12.08.2020

Die Krise des Geschäftspartners: Worauf Unternehmer achten sollten

Blog

Hintergrund

Nicht erst seit der sogenannten „Coronakrise“ müssen sich Unternehmen mit dem Szenario der wirtschaftlichen Krise eines Geschäftspartners auseinandersetzen und diese meistern. Dank der guten Konjunktur der letzten Jahre mag dieses Thema zwar etwas in den Hintergrund gerückt sein, an Bedeutung hat es tatsächlich aber nie verloren. Das Ziel lautet dabei stets: „Schadensbegrenzung“.

Wir meinen: Unter dem Stichwort „Schadensbegrenzung“ lässt sich deutlich mehr erreichen als dies heute oft der Fall ist. Dies kann insbesondere dann gelingen, wenn (spätestens) die ersten Krisenanzeichen ernst genommen werden, die Geschäftsbeziehung dann unmittelbar auf den Prüfstand gestellt wird und im Falle der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung konsequent insolvenzrechtliche Risiken einkalkuliert werden. Hierzu gehört vor allem das Insolvenzanfechtungsrisiko.

Zur Veranschaulichung hier (nur) ein Beispielsfall

Hersteller A vertreibt seit 30 Jahren seine Produkte über den Händler B im deutschen Markt. Das vereinbarte Zahlungsziel beträgt 60 Tage. Händler B kann der wachsenden Konkurrenz im deutschen Markt nur schwer standhalten, er gerät immer mal wieder in Zahlungsverzug. Nachdem die Außenstände erheblich angewachsen sind, macht sich Hersteller A ernsthafte Sorgen und sperrt Händler B (nach entsprechender Ankündigung) für weitere Lieferungen. B zahlt daraufhin „was er kann" und A gibt die Lieferungen frei. Das Prozedere (Zahlungsverzug, Lieferstopp) wiederholt sich sodann immer mal wieder über einen Zeitraum von zwei Jahren. Dann kommt es wie es kommen muss: B stellt ein Insolvenzantrag. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt der Insolvenzverwalter von A die Rückzahlung aller von A erlangten Zahlungen der letzten vier Jahre vor Insolvenzantragstellung, d.h. rund EUR 1 Million. A ist empört, schließlich hat er seine Lieferpflichten stets erbracht; er hat ja auch nur die Bezahlung der Ware erlangt, also das, was vereinbart war.

Mit der Insolvenzanfechtung darf der Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen wie zum Beispiel Zahlungen des Schuldners rückgängig machen. Mit diesem Rückgängigmachen wird der Bestand des Schuldnervermögens wiederhergestellt, damit – so jedenfalls die dahinter stehende Theorie – die Gesamtheit der Gläubiger (nach Abzug der Verfahrenskosten) davon profitieren kann. Die Insolvenzanfechtung ist ein wichtiges Mittel zur Erhöhung der Insolvenzmasse.

Im Grundsatz sind Rechtshandlungen anfechtbar, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung wird von der Rechtsprechung sehr weit ausgelegt und umfasst im Prinzip jede werthaltige Verkürzung des Schuldnervermögens.

Allerdings soll die Insolvenzanfechtung der Insolvenzmasse keine Vorteile verschaffen, die ihr ohne die Rechtshandlung auch nicht zugestanden hätten. Deshalb können unter Umständen wirksame Sicherungsrechte (zum Beispiel der Eigentumsvorbehalt) einen Anfechtungsschutz bilden.

Außerdem muss der Insolvenzverwalter die sog. besonderen Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 130 ff InsO darlegen und beweisen. Ohne hier zu sehr ins Detail gehen zu wollen sind insoweit zwei Punkte wesentlich: zum Einen der Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz des Schuldners und zum anderen die Kenntnis des Gläubigers davon.

Zwar ist kein Gläubiger in der Lage, seinem Geschäftspartner (Kunden) „in die Bücher“ zu schauen, so dass dem Gläubiger der tatsächliche Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz in der Regel tatsächlich nicht bekannt ist. Die Rechtsprechung arbeitet hier jedoch mit diversen Indizien, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners hindeuten:

Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Es ist also zu fragen: Wie war das Zahlungsverhalten des Schuldners und welche Hinweise hatte der Gläubiger, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen lassen.

Die widerholte Akzeptanz ständiger Zahlungszielüberschreitungen und der erklärte Lieferstopp wirken sich in dem Beispielsfall rückwirkend betrachtet für den Gläubiger negativ aus. Eine „dauerhaft schleppende Zahlungsweise“ kann Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben. Werden verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vorgenommen, kann dies ggf. auch eine entsprechende Indizwirkung zu Lasten des Gläubigers haben. Dies sind nur einige Beispiele in denen sich der Gläubiger so behandeln lassen muss, als habe er Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit seines Geschäftspartners gehabt.

Aber immerhin: In dem Beispielsfall begann der Zahlungsverzug des Händlers B ca. zwei Jahre vor Insolvenzantragstellung. Der Anfechtungszeitraum von vier Jahren ist von den Indizien daher nicht erfasst. A muss aber dennoch die erlangten Zahlungen der letzten zwei Jahre an die Insolvenzmasse zurück zahlen.

Handlungsempfehlungen

Wir empfehlen: Die Bedeutung von Sicherungsrechten bei den Vertragsverhandlungen sollte nicht unterschätzt werden. Bei Krisenanzeichen (z.B. Zahlungsverzug, Mahnungen, Stundungsbitten o. Ä.) sollte für die Bestimmung des Anfechtungszeitraums zuerst sehr genau geprüft werden, wann die ersten Anzeichen dieser Art vorlagen. Weiter ist zu klären, ob die Geschäftsbeziehung zwingend fortgesetzt werden muss (wie im Beispielsfall – wichtiger Absatzmarkt). Bei der Fortsetzung ist es sodann ratsam, Neuforderungen nur unter Beachtung der Kriterien eines Bargeschäftsprivilegs entstehen zu lassen. Wir empfehlen die Vereinbarung eines Zahlungsziels von 14 Tagen sowie die konsequente Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Zahlungsziele. Sollte dies nicht möglich sein, empfehlen wir das Risiko „Insolvenzanfechtung“ in den eigenen Büchern konsequent zu berücksichtigen, um Überraschungen in der eigenen Bilanz zu vermeiden.

Autor/in
Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong)

Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong)
Partnerin
München
christiane.kuehn@luther-lawfirm.com
+49 89 23714 24756