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Dem durch die Insolvenzordnung geregelten Insolvenzverfahren, welches der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung dient, liegt das Prinzip der Gläubigerautonomie zugrunde. Gläubigerautonomie bedeutet, dass die Gläubiger über die Art und Weise der Masseverwertung, die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und über die Gestaltung des Verfahrens entscheiden können. Die Gläubigerautonomie wird durch zwei zentrale Organe der Gläubiger im Insolvenzverfahren, namentlich die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss, gewährleistet. Während die Gläubigerversammlung die großen Linien des Insolvenzverfahrens bestimmt, ist der Gläubigerausschuss das Organ für die Mitwirkung der Gläubiger in Detailfragen.
Mit den nachstehenden Ausführungen soll ein Überblick über die den Gläubigerausschuss betreffenden Regelungen der Insolvenzordnung gegeben werden.
Arten von Gläubigerausschüssen
Die Insolvenzordnung kennt drei „Arten“ von Gläubigerausschüssen; den vorläufigen Gläubigerausschuss (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a InsO), den Interims-Gläubigerausschuss (§ 67 InsO) sowie den „endgültigen“ Gläubigerausschuss (§ 68 InsO). Ein vorläufiger Gläubigerausschuss ist vom Insolvenzgericht einzusetzen, wenn zwei der drei in § 22a Abs. 1 InsO näher bezeichneten Merkmale (Bilanzsumme mindestens EUR 4.840.000,00, Umsatzerlöse mindestens EUR 9.680.000,00, Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt mindestens 50) erfüllt werden (= originär obligatorischer vorläufiger Gläubigerausschuss). Weiterhin soll ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden, wenn der Schuldner dies beantragt (§ 22a Abs. 2 InsO) (= originär obligatorischer vorläufiger Gläubigerausschuss). In allen anderen Fällen steht die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (= fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss). In allen drei Fällen ist die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ausgeschlossen, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners eingestellt ist, sie in Anbetracht der zu erwartenden Insolvenzmasse unverhältnismäßig erscheint oder wenn sie zu Verzögerungen führt, die nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners erwarten lassen. Der Tätigkeitszeitraum des vorläufigen Gläubigerausschusses ist begrenzt auf die Zeit von der Insolvenzantragstellung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung sieht die Insolvenzordnung einen Interims-Gläubigerausschuss vor, dessen Einsetzung nach § 67 InsO im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts steht. In Fällen, in denen ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt war, wird die Beibehaltung in der Regel zweckmäßig sein. In der ersten Gläubigerversammlung entscheiden dann die Gläubiger nach § 68 InsO frei darüber, ob und in welcher Besetzung ein Gläubigerausschuss für das weitere Verfahren beibehalten oder ggf. auch erstmalig eingesetzt werden soll („endgültiger“ Gläubigerausschuss). Im Rahmen der Gläubigerautonomie können die Gläubiger auch frei über die Abwahl, Ersetzung oder Ergänzung der Mitglieder eines Gläubigerausschusses entscheiden.
Zusammensetzung des Gläubigerausschusses
Eine gesetzliche Regelung für die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses enthält die Insolvenzordnung nur für den vorläufigen Gläubigerausschuss und den Interims-Gläubigerausschuss. Nach der entsprechenden Regelung (§ 67 Abs. 2 InsO) sollen im Gläubigerausschuss die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, die Kleingläubiger und die Arbeitnehmer vertreten sein. Im Gegensatz zum Interims-Gläubigerausschuss, dem auch Nichtgläubiger angehören können (§ 67 Abs. 3 InsO), können Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses nur Personen sein, die Gläubiger sind oder mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden (z. B. Pensionssicherungsverein oder Bundesagentur für Arbeit). Diese Beschränkung für den vorläufigen Gläubigerausschuss ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO. Für den endgültigen Gläubigerausschuss, welcher durch die Gläubigerversammlung eingesetzt wird, bestehen hinsichtlich der Zusammensetzung keinerlei Einschränkungen.
Für jeden Gläubigerausschuss gilt, dass er mindestens aus zwei Mitgliedern bestehen muss. Für die Mitgliederzahl gibt es keine Obergrenze, in der Regel sollten es jedoch nicht mehr als sieben Mitglieder sein. Hinsichtlich der allgemeinen und persönlichen Anforderung an die Mitglieder bestehen keine gesetzlichen Regelungen. Als Mitglieder kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen in Betracht. Ausgeschlossen sind der Insolvenzverwalter, der Schuldner sowie Personen, die in seinem Lager stehen. In Anbetracht einer fehlenden gesetzlichen Regelung dürfen keine allzu hohen persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Gläubigerausschusses gestellt werden. Allerdings sind ein hinreichender Sachverstand sowie die Unabhängigkeit von den Verfahrensbeteiligten, also auch von den Gläubigern, zu fordern. Die Unabhängigkeit betrifft allerdings lediglich die Amtsführung durch das bestellte Mitglied des Gläubigerausschusses, nicht seine Auswahl bei der Bestellung.
Verfahrensfragen
Zunächst sind die potentiellen Mitglieder eines Gläubigerausschusses zu ermitteln. Hinsichtlich des vorläufigen Gläubigerausschusses sieht die Insolvenzordnung die Pflicht des Schuldners zur Benennung von potentiellen Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses für den Fall vor, dass der Schuldner die Einsetzung eines Gläubigerausschusses beantragt (§ 22a Abs. 2 InsO). In diesem Fall hat der Schuldner seinem Antrag auch Einverständniserklärungen der benannten Personen beizufügen. In allen anderen Fällen eines vorläufigen Gläubigerausschusses kann das Gericht sowohl den Schuldner als auch den vorläufigen Insolvenzverwalter auffordern, geeignete Personen zu benennen (§ 22a Abs. 4 InsO). Für den Interims-Gläubigerausschuss fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung. Sofern ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt war, werden regelmäßig die bisherigen Gläubigerausschussmitglieder beizubehalten sein. Beruht die Einsetzung eines Interims-Gläubigerausschusses auf einer Anregung des Insolvenzverwalters, was häufig wegen zustimmungsbedürftiger Entscheidungen und Rechtshandlungen nach § 158 InsO der Fall ist, so benennt der Insolvenzverwalter regelmäßig zugleich geeignete Mitglieder. In allen anderen Fällen kann das Gericht, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, sowohl den Insolvenzverwalter als auch den Schuldner zur Benennung geeigneter Personen auffordern. Hinsichtlich eines endgültigen Gläubigerausschusses bedarf es keiner Regelung, da die Gläubiger die von ihnen für geeignet gehaltenen Personen frei wählen können.
Die Bestellung erfolgt durch einen Einsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts. Das Amt beginnt jedoch erst durch die ausdrückliche Annahmeerklärung des bestellten Ausschussmitgliedes.
Das Amt des Gläubigerausschussmitgliedes kann auf verschiedene Arten enden. Das Amt endet ohne weiteres mit dem Ende des jeweiligen Gläubigerausschusses. Der vorläufige Gläubigerausschuss endet, wie oben bereits ausgeführt, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Interims-Gläubigerausschuss endet im Gegensatz dazu entweder durch Beschluss der Gläubigerversammlung, dass es künftig keines Gläubigerausschusses mehr bedarf. Ein fortgeführter Gläubigerausschuss endet mit dem Ende des Insolvenzverfahrens. Im Übrigen kann das Amt eines einzelnen Gläubigerausschussmitgliedes auch durch seine Abwahl im Rahmen der Gläubigerversammlung oder durch Entlassung aus wichtigem Grund (§ 70 InsO) enden. Da die Insolvenzordnung grundsätzlich keine Entlassung alleine aufgrund eines Antrags eines Gläubigerausschussmitgliedes vorsieht, bedarf auch ein solcher Antrag eines wichtigen Grundes.
Soweit über den vorläufigen Gläubigerausschuss Einfluss auf die Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters genommen werden soll, ist zu beachten, dass es durch die Beteiligung nicht zu Verzögerungen kommen darf, da das Gericht eine solche Verzögerung zum Anlass nehmen kann, einen vorläufigen Insolvenzverwalter vor der Einsetzung und Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses – mit dem Hinweis auf die Gefahr einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners bei weiterem Zuwarten – einzusetzen (§ 56a Abs. 1 letzter Halbsatz InsO). Bei einem laufenden Geschäftsbetrieb neigen die Insolvenzgerichte dazu, eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners anzunehmen. Um zeitliche Verzögerungen durch die Einsetzung und Konstituierung des vorläufigen Gläubigerausschusses zu vermeiden, sollten in einem Insolvenzantrag nicht nur die potentiellen Gläubigerausschussmitglieder benannt und entsprechende Einverständniserklärungen beigefügt werden, sondern sollte auch eine sofortige Annahme der Bestellungen sowie eine umgehende Konstituierung des Gläubigerausschusses sichergestellt sein.
Aufgaben (Rechte und Pflichten) des Gläubigerausschusses
Die Aufgaben der Gläubigerausschüsse sind umfangreich, so dass nachfolgend lediglich einige wesentlichen Rechte und Pflichten dargestellt werden. Aufgabe aller Gläubigerausschüsse ist die Überwachung und Unterstützung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters/Sachwalters sowie des Schuldners in Eigenverwaltungsverfahren. Die Gläubigerausschüsse haben sich, angemessen zum jeweiligen Verfahrensstadium, über den Gang der Geschäfte zu unterrichten bzw. unterrichten zu lassen. Sie haben weiterhin Einsichts- und Prüfungsrechte sowie Einsichts- und Prüfungspflichten hinsichtlich der Bücher, Geschäftspapiere und insbesondere des Geldverkehrs und Geldbestandes. Eine zentrale Pflicht der Gläubigerausschussmitglieder ist die Verschwiegenheit hinsichtlich aller verfahrensrelevanter Tatsachen, die ihnen aufgrund ihres Amtes als Gläubigerausschussmitglied bekannt werden.
Der vorläufige Gläubigerausschuss ist zur Mitwirkung bei der Bestellung und ggf. zur bindenden Bestimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters oder vorläufigen Sachwalters berufen (§§ 56a, 270a Abs. 1 InsO). Eine für das Gericht grundsätzlich bindende Bestimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters kommt durch einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusse zustande, wovon das Gericht nur dann abweichen kann, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist.
Soweit das Gericht ohne Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses einen vorläufigen Insolvenzverwalter/Sachwalter bestellt hat, kann der vorläufige Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig einen anderen vorläufigen Insolvenzverwalter/Sachwalter wählen (§ 56a Abs. 3 InsO). Hiervon sollte der vorläufige Gläubigerausschuss in Anbetracht der damit verbundenen Kosten (u. a. doppelte Vergütungsansprüche) sowie der Verzögerungen und Unsicherheiten nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen. Hingewiesen werden soll darauf, dass der vorläufige Gläubigerausschuss kein Mitbestimmungsrecht bei der Bestellung des vom Schuldner vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren hat (§ 270b Abs. 2 Satz 2 InsO). Der vorläufige Gläubigerausschuss kann allerdings in Schutzschirmverfahren Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens stellen, welcher ohne Weiteres bindend für das Insolvenzgericht ist (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InsO). In allen Fällen, in denen die Eigenverwaltung vom Schuldner beantragt wurde, hat der vorläufige Gläubigerausschuss das Recht, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen (§ 270 Abs. 3 InsO). Der Interims-Gläubigerausschuss und der endgültige Gläubigerausschuss haben das Recht, die Entlassung des Insolvenzverwalters aus wichtigem Grund zu beantragen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO). Weiterhin hat der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Interims-Gläubigerausschusses zur Veräußerung oder Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens vor dem Berichtstermin einzuholen (§ 158 Abs. 1 InsO). Zudem bedürfen besonders bedeutsamen Rechtshandlungen im Sinne des § 160 InsO im gesamten Insolvenzverfahren der Zustimmung des Gläubigerausschusses.
Entscheidungen der Gläubigerausschüsse
Die Gläubigerausschüsse entscheiden durch Beschluss (§ 72 InsO). Zur Gültigkeit eines Beschlusses bedarf dieser einer doppelten Mehrheit, namentlich die Teilnahme der Mehrheit der Mitglieder des Gläubigerausschusses an der beschlussfassenden Sitzung sowie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Selbstorganisation
Die Insolvenzordnung enthält keine Regelungen zur Selbstorganisation des Gläubigerausschusses. Zur Sicherstellung wesentlicher Verfahrensfragen und zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken ist es jedoch ratsam, dass sich der Gläubigerausschuss eine Geschäftsordnung gibt. Die Geschäftsordnung sollte folgende Punkte umfassen: Einberufung (Form, Frist, Turnus), ggf. Vorsitz, Beschlussfassung, Stimmverbote, Teilnahme an Beratung bei Stimmverbot, Protokoll und Verschwiegenheit.
Haftung
Bei schuldhaften Pflichtverletzungen haften die Mitglieder des Gläubigerausschusses den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern für die hieraus resultierenden Schäden (§ 71 InsO). Die Haftung nach § 71 InsO setzt allerdings die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten voraus, d. h. es müssen Pflichten verletzt werden, die die Insolvenzordnung den Gläubigerausschussmitgliedern auferlegt. Hinsichtlich des Verschuldensmaßstabes enthält die Insolvenzordnung keine besonderen Regelungen, so dass eine Haftung bereits bei leichter Fahrlässigkeit möglich ist.
Vergütung
Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben, ebenso wie der Insolvenzverwalter, einen persönlichen Anspruch auf Vergütung und Auslagenerstattung aus der Insolvenzmasse (§ 73 Abs. 1 InsO). Der Vergütungsanspruch wird individuell beurteilt und ist daher nicht zwingend für alle Ausschussmitglieder gleich. Für die Bemessung der Vergütung sind der Zeitaufwand und der Umfang der Tätigkeit relevant. Der regelmäßige Stundensatz ist in § 17 InsVV geregelt und liegt zwischen EUR 35,00 und EUR 95,00 je Stunde.
| | Dr. Marcus Backes Partner Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Hamburg Telefon +49 40 18067 246999 marcus.backes@luther-lawfirm.com |