren einhergehend ist die umfassende Datenerhebung bei eingeschalteter Fahrautomatik. Der Halter ist aufgrund seiner verkehrsrechtlichen Verantwortlichkeit dazu verpflichtet, auch im Nachhinein die Arbeitsweise der Fahrautomatik überprüfen lassen zu können. Eine permanente offene Überwachung des Aufenthaltsortes des Fahrzeugs des Arbeitnehmers kann somit legitim sein.
Beispielsweise sind hier Gründe wie die Effizienzsteigerung durch einen optimal koordinierten Einsatz der Betriebsfahrzeuge zu nennen.
Ebenso stellen sich Fragen des Datenschutzes wenn, wie vorgesehen, zur Überwachung des autonomen Fahrzeugs die permanente Überwachung dessen stattfindet. Fraglich ist jedoch, ob eine damit einhergehende Überwachung der insässigen Arbeitnehmer zulässig ist, so beispielsweise die Wegeaufzeichnung für den kurzen Stopp an der Kita auf dem Nachhauseweg. Ebenso kann es für den Arbeitgeber von Interesse sein Verkehrsverstöße des Arbeitnehmers aufzuzeichnen. Jedoch dürfen nach § 26 Abs. 1 BDSG personenbezogene Daten von Beschäftigten nur für enge Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden. Ein Tracking des Arbeitnehmers als solchen dürfte somit nur in Ausnahmefällen zulässig sein.
Denkbar scheint jedoch, gerade in Berufsgruppen denen häufige Fahrten immanent sind, die Aufzeichnungstechnik dahingehend zu nutzen, dass Fahrtweise und Regelkonformität der Arbeitnehmer ausgewertet werden können. Auch hier relativiert die verwendete Technik jedoch den Anwendungsbereich, weil im Rahmen des Autonomen Fahrens sehr viel weniger eigengesteuerte Fahrmanöver mehr möglich und mithin weniger Unfälle wahrscheinlich werden.
Denkbar wäre zudem, dem Arbeitnehmer die nach der Novelle des StVG neugeschaffene Aufgabe der „Technischen Aufsicht“ über die betriebseigenen autonomen Fahrzeuge zu übertragen. Der Begriff weicht indes von der während der Fahrt anwesenden Person ab. Gemeint ist ein neben dieser während der Fahrt anwesenden Person Verantwortlicher, der beispielsweise zentral im Firmensitz tätig wird.
Die Technische Aufsicht kann das Fahrzeug deaktivieren, bzw. bestimmte Fahrmanöver freigeben. Beim Kraftfahrtbundesamt bzw. den zuständigen Behörden sind nach § 1g Abs. 4 und 6 StVG unter anderem Vor- und Nachname der eingesetzten Person sowie Nachweise über ihre fachliche Qualifikation anzugeben. Zudem wird ausdrücklich die Möglichkeit erwähnt, dass der Halter seinerseits Beschäftigte als Technische Aufsicht einsetzt. Daher ist neben einem u. U. entstehenden Geschäftsfeld von drittanbietenden Leitstellen der Einsatz eigener Arbeitnehmer z. B. im Betrieb des Arbeitgebers denkbar. Die Tätigkeit als Aufsicht über die betrieblichen KFZ mit autonomer Fahrfunktion dürfte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterfallen, ist allerdings mit der Sicherstellung entsprechender Ausbildung und Befähigung verbunden. Unter Umständen werden je nach Umfang und Anforderung der eingesetzten Überwachungssysteme Schulungen oder auch Weiterbildungen nötig, um dieses neuen Beschäftigungsfeld abzudecken. Davon abhängig wird auch die konkret erforderliche Befähigung der in diesem Sinne eingesetzten Arbeitnehmer sein.
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