07.04.2022

Digitalisierung scheitert an Virengefahr

Hintergrund

Die Entscheidung:

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 09.03.2022 (AZ: 4 W 119/20) entschieden, dass ein Anhang zu einer E-Mail erst dann als zugegangen gilt, wenn er tatsächlich geöffnet wurde. Danach wird eine im Anhang einer E-Mail abgegebene Willenserklärung also nicht wirksam, solange der Empfänger den Anhang zur E-Mail nicht öffnet.

Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Abmahnschreiben und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung als Anhang zu einer E-Mail übermittelt wurden. Der Empfänger bestritt den Zugang und behauptete die E-Mail nicht erhalten, jedenfalls aber die Dokumente im Anhang nicht geöffnet zu haben.

Das OLG Hamm ist der Auffassung, dass das Öffnen von Anhängen ein Virenrisiko berge und vom Empfänger daher nicht verlangt werden könne. Der Zugang sei daher erst mit tatsächlichem Öffnen des Anhangs erfolgt.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung scheint „aus der Zeit gefallen“ und ist rechtlich nicht nachvollziehbar.

Nichtsdestotrotz hat die Entscheidung des OLG Hamm weitreichende Konsequenzen für die Praxis. Die im Wirtschaftsleben übliche und fast ausschließliche Kommunikation per E-Mail mit dem Austausch von Dokumenten und Unterlagen als Anhang begegnet damit immenser Rechtsunsicherheit.

Der Versender sieht sich dem Risiko ausgesetzt, dass jedenfalls die Anhänge zu seinen E-Mails als nicht zugegangen gelten, wenn der Empfänger diese nicht nachweislich geöffnet hat. Das führt dazu, dass dem Empfänger bei unliebsamen Anlagen die Option offensteht, deren Zugang zu bestreiten und diese so unter Umständen als gegenstandlos zu betrachten sind.

Beim Versand vertragsrelevanter Unterlagen sind daher Vorkehrungen treffen, um auch den nachweisbaren Zugang der Anhänge zu E-Mails sicherzustellen.

Eine Möglichkeit ist beispielsweise die telefonische Nachfrage beim Empfänger, ob die E-Mail erhalten und die Anlagen geöffnet wurden. Die Bestätigung ist in einer entsprechenden Telefonnotiz zu dokumentieren und aufzubewahren.

Für den Alltag im Unternehmen bedeutet diese Entscheidung eine weitere Hürde auf dem Weg zur beweissicheren Kommunikation. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese verfehlte Entscheidung zeitnah korrigiert wird.

 

Autor/in
Iris Glönkler

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Annkathrin Egerer-Tratt

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