24.04.2024

Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes – Neue Wege für den Klimaschutz?

Hintergrund

Seit langem steht der Klimawandel im Mittelpunkt internationaler Debatten und politischer Maßnahmen. Angesichts der fortschreitenden Notwendigkeit, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und die Erderwärmung zu begrenzen, sind Länder weltweit gefordert, effektive Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. In diesem Zusammenhang war die Einführung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (nachfolgend: KSG) im Jahr 2019 durch den Gesetzgeber ein wichtiger Schritt, um einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (nachfolgend: BVerfG) vom 29. April 2021 wurden Bestimmungen des KSG in Teilen mit den Grundrechten für unvereinbar erklärt. Nach diesem Beschluss und mit Blick auf das europäische Klimaziel für das Jahr 2030, hat die Bundesregierung am 12. Mai 2021 die erste Neufassung des KSG vorgelegt. Die entsprechende Gesetzesnovelle ist am 31. August 2021 in Kraft getreten.

Nach monatelangen Verhandlungen wurde nun am 16. April 2024 eine weitere Neufassung des KSG verabschiedet. Im  Mittelpunkt der Novellierung stehen insbesondere die Einführung von Jahresemissionsgesamtmengen sowie die Abkehr vom bisherigen System der sektoralen Sofortprogramme.

Welche neuen Zielsetzungen bestehen?

Ursprünglich beinhaltete das KSG ein Reduktionsziel von 55 % der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis 2030 sowie Klimaneutralität bis 2050. Nach dem Beschluss des BVerfG und mit der ersten Novellierung wurde das Ziel der Klimaneutralität auf das Jahr 2045 herabgesetzt. Diese Klimaschutzziele bleiben mit der jetzigen Neufassung des Gesetzes unverändert.

Wer wird zukünftig erfasst?

Das KSG erfasst – wie bisher – keine konkreten Maßnahmen zur Erreichung der Reduktionsvorgaben. Das Gesetz beschränkt sich vielmehr auf Vorgaben zum Klimaplanungsrecht. So muss die Bundesregierung Klimaschutzprogramme auflegen, die sodann wiederum die einzelnen Maßnahmen für die jeweiligen Sektoren konkretisieren. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt in der Regel durch Gesetze oder Verordnungen.

Welche Änderungen sind vorgesehen?

Mit der Novellierung des Gesetzes soll der Schwerpunkt insbesondere auf zukünftigen CO₂-Emissionen liegen und nicht mehr wie bisher auf vergangenen Zielverfehlungen.

Jahresemissionsgesamtmengen statt Sektorziele

Die alte Fassung des KSG sah für eine Erreichung des Klimaschutzziels die Festlegung von maximal zulässigen Jahresemissionsmengen je Sektor vor. Die Festlegung erfolgte für die Sektoren: Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges. Allerdings zeigten Studien anhaltende Überschreitungen der zulässigen Jahresemissionsmengen in den einzelnen Sektoren.

Mit Verabschiedung dieser Novelle wurden diese Sektorziele abgeschafft. Stattdessen wurden sektorübergreifende Jahresemissionsgesamtmengen (sog. CO2-Budget) festgelegt. Dies bedeutet, dass für die Einhaltung der Jahresemissionsgesamtmengen nicht mehr jeder Sektor isoliert zu beurteilen ist. Stattdessen sind nun die kumulierten Gesamtemissionsmengen aller Sektoren entscheidend für die Beurteilung, ob die Zielvorgaben beziehungsweise das CO2-Budget für das jeweilige Jahr eingehalten wurden. Eine Folge dieser Änderung ist, dass eine Überschreitung des Emissionsziels durch einen Sektor, durch das Unterschreiten eines anderen Sektors ausgleichen werden kann.

Abkehr vom bisherigen System der sektoralen Sofortprogramme

Nach der alten Fassung des KSG wurde bei einem Überschreiten der zulässigen Jahresemissionsgesamtmengen für einen Sektor auf das vergangene Kalenderjahr abgestellt. Mit der Novellierung soll zukünftig durch Projektionsdaten eine Prognose über zukünftige Entwicklungen gestellt werden. Wenn diese Projektionsdaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren aufweisen, dass bei aggregierter Betrachtung aller Sektoren die Summe der Treibhausgasemissionen in diesen Jahren die Summe der zulässigen Jahresemissionsgesamtmengen überschreitet, sollen entsprechende Maßnahmen zur Nachsteuerung erfolgen. Die Bundesregierung hat sodann die zu ergreifenden Maßnahmen spätestens innerhalb eines Jahres beschließen.

Geänderte Anforderungen an das Klimaschutzprogramm

Auch nach der Novellierung besteht weiterhin die Verpflichtung zur Erstellung eines Klimaschutzprogramms. Dieses enthält konkrete Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung die Klimaschutzziele bis 2045 erreichen will. Die Bundesregierung hat das Programm spätestens zwölf Monate nach Beginn ihrer Legislaturperiode zu beschließen. Nach der alten Fassung des KSG sollte die Bundesregierung mindestens nach jeder Fortschreibung des Klimaschutzplans ein Klimaschutzprogramm beschließen. Darüber hinaus sollte bei Zielverfehlungen eine Aktualisierung des bestehenden Klimaschutzprogramms erfolgen.

In der Novellierung besteht nun lediglich die Verpflichtung zur Prüfung einer Aktualisierung des Klimaschutzprogramms nach Fortschreibung des Klimaschutzplans. Eine zwangsläufige Änderung ist nicht mehr vorgesehen. Zudem besteht mit dem Wegfall der Sofortprogramme keine Verpflichtung mehr zur Aktualisierung des Klimaschutzprogramms um Maßnahmen nach den Sofortprogrammen.

Stärkung des Expertenrates für Klimafragen

Der unabhängige Expertenrat für Klimafragen wurde bereits bei der Verabschiedung des KSG eingeführt. Dieser setzt sich aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen zusammen. Zu den Aufgaben des Expertenrates gehören insbesondere die Prüfung und Bewertung der Emissionsdaten, das Erstellen eines Gutachtens über die Entwicklungen der Treibhausgasemissionen sowie die Bewertung von Trends bezüglich der Jahresemissionsmengen.

Mit der Novellierung des KSG werden die Aufgaben des Expertenrates stellenweise angepasst und seine Rolle insgesamt gestärkt. Zukünftig soll der Expertenrat die Beschlussvorlage der Bundesregierung bei Feststellung einer zweimal hintereinander erfolgten Überschreitung der Jahresemissionsgesamtmengen prüfen. Zudem kann der Expertenrat zukünftig Gutachten zur Weiterentwicklung geeigneter Klimaschutzmaßnahmen auf Basis der Emissions- sowie Projektionsdaten erstellen. Die Ergebnisse dieses Gutachtens hat die Bundesregierung bei ihren Maßnahmen bezüglich der Überschreitung der Jahresemissionsgesamtmengen und dem Beschluss von Klimaschutzprogrammen zu berücksichtigen. Diese Kompetenzerweiterungen sind damit eng an den im EU-Klimagesetz vorgesehenen Wissenschaftlichen Klimaschutz-Rat angelehnt.

Ausblick - Fortschritt oder Rückschritt?

Laut ExpertInnen wurde die erneute Novellierung aufgrund von anhaltenden Verfehlungen nationaler Klimaschutzziele und Überschreitungen der Jahresemissionsmengen als dringend notwendig erachtet. Daher könnte die Überarbeitung des KSG grundsätzlich als einen positiven Schritt für den nationalen Klimaschutz angesehen werden.

Die Novellierung sieht weiterhin ehrgeizige Klimaschutzziele vor, was sowohl ein wichtiger Beitrag zum globalen Kampf gegen den Klimawandel als auch ein Signal an die Weltgemeinschaft darstellt. Das gemeinsame Ziel der Treibhausgasneutralität Deutschlands bis zum Jahr 2045 soll weiterhin bestehen.

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass es in Zukunft zu Herausforderungen bei der Verfolgung nationaler Klimaschutzziele und Emissionsmengen geben könnte. Dies ist insbesondere auf die Berücksichtigung der Annahmen und Projektionsdaten für zukünftige Entwicklungen – ohne Kenntnis der zukünftigen weltpolitischen Ereignisse – zurückzuführen.

Gleichwohl könnte die damit einhergehende Abschaffung sektoraler Klimaschutzziele als notwendiger Schritt zur Vereinfachung von Vorgängen in der Klimapolitik angesehen werden. Allerdings könnte der durch diese Änderung augenscheinliche Entzug der Verantwortung der Bundesministerien für die Einhaltung der sektoralen sowie der Gesamtziele zu etwaigen Herausforderungen führen. Dies könnte wiederum unter Umständen zukünftig zu einer Erschwerung der Erreichung der sektorübergreifenden Ziele führen. 

Hingegen der zukünftigen ex-post-Betrachtung hätte eine Berücksichtigung von europarechtlichen Vorgaben zur Festlegung von verpflichtenden CO2-Emissionshöchstwerten die Effektivität des KSG erhöhen und die Zielerreichung sicherstellen können.

Insgesamt bleibt daher abzuwarten, ob anhand der Novellierung, die Transparenz der Annahmen zum Verbrauch der CO₂-Emissionen sowie deren Überprüfung durch den Expertenrat geklärt werden kann.

Eine abschließende Einschätzung zum Erfolg der Novelle werden unter Umständen sodann durch deutsche oder europäische Gerichte erfolgen.  

Autor/in
Dennis Gerdes

Dennis Gerdes
Legal Consultant
Hamburg
dennis.gerdes@luther-lawfirm.com
+49 40 18067 25905