25.11.2024
Bestimmt fragen Sie sich, was eine Garantiebank mit den Streitigkeiten zwischen zwei Vertragspartnern zu tun hat, die in einer Lieferbeziehung miteinander stehen. Sie erinnern sich vielleicht: Die A-GmbH hatte mit dem Zulieferunternehmen B-AG einen Liefervertrag über Kunststoffgranulat zur Herstellung von Kunststoffverpackungen geschlossen. In der Vergangenheit hatte die A-GmbH allerdings mehrfach schlechte Erfahrungen mit der Qualität des Granulats gemacht. Das führte dann zu gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen der Vorauszahlungen, die die A-GmbH an ihre Vertragspartner gezahlt hatte. Um nicht noch einmal selbst ein Gerichtsverfahren einleiten zu müssen, was mit einigen Kosten verbunden ist, hat die A-GmbH nach entsprechender anwaltlicher Beratung eine Sicherheit von der B-AG verlangt. Damit war die B-AG nach entsprechendem Hinweis der A-GmbH – no guarantee, no contract – auch einverstanden.
Die B-AG hat dann ihre Hausbank, die C-Bank, beauftragt, der A-GmbH eine Bankgarantie auf erstes Anfordern zu stellen. Das tat die C-Bank dann auch und stellte der B-AG eine Rechnung in Höhe von 3,50 % p.a. der Garantiesumme. Zudem musste die A-GmbH der C-Bank eigene Sicherheiten stellen, weil diese den Garantiebetrag im Falle seiner Auszahlung an die A-GmbH von der B-AG zurückverlangen würde und es mit der Solvenz der B-AG nicht zum Besten bestellt war.
In vielen Lieferbeziehungen passiert danach im Wesentlichen nichts mehr mit Blick auf die Bankgarantie, weil der Vertrag wie vereinbart abgewickelt wird. Es kann aber auch anders kommen. Im konkreten Fall nämlich stellte die A-GmbH kurz nach der Lieferung des Kunststoffgranulats fest, dass dieses weder die erwartete Schlagzähigkeit noch die erforderliche Beständigkeit hatte, so dass der Bereichsleiter anordnete, dass der „Müll“ von der B-AG abgeholt werden müsse, da nur gute Qualität ins Haus käme. In ihrem Beschwerdeschreiben an die B-AG stellte sich die A-GmbH wohl formuliert auf den Standpunkt, dass die von ihr monierten Qualitätseigenschaften vertraglich vereinbart waren und die tatsächliche Lieferung hiervon abwich. Die B-AG antwortete hierauf nicht unerwartet, dass über die konkreten Qualitätseigenschaften zwar gesprochen worden sei, diese aber schließlich nicht vertraglich vereinbart wurden, sodass nur die übliche Qualität geschuldet sei. Da die B-AG das Granulat entgegen der Aufforderung der A-GmbH nicht neu liefern wollte, drohte die A-GmbH damit, die Bankgarantie gegenüber der C-Bank in Anspruch zu nehmen. Genau das passierte dann kurze Zeit später auch.
Hiermit hatte die B-AG wegen der Schreiben der A-GmbH auch gerechnet und mit der C-Bank frühzeitig Kontakt aufgenommen. Die B-AG erläuterte der C-Bank unter Vorlage des zwischen den Parteien geschlossenen Liefervertrags und der gewechselten Schreiben, dass eine Inanspruchnahme der Garantie durch die A-GmbH offensichtlich rechtsmissbräuchlich wäre, weil die B-AG keinesfalls eine Neulieferung schulde. Naheliegenderweise behauptete die A-GmbH in dem Schreiben, mit dem sie sodann die Auszahlung der Garantie von der C-Bank begehrte, genau das Gegenteil.
Die Syndikusanwältin der C-Bank, Nina, bekam die Akte am Freitagnachmittag auf den Tisch. Nach einer halben Stunde notierte sie: „Auszahlung für zwei Wochen zurückstellen, e.V. da?“ und gab die elektronische Akte zurück an den Kundenberater, der sie beruhigt zur Seite legte.
Die Garantiebank befindet sich bei Inanspruchnahme auf Auszahlung einer Bankgarantie in einer Art Zwickmühle. Einerseits muss sie ihrer Verpflichtung aus der Garantie gegenüber dem Garantiegläubiger nachkommen. Andererseits muss sie aber auch das Vertragsverhältnis zum Garantieschuldner beachten und darf die Garantie nicht unberechtigter Weise auszahlen, weil sie dann das Konto ihres Kunden nicht rechtssicher mit dem Rückforderungsbetrag belasten kann.
Im Ausgangspunkt ist die Bank verpflichtet, die Garantiesumme aus einer Garantie „auf erstes Anfordern“ auszuzahlen, wenn deren Inanspruchnahme nicht rechtsmissbräuchlich ist und die vertraglichen Voraussetzungen für eine Auszahlung vorliegen. Um dies überhaupt beurteilen zu können, wird sich die Bank üblicherweise wesentliche Unterlagen – beispielsweise die wechselseitigen Schreiben der Vertragsparteien über das Problem, das zum Garantiefall führte, und möglicherweise auch Vertragsunterlagen – von ihrem Kunden vorlegen lassen. Das dauert in jedem Fall ein paar Tage, sodass die Auszahlung eines Garantiebetrags eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.
Aber auch mit den vorgelegten Unterlagen ist die Bank selten in der Lage, sich ein klares Bild zu machen, ob die Auszahlung des Garantiebetrags rechtsmissbräuchlich ist oder nicht. Dafür ist sie viel zu weit weg von den konkreten Umständen und Hintergründen, die zwischen den Vertragsparteien streitig sind. Erst recht gilt dies, wenn es um Lieferschwierigkeiten oder die Qualität gelieferter Waren geht. Vor diesem Hintergrund ist die Notiz der Syndikusanwältin zu sehen. Läge der Bank nämlich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine gerichtliche einstweilige Verfügung (e.V.) vor, mit der der A-GmbH die Inanspruchnahme der Garantie untersagt werden würde, hätte die Bank einen belastbaren Grund dafür, den Garantiebetrag nicht auszuzahlen. Das gilt jedenfalls, wenn sich der gerichtlichen Entscheidung klare Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die A-GmbH rechtsmissbräuchlich ist.
Mit Blick auf das von ihr abgegebene Garantieversprechen kann sich die Bank allerdings nicht grundsätzlich hinter den Gerichten verstecken, um beispielsweise den Ausgang eines zwischen den Vertragsparteien geführten Gerichtsverfahrens abzuwarten, das nicht im einstweiligen Rechtsschutz geführt wird. Der Ausgang eines solchen Hauptsacheverfahrens kann mehrere Jahre auf sich warten lassen, insbesondere wenn Beweisaufnahmen zur Entscheidung durchgeführt werden müssen. Nicht selten ist nach einer Gerichtsinstanz auch nicht Schluss, sondern wird das Gerichtsverfahren in der Berufungsinstanz fortgeführt. Daher kann die Auszahlung des Garantiebetrags in aller Regel nur von einer begründeten Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz abhängig gemacht werden. Nur dies wird dem Sinn und Zweck der Bankgarantie gerecht, mit der der Garantiegläubiger zügig liquide Mittel erhalten soll. Streitigkeiten über die Berechtigung des Garantiegläubigers, den Garantiebetrag endgültig zu beanspruchen, müssen in aller Regel im Anschluss an die Auszahlung geklärt werden.
Aus Sicht der Bank lässt sich also schon einmal festhalten, dass beides – die zügige Auszahlung an den Garantiegläubiger ebenso wie die Nichtauszahlung – für sie Risiken mit sich bringt. Zahlt die Bank zügig aus, ohne hierzu berechtigt zu sein, wird sie den Garantiebetrag nicht von ihrem Kunden zurückerstattet verlangen können. Zahlt sie demgegenüber nicht aus, könnte sie vom Garantiegläubiger auf Zahlung und möglicherweise auch auf Schadensersatz verklagt werden, falls die Nichtzahlung einen entsprechenden Schaden beim Garantiegläubiger verursacht hat. Darüber hinaus drohen Reputationsschäden für die Bank, insbesondere wenn sie die Auszahlung auf Bankgarantien regelmäßig erheblich verzögert oder sogar vollständig unterlässt. In diesem Falle nämlich dürfte die Akzeptanz der Bank im Markt als verlässlicher Garantiegeber leiden.
In wirtschaftlicher Hinsicht dürfte typischerweise das Risiko der Bank bei vorzeitiger, aber unberechtigter Auszahlung größer sein als im umgekehrten Fall, in dem sie die Auszahlung zunächst unterlässt. Dies liegt daran, dass der typische Schaden für den Garantiegläubiger im Falle der Nichtauszahlung in den Kosten einer ersatzweisen Geldbeschaffung liegt (beispielsweise Darlehenszinsen). Bei einer unberechtigten Auszahlung kann sich der Schaden hingegen auf die gesamte Garantiesumme belaufen, falls diese später nicht mehr wiedererlangt werden kann. Diese Abwägung kann die eine oder andere Bank dazu verleiten, im Zweifelsfalle die Auszahlung des Garantiebetrags vorläufig zu unterlassen.
All das zeigt: Nina hat ihren Job gut gemacht. Sie hat der Bank, deren Rolle zwischen Hammer und Amboss liegt, etwas Zeit verschafft. Dem Garantieschuldner hat sie faktisch die Gelegenheit gegeben, ein Gericht durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von der eigenen Position zu überzeugen. Ob das gelingt, liegt zwar in den Sternen. Aber wenn ja, dürfte die Bank nichts falsch gemacht haben, wenn sie die Auszahlung des Garantiebetrags verweigert.
Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
Köln
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Stephanie Quaß
Senior Associate
Frankfurt a.M.
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