13.03.2025
27,6 Millionen Menschen sind laut Schätzung der EU-Kommission Opfer von Zwangsarbeit. Die Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung von Produkten steht dabei besonders im Fokus. Trotz diverser rechtlicher und privatwirtschaftlicher Bemühungen zur Beseitigung von Zwangsarbeit, besteht das Problem fort. Der europäische Gesetzgeber ist daher einen Schritt weiter gegangen: Mit der neuen Verordnung (EU) 2024/3015 über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt sowie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 (FLR), die seit dem 13. Dezember 2024 in Kraft ist, wird es künftig verboten sein, Produkte in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder auszuführen, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden.
Inhaltlich ergänzt die FLR das europäische Lieferkettenrecht und dient der wirksamen Umsetzung des Übereinkommens (Nr. 29) der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangsarbeit. Zwar sollen etwa die EU-Lieferkettenrichtlinie (EU) 2024/1760 und die Entwaldungsverordnung (EU) 2023/1115 auch Menschenrechtsverletzungen minimieren, sie räumen den Mitgliedsstaaten aber keine umfassenden Befugnisse ein, jede Art von Produkt „unmittelbar zurückzuhalten, zu beschlagnahmen oder dessen Rücknahme vom Markt anzuordnen“ nachdem eine Herstellung in Zwangsarbeit festgestellt wurde (Erwg. 17 FLR).
Die FLR gilt für alle Produkte, einschließlich ihrer Bestandteile. Das bedeutet, dass jegliche Branchen von der FLR betroffen sind. Unerheblich ist auch der Ursprung der Produkte, und ob es sich um heimische oder eingeführte Produkte handelt.
Die FLR gilt dabei sektorenübergreifend für alle Wirtschaftsakteure, unabhängig von ihrer Größe oder Rechtsform – sie gilt also auch für Kleinstunternehmer, kleine Unternehmen und mittlere Unternehmen (sog. KMU).
Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, sind künftig in der EU verboten; die FLR verbietet es, solche Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder auszuführen. Damit statuiert die FLR ein umfassendes Vermarktungsverbot.
Maßgeblich ist, ob beim Herstellungsprozess der Produkte Zwangsarbeit eingesetzt wurde, also „jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat“ (Art. 2 Nr. 1 FLR iVm Art. 2 des IAO-Übereinkommens Nr. 29). Der Einsatz von Zwangsarbeit kann auf jeder Stufe der Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung eines Produktes erfolgen, einschließlich der Be- oder Verarbeitung auf beliebiger Stufe seiner Lieferkette (Art. 2 Nr. 7 FLR).
Bei der Bewertung und Untersuchung der Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes, bei der Einleitung und Durchführung von Voruntersuchungen und der Ermittlung der betroffenen Produkte und Wirtschaftsakteure haben die Behörden einen risikobasierten Ansatz zu verfolgen. Das bedeutet, dass sie z. B. Ausmaß und Schwere der mutmaßlichen Zwangsarbeit und die Menge der betroffenen Produkte berücksichtigen müssen. Auch haben sie u.a. Informationen über Risikoindikatoren (z. B. aus Berichten der IAO) und Informationen, die durch die zu implementierenden Informationskanäle zur Verfügung stehen, heranzuziehen.
Das behördliche Verfahren selbst erfolgt dreistufig:
Wenn die Behörde feststellt, dass ein unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestelltes Produkt in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt wurde, erlässt sie unverzüglich eine Entscheidung mit folgendem Inhalt:
Die Entscheidung muss die in Art. 22 FLR genannten Inhalte enthalten und wird entweder als Durchführungsrechtsakt durch die Kommission erlassen oder, wenn nationale Behörden entscheiden, von den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt und durchgesetzt.
Kommt ein Wirtschaftsakteur der Entscheidung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, setzt die Behörde die Entscheidung selbst durch und verhängt darüber hinaus gegen den Wirtschaftsakteur Sanktionen. Die Ausgestaltung, Höhe und Durchsetzung der Sanktionen obliegt wie üblich den Mitgliedsstaaten.
Die behördlichen Zuständigkeiten richten sich danach, in welchem Land die mutmaßliche Zwangsarbeit stattgefunden hat:
Produkte, die auf den Unionsmarkt gelangen oder diesen verlassen, unterliegen zudem den Kontrollen und Maßnahmen der Zollbehörden. Diesen werden künftig für bestimmte Produktgruppen zusätzliche Informationen zur Identifizierung der Produkte zur Verfügung gestellt werden müssen.
Zur Förderung des Informationsaustausches und der Zusammenarbeit zwischen EU-Kommission und nationalen Marktüberwachungs- und Zollbehörden enthält die FLR zahlreiche Regelungen.
Das Verbot gilt ab 14. Dezember 2027.
Die Behörden müssen aber bereit jetzt tätig werden, um etwa Informations- und Kommunikationssysteme aufzubauen.
Unternehmen müssen künftig sicherstellen, dass sie keine Produkte in Verkehr bringen, bereitstellen oder ausführen, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden.
Um sich frühzeitig vorzubereiten, können bereits jetzt folgende Schritte empfohlen werden:
Wichtig werden in diesem Zusammenhang die in der FLR vorgesehenen, noch zu erlassenen Leitlinien sein. Bis zum 14. Juni 2026 soll die EU-Kommission u.a. Leitlinien für Wirtschaftsakteure zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in Bezug auf Zwangsarbeit sowie zu bewährten Verfahren zur Beendigung und Beseitigung von Zwangsarbeit, sowie Informationen über Risikoindikatoren für Zwangsarbeit zur Verfügung stellen.
Speziell für KMU ist im Blick zu behalten, welche Maßnahmen die EU-Kommission erlässt, um die Wirtschaftsakteure zu unterstützen. Es ist bereits festgelegt, dass für KMU Kontaktstellen zur Verfügung stehen sollen, die Informationen zu Fragen im Zusammenhang mit der FLR bieten.
Gerne unterstützen wir Sie bei Ihren praktischen Herausforderungen im Zusammenhang mit Lieferkettensorgfalt und Zwangsarbeit!
Dr. Astrid Seehafer, M.Sc.
Partnerin
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Isabel Dorothee Ruhnke, LL.M.
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