11.12.2023
BGH, Urteil vom 11. Juli 2023, II ZR 116/21, Autoren: Dr. Benjamin Hub, Paulina Maria Schiefelbein
Viele GmbH-Satzungen enthalten konkrete Regelungen, wie ein Gesellschafter durch einen Gesellschafterbeschluss aus der jeweiligen GmbH ausgeschlossen werden kann. Gibt es keine solchen Regelungen in der Satzung der GmbH, kann der Ausschluss anerkannter Maßen durch eine Ausschließungsklage erfolgen. Wird ein GmbH-Gesellschafter durch Ausschließungsklage aus der GmbH ausgeschlossen, wurde der Ausschluss nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erst effektiv, wenn die Abfindung an den Betroffenen ausgezahlt war (BGH, II ZR 235/52; sog. „Bedingungslösung“). Es gab also eine Schwebezeit zwischen dem Ausschließungsurteil und der Leistung der Abfindungszahlung. In dieser Schwebezeit war der Betroffene (jedenfalls grundsätzlich) weiterhin Gesellschafter und es bestand ein erhebliches Störpotential, das bis zur Handlungsunfähigkeit der GmbH reichte.
Der BGH ist nun von der „Bedingungslösung“ abgerückt und hat seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben.
Die Möglichkeit, einen GmbH-Gesellschafter auch ohne diesbezügliche Regelungen in der Satzung durch Klage aus der Gesellschaft auszuschließen, ist nicht gesetzlich geregelt, jedoch seit langem von der Rechtsprechung als „ultima ratio“ anerkannt, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Auszuschließenden vorliegt (z.B. wenn dieser schwerwiegend gegen ein Wettbewerbsverbot verstößt oder Straftaten zu Lasten der Gesellschaft begeht). Diesen Grundsatz betont der BGH sowohl in seinem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1953 (BGH, II ZR 253/52) als auch im aktuellen Urteil zur Haftungslösung (BGH, II ZR 116/21).
Jedoch ist der Ausschluss keine „Bestrafung“, sondern soll in erster Linie den Fortbestand und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sichern. Daher darf weder der auszuschließende Gesellschafter geschädigt, noch die verbleibenden Gesellschafter bereichert werden. Es ist daher sicherzustellen, dass der ausgeschlossene Gesellschafter eine (angemessene) Abfindung erhält. In seinem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1953 (BGH, II ZR 253/52) sah der BGH insbesondere zwei Schwierigkeiten:
Vor diesem Hintergrund entwickelte der BGH seinerzeit die sog. „Bedingungslösung“, um den Abfindungsanspruch des ausgeschlossenen Gesellschafters dadurch zu sichern, dass sein Ausscheiden erst final wirksam wird, wenn er die Abfindung ausgezahlt erhält.
Der BGH hatte nun über den Ausschluss eines Gesellschafters aus einer Zwei-Personen-GmbH zu entscheiden. Die Satzung sah keine entsprechende Regelung vor, so dass der Ausschluss nur im Klageweg erfolgen konnte.
Prozessual stellte der BGH klar, dass der Mitgesellschafter selbst die Ausschlussklage erheben kann und hierfür nicht auf die GmbH selbst und deren Geschäftsführung angewiesen ist, was nämlich schwierig sein könnte, wenn sich der Streit zwischen den Beteiligten auch auf die Geschäftsführung erstreckt, z.B. durch gegenseitige Abberufungen.
Vor allem aber gab der BGH seine jahrzehntelang vertretene Ansicht auf, wonach der Ausschluss eines Gesellschafters nach ergangenem Urteil erst mit Zahlung der Abfindung an den Betroffenen wirksam werde und entschied, dass bereits die Rechtskraft des Ausschließungsurteils die Gesellschafterstellung des Betroffenen final beende. Der BGH stellte damit einen Gleichlauf zu den Fällen her, bei denen der Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss erfolgt.
Der BGH betonte allerdings, dass der ausgeschlossene Gesellschafter davor geschützt werden müsse, mit seinem grundsätzlich gegen die Gesellschaft – und nicht gegen die Gesellschafter – gerichteten Abfindungsanspruch leer auszugehen, während die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert seines Anteils aneignen.
Der BGH stellte daher klar, dass die verbleibenden Gesellschafter dem von der Ausschließung Betroffenen anteilig persönlich für die Zahlung der Abfindung haften, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft ohne die Befriedigung des Abfindungsanspruchs als treuwidrig anzusehen ist (Treuwidrigkeitsvoraussetzung).
Ferner betonte der BGH, dass ein Ausschluss – sei es durch Ausschließungsurteil oder durch Gesellschafterbeschluss – dann nicht möglich sei, wenn bereits bei Urteilserlass bzw. bei Beschlussfassung feststehe, dass die Abfindung nicht aus dem freien Gesellschaftsvermögen gezahlt werden kann, ohne dass eine Unterbilanz entsteht bzw. sich vertieft. Soll der unliebsame Gesellschafter in einer solchen Situation dennoch ausgeschlossen werden, können die übrigen Gesellschafter der GmbH jedoch verbindlich zusagen, diese mit den zur Zahlung der Abfindung notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten (sog. Ausstattungszusage).
Der BGH hatte ähnliche Entscheidungen bereits für den Ausschluss eines Gesellschafters durch Beschluss getroffen (etwa BGH, II ZR 342/14 und BGH, II ZR 109/11). Nunmehr ging es um den Ausschluss durch eine Ausschließungsklagte. In dieser Situation vereinfacht die Aufgabe der sog. „Bedingungslösung“ den Ausschluss eines störenden GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund und schafft Rechtssicherheit. Konnte der effektive Ausschluss bisher noch an der Leistung der Abfindungszahlung scheitern und war der Auszuschließende während dieser „Hängepartie“ grundsätzlich noch als Gesellschafter zu behandeln, so ist der Ausschluss nun mit Rechtskraft des Ausschließungsurteils wirksam und es ist dem Ausgeschlossen nicht mehr möglich, sich weiterhin als „Störenfried“ aufzuführen.
Für die Gesellschafter bedeutet dies allerdings zugleich, dass sie – für eine GmbH untypisch – persönlich für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften können, wenn sie die GmbH fortführen und diese die Abfindung nicht zahlt. Liquiditätsmäßig kann dies für die verbleibenden Gesellschafter zweifelsfrei problematisch sein, wobei der Haftung für die Abfindungszahlung der Wertzuwachs gegenübersteht, den die Beteiligungen der verbleibenden Gesellschafter durch den Wegfall des Ausgeschlossenen erfahren.
Jedoch bleiben einige Fragen offen:
Dr. Benjamin Hub
Partner
Hamburg
benjamin.hub@luther-lawfirm.com
+49 40 18067 12182