08.04.2025

Neue Regeln für Gewerberaummietverträge: Warum Sie jetzt genau hinsehen sollten

Zum 1. Januar 2025 trat mit dem „vierten Bürokratieentlastungsgesetz“ unter anderem eine bedeutende Änderung für Gewerberaummietverträge in Kraft: Sie können nach §§ 578 Abs. 1 S. 2, 550, 126b BGB künftig in Textform geschlossen werden. Klingt praktisch? Vielleicht. Doch genau hier lauern auch Risiken.

Was hat sich geändert?

Bislang mussten Gewerberaummietverträge, die länger als ein Jahr laufen, in Schriftform (§ 126 BGB) abgeschlossen werden. Das bedeutete vor allem: Ein von beiden Parteien handschriftlich oder per qualifizierter elektronischer Signatur unterschriebenes Dokument war Pflicht. Wurde diese Form nicht eingehalten, galt der Gewerberaummietvertrag nach § 550 S. 1 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen – mit der Möglichkeit einer frühzeitigen Kündigung nach den Kündigungsfristen aus § 580a Abs. 2 BGB. Dies wurde in der Praxis regelmäßig dazu verwendet, um sich von unliebsamen Gewerberaummietverträgen frühzeitig zu lösen.

Mit der neuen Regelung reicht nun die sogenannte Textform (§ 126b BGB). Vertragsschlüsse können damit per E-Mail, Messenger oder über ähnliche Kommunikationswege erfolgen. Eine Unterschrift ist nicht mehr erforderlich, solange der Absender klar erkennbar ist und der Vorgang dauerhaft gespeichert wird.

Welche Vorteile bringt die neue Regelung?
  • Der Vertragsabschluss wird einfacher und flexibler, da das Textformerfordernis niedrigschwelliger ist.
  • Es wird vermutlich weniger unfreiwillige frühzeitige Kündigungen wegen Formfehlern geben, da ein Fehler bei der Textform seltener sein wird.
  • Es ist nun schneller und effizienter möglich, Gewerberaummietverträge abzuändern.
Wo liegen die Risiken?

Was nach Vereinfachung klingt, kann in der Praxis zu neuen Problemen führen:

  • Unklare Vertragssituationen: Mit der Textform ergeben sich insbesondere Schwierigkeiten, Entwürfe zum endgültigen Vertrag abzugrenzen. Denn im Vorfeld eines Vertragsschlusses werden in der Regel eine Vielzahl von Entwürfen beispielsweise per E-Mail hin und her geschickt, was grundsätzlich bereits das Textformerfordernis erfüllt. Die Unterschrift hatte hier einen entscheidenden Vorteil: Durch sie konnte meist zweifelsfrei festgestellt werden, dass gerade dieses Dokument – in klarer Abgrenzung zu etwaigen vorhergehenden Entwürfen – der endgültige Vertrag sein sollte.
  • Verringerter Beweiswert: Die Schriftform begründet die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Mietvertrages, was sich durch die Textform nicht erreichen lässt.
  • Mehr administrativer Aufwand: Die Feststellung des konkreten Vertragsinhaltes ist durch die Textform erheblich erschwert und fehleranfällig. Um festzustellen, worauf sich die Parteien schließlich geeinigt haben, sind eine Speicherung und Sichtung der gesamten Kommunikation erforderlich. Dadurch wird das Ziel, das mit einem „Bürokratieentlastungsgesetz“ impliziert wird, ins Gegenteil verkehrt.
  • Schwierigkeiten beim Immobilienverkauf: Beim Kauf und Verkauf von Immobilien wird die geänderte Rechtslage eine intensivere Prüfung der Mietverträge erforderlich machen. Käufer müssen sich stärker absichern, da Änderungen an Mietverträgen nun formloser vorgenommen werden können. Verkäufer werden voraussichtlich zunehmend Garantien in Kaufverträgen abgeben müssen, um sicherzustellen, dass keine unentdeckten textformkonformen Nebenabreden existieren und sämtliche Korrespondenz zum Mietvertrag offengelegt wurde. Es erscheint deshalb sinnvoll, auch im Mietvertrag vorausschauend eine Regelung zu treffen, dass der Mieter beim Verkauf der Immobilie die Vollständigkeit eines Datenraums bestätigen muss.
Was bedeutet das für Sie?

Zwar genügt nach dem Gesetz nun die Textform, es steht Ihnen allerdings auch weiterhin frei, vertraglich eine strengere Form, etwa die Schriftform oder die elektronische Form, zu vereinbaren. Das kann gewisse Risiken verringern, aber auch neue Gefahren bergen: So könnte statt der Folge eines („nur“) kündbaren Vertrages beim Verstoß gegen eine vereinbarte Schriftform nach § 125 S. 2 BGB sogar die Nichtigkeit des ganzen Vertrages drohen. In jedem Fall gilt jedoch: Klären Sie in Ihrer Kommunikation eindeutig, ob es sich um Verhandlungen oder um eine verbindliche Vereinbarung handelt. Dokumentieren Sie zudem alle Abreden sorgfältig, um Missverständnisse und gegebenenfalls sogar Haftungen beim Immobilienverkauf zu vermeiden.

Unsere Empfehlung: Die neuen Regelungen können Ihnen Flexibilität bringen – aber auch rechtliche Unsicherheiten. Hier lohnt es sich im Rahmen einer rechtlichen Beratung genauer hinzusehen, um insofern die für Sie jeweils beste Lösung zu finden.

Autor/in
Paul Herter

Paul Herter
Senior Associate
Stuttgart
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