13.07.2021
Das OLG Frankfurt entschied kürzlich, dass ein Ad-hoc-Schiedsgericht keine Dreiwochenfrist für die Ausfertigung des Schiedsspruches einhalten muss (OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 17.5.2021 – 26 Sch 1/21, BeckRS 2021, 11890). Was auf den ersten Blick den Rechtsschutz der Parteien einzuschränken scheint, stellt sich im Zusammenhang mit den Eigenheiten des Schiedsverfahrens als substantiierte Abwägung dar, welche potentiellem Rechtsmissbrauch Einhalt gebietet.
Schiedsverfahren werden als alternative Streitbeilegungsmethode oft wegen des potentiell schnelleren Verfahrensablaufs gewählt. Schon grundsätzlich bestehen Zweifel, ob diese Annahme noch zutrifft. Eine kürzlich ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt scheint nun den Eindruck zu bestätigen, dass die zügige Entscheidung des Rechtsstreits nicht immer oberste Priorität eines Ad-hoc-Schiedsgerichts sein muss.
Zu dem Ad-hoc-Schiedsverfahren kam es, nachdem ein geplantes Joint Venture mangels zuvor vertraglich vereinbarter Darlehensauszahlungen der Schiedsbeklagten scheiterte und Insolvenz anmelden musste. Die Schiedsklägerin machte Schadensersatzansprüche wegen der unterbliebenen Auszahlungen geltend und bekam Recht. Die Schiedsbeklagte begehrte daraufhin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt die Aufhebung des im November 2020 ergangenen Schiedsspruchs, während die Schiedsklägerin die Vollstreckbarerklärung beantragte.
Einer der Gründe für die beantragte Aufhebung des Schiedsspruchs sei nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Tatsache, dass der Schiedsspruch erst etwa ein Jahr nach der mündlichen Verhandlung erlassen worden war. Die Antragstellerin berief sich dabei unter anderem auf die Dreiwochenfrist im Zivilverfahren gemäß § 310 Absatz 1 Satz 2 ZPO. Ein derart großer, weit über den drei Wochen liegender zeitlicher Abstand stehe im Widerspruch zu dem verfahrensrechtlichen ordre public. Der Schiedsspruch sei daher gemäß § 1059 Absatz 2 Nr. 1 lit. d ZPO aufzuheben.
Das Gericht lehnte den Antrag ab und erklärte den Schiedsspruch für vollstreckbar.
In Bezug auf den Aufhebungsgrund des zeitlich verzögerten Schiedsspruchs führte das Gericht wie folgt aus: So sei zum einen § 310 ZPO schon grundsätzlich nicht, weder direkt noch analog, auf Schiedsverfahren anwendbar. Zum anderen seien die Voraussetzungen eines Aufhebungsantrages nach § 1059 Absatz 2 Nr. 1 lit. d ZPO selbst bei hypothetischer Anwendbarkeit von § 310 ZPO nicht gegeben.
Die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den ordre public nach § 1059 Absatz 2 Nr. 1 lit. d ZPO erfordere als ungeschriebene Voraussetzung, dass sich der Verstoß (mutmaßlich) nachteilig für eine der Verfahrensparteien auswirke. Dieses Kriterium sei Ausdruck des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren. Die Waffengleichheit sei aber durch den verspäteten Erlass eines Schiedsspruchs gerade nicht gefährdet, da die potentiellen negativen Konsequenzen der Verspätung beide Parteien gleichermaßen träfen. Eine Aufhebung des Schiedsspruchs hingegen begünstige ausschließlich die Partei, welche im Verfahren unterlag. Hinzu kämen Schwierigkeiten, die Auswirkung des Fehlers auf den Schiedsspruch – als eine weitere Voraussetzung des § 1059 ZPO – festzustellen. Ferner könne man bei einem Verweis auf Erinnerungslücken des Schiedsrichters nicht feststellen, ob sich solche Lücken nicht auch innerhalb einer gerade noch als angemessen anzusehenden Frist ausgewirkt hätten (vgl. Senat, Beschluss vom 17.12.2020 - 26 Sch 15/19 -, juris; dort zu § 33 Abs. 1 DIS-Schiedsordnung 1998).
Ganz schutzlos seien die Parteien in einer solchen Situation schließlich nicht: Jede Partei könne beim zuständigen Oberlandesgericht auf Grundlage des § 1038 Absatz 1 ZPO den Antrag stellen, die Beendigung des Schiedsrichteramtes auszusprechen, wenn ein Schiedsrichter seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkomme. In einem von der Antragsgegnerin vorgebrachten Verfahren hatte ein Schiedsgericht zwar gegen die Verfahrensregeln verstoßen, weil es die zuvor unter Verweis auf die ICC Schiedsgerichtsordnung vereinbarte Frist von sechs Monaten überschritten hatte. Das OLG Frankfurt führte hierzu aus, dass der wesentliche Unterschied zum hiesigen Fall in der dem Schiedsgericht gesetzten Frist lag: An einer solchen fehlte es hier gerade. Überdies war die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart durch den Bundesgerichtshof bereits aufgehoben worden, worauf das OLG Frankfurt im hiesigen Verfahren ebenfalls hinwies.
Die Argumentation des OLG Frankfurt scheint auf den ersten Blick nur bedingt zu überzeugen. Insbesondere scheint es an einer Würdigung des offensichtlichen Unterschiedes zwischen einer Dreiwochenfrist und einer Verspätung um ein ganzes Jahr zu fehlen. Auch die Argumentation rund um die bestehenden oder nicht bestehenden Erinnerungslücken mutet angesichts der thematischen Verwandtschaft zu „Wenn ich doch bloß wüsste, ob ich etwas vergessen habe“ etwas hilflos an.
Betrachtet man jedoch die Unterschiede zwischen Schiedsverfahren und staatlichen Gerichtsverfahren, so erklären sich die Gründe für den Beschluss deutlich leichter. Das Schiedsverfahrensrecht steht grundsätzlich in einer Tradition, sich weitgehend unabhängig von den nationalen Verfahrensregeln zu entwickeln. Dies birgt den Vorteil eines möglichst unbefangenen, potentiell fortschrittlichen Systems, welches das nationale Verfahrensrecht zwar im Blick hat, aber es sich nur unter Prüfung strenger Voraussetzungen zu eigen macht. Bei der hier vorgenommenen Prüfung ließen die Eigenarten des Schiedsverfahrens eine Anwendung nicht zu.
So sind die Angriffsmöglichkeiten der unterlegenen Partei gegen Schiedssprüche zum einen ganz bewusst auf die normierten Aufhebungsgründe beschränkt. Diese Beschränkung dient zum einen der Effizienz, zum anderen ist sie Ausdruck der Entscheidungsgewalt des Schiedsgerichts, der sich die Parteien freiwillig unterworfen haben. Mangels Rechtsmitteln führt eine Aufhebung des Schiedsspruchs schließlich zu nicht mehr und nicht weniger als der Aufhebung des Schiedsspruchs, also gewissermaßen einem Verfahrensende ohne Ergebnis. Diese Folge würde einen wesentlich stärkeren Eingriff darstellen als lediglich eine Verweisung an die nächsthöhere Instanz und muss daher strengeren Voraussetzungen unterliegen.
Die möglichen Aufhebungsgründe sollen zudem nicht rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden können, um unliebsame Schiedssprüche aus dem Weg zu räumen. Eine Öffnung des ohnehin schon umfassenden Begriffs des verfahrensrechtlichen ordre public kann weitreichende Konsequenzen für zukünftige Schiedsverfahren haben. Auch aus diesem Grund sind klare Schranken erforderlich. So kann vor allem nicht schon jeder Verstoß gegen zwingendes Recht als ordre public-Verstoß gewertet werden. Stattdessen bedarf es stets eines Widerspruchs zu wesentlichen Rechtsgrundsätzen oder Gerechtigkeitsvorstellungen. Einen solchen konnte das Gericht in diesem Fall nicht feststellen.
Letztlich sind die Parteien auch dank des Antrags nach § 1038 ZPO im Vergleich zu Parteien vor ordentlichen Gerichten nicht schutzlos gestellt. Hierzu bedarf es aber einer zuvor vereinbarten Frist.
Für Vertragsparteien, die ein Ad-hoc-Schiedsverfahren vereinbaren wollen, bietet sich die Überlegung an, dem Schiedsgericht eine Frist zum Erlass des Schiedsspruchs zu setzen, damit der Weg zu einem Antrag nach § 1038 ZPO nicht versperrt ist.
Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass Parteien eines Schiedsverfahrens sich nicht auf die aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit bekannten Rechtsschutzmöglichkeiten verlassen können, sondern sich immer auf die Eigenarten des Schiedsverfahrens und seine besonderen Rechtsschutzmaßnahmen einstellen sollten. Mit der Maßgabe des ordre public bietet das Schiedsverfahrensrecht den Parteien Schutz, ohne ihnen zu viel Spielraum für eine Aufhebung des Schiedsspruch im Falle des Unterliegens zu lassen. Und das ist am Ende auch gut so.
Der Beschluss kann nachgelesen werden unter beck online: OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 17.5.2021 – 26 Sch 1/21, BeckRS 2021, 11890 (zu der Aufhebung nach § 1059 Absatz 2 Nr. 1 lit. d ZPO siehe die Rn. 47-53).
Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
Köln
Laura Strosing
Associate
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Laura Peters
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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