05.09.2022
Düsseldorf, 05.09.2022 – Das Bundeswirtschaftsministerium darf die Namen seiner Beamten nicht geheim halten, auch wenn diese möglicherweise rechtswidrig gehandelt haben. Auf Anfragen von Bürgern und Unternehmen muss es offenlegen, welche Ministerialbeamten bei dem Erlass von Rechtsverordnungen und anderen Maßnahmen beteiligt und verantwortlich waren. Dies hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung zur Klage eines Unternehmens der Glasindustrie entschieden und damit anderslautende Entscheidungen des VG Berlin und des OVG Berlin-Brandenburg aufgehoben. Das Unternehmen der Glasindustrie wurde von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten.
Das Verfahren betraf die an das Bundeswirtschaftsministerium gerichtete Anfrage eines Glasherstellers, ihm sämtliche Akten im Zusammenhang mit dem Erlass einer das Unternehmen belastenden Gebührenverordnung im Bereich des Energierechts zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen stützte sich hierzu auf die Vorgaben des Umweltinformationsgesetzes. Es wollte die ministeriellen Akten zur Klärung der Rechtmäßigkeit einer später verwaltungsgerichtlich tatsächlich aufgehobenen Gebührenverordnung klären. Das Ministerium lehnte dies wegen der aus seiner Sicht nicht auszuschließenden Gefahr einer Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet ab.
Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diese Entscheidung zunächst billigten, kam jetzt der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts unter seinem Vizepräsidenten Prof. Dr. Andreas Korbmacher zu einer anderen Entscheidung. Ministerialbeamte müssten es als Bearbeiter von Regierungs- und Verwaltungsaufgaben hinnehmen, dass ihre Namen und ihre dienstlichen Kontaktdaten veröffentlicht werden. Dies gelte auch für Mitarbeiter von Verbänden, wenn sich diese vergleichbar mit Sachverständigen an Anhörungen der Bundesregierung beteiligen. Der Gesetzgeber habe insofern dem Interesse der Öffentlichkeit an der Offenbarung personenbezogener Daten generell Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse eingeräumt.
Dr. Stefan Altenschmidt, Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft und Prozessvertreter des klagenden Unternehmens vor dem Bundesverwaltungsgericht: „Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist von grundsätzlicher Bedeutung für die gesamte Praxis der Offenlegung von Regierungs- und Verwaltungsakten einschließlich der E-Mail-Kommunikation in Deutschland. Zukünftig dürfen hier die Namen der an den Vorgängen beteiligten Personen nicht mehr geschwärzt werden. Eine geheime Verwaltung darf es im Umweltbereich nach dem Bundesverwaltungsgericht nicht geben, es muss Transparenz hergestellt werden. Dies gilt sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene und auch bei den Kommunen. Unternehmen und Bürgern wird es hierdurch leichter gemacht, Verantwortungen nachzuvollziehen. Dies kann die Abwehr rechtswidriger Maßnahmen ebenso erleichtern wie die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen.“
Aktenzeichen:
BVerwG 10 C 5.21 – Urteil vom 1. September 2022
Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 1.19 – Urteil vom 10. Juni 2020
VG Berlin, VG 2 K 384.16 - Urteil vom 22. November 2018
Für die klagende Verallia Deutschland AG:
Luther, Umwelt, Planung, Regulierung: Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Partner), Pauline Müller (Associate)
Für das beklagte Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK):
Redeker Sellner Dahs: Dr. Gernot Schiller (Partner)
Zentrales Rechtsreferat des BMWK: Dr. Davids
Für die verfahrensbeteiligte Vertreterin des Bundesinteresses:
Bundesministerium des Inneren: Dr. Dr. Bernhard Sendler