18.08.2021
Üblicherweise fordert der Automobilhersteller („OEM“) vor Beginn der Serienherstellung eines Fahrzeugs (dem „Start of Production“) verschiedene Zulieferer auf, ein Angebot für die Belieferung des OEM mit Serien-Bauteilen abzugeben. Gegenstand der Ausschreibungsunterlagen, die dem Zulieferer im Rahmen der Anfrage seitens des OEM zur Verfügung gestellt werden, sind in der Regel neben Qualitätsanforderungen und Lastenheften insbesondere auch technische Zeichnungen zur Herstellung der Serien-Bauteile. Auf Basis der Ausschreibungsunterlagen und der bekanntgegebenen Bauzeichnungen geben die Zulieferer ihr Angebot für die Belieferung des OEM mit Serien-Bauteilen für die Dauer der Bauzeit des betreffenden Fahrzeugmodells ab. Das Angebot des Zulieferers wiederum nimmt der OEM – ggf. nach weiteren harten Preisverhandlungsrunden – mittels einer Nominierung an.
Oftmals tritt der Fall ein, dass der OEM in dem Zeitraum zwischen der Nominierung des Zulieferers und dem Start of Production eine Änderung der Bauteile in Konstruktion und/oder Ausführung verlangt. Auch nach dem Start of Production wird gelegentlich seitens des OEM eine Änderung der Bauteile gefordert, z. B. bei Modellpflegemaßnahmen („Facelifts“).
Vor diesem Hintergrund behalten sich OEM´s sowohl in den Ausschreibungsunterlagen als auch in ihren Vertragswerken gegenüber den Zulieferern regelmäßig das umfassende Recht vor, Änderungen der Bauteile zu verlangen. Führt eine solche Änderung zu Mehr- oder Minderkosten, wird – zumindest auf Basis der bislang üblichen Vertragswerke – beiden Vertragspartnern das Recht eingeräumt, über eine Anpassung der Preise für die geänderten Serien-Bauteile zu verhandeln. Verhandlungsgrundlage waren oftmals Price Break Downs, die der Zulieferer zum Zweck der Preisverhandlung erstellt und bei dem OEM eingereicht hat.
Aktuell ist bei den Ausschreibungsunterlagen einzelner OEM´s die Tendenz zu erkennen, durch neue vertragliche Bestimmungen die Rechte der Zulieferer zu beschränken, im Falle von Änderungen der Bauteile nach der Nominierung Preisanpassung zu verhandeln. Die geänderten Bestimmungen sehen vor, dass der OEM bei Bauteiländerungen auf Basis des Preises, zu dem der Zulieferer ursprünglich nominiert worden ist, einen neuen Ziel-Preis kalkuliert, der die geänderte Kostensituation infolge der Änderung des Bauteils abbildet und fortan gelten soll. Im Weiteren hat der Zulieferer – und darin liegt die Schärfe der neuen vertraglichen Regelung – sich bereits bei Abgabe seines Angebots – also noch vor der Nominierung – zu verpflichten, bei künftigen Änderungen der Serien-Bauteile den von dem OEM kalkulierten Ziel-Preis zu akzeptieren, ohne hierauf im Wege der Verhandlung Einfluss nehmen zu können.
Hierdurch wird ein erheblicher Druck auf die Zulieferer ausgeübt, die sich vor die Wahl gestellt sehen, entweder die Neuregelung abzulehnen und schon deshalb nicht nominiert zu werden oder die Neuregelung zu akzeptieren und sich damit einem einschränkungslosen Preisbestimmungsrecht des OEM bei Bauteiländerungen zu unterwerfen.
Dr. Steffen Gaber, LL.M. (Sydney)
Partner
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Dr. Michael Ebert
Counsel
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