25.11.2022
Autoren: Tatjana Giutronich, LL.M. (UNSW) und Robin Reichel
Die Autoren bedanken sich bei Dr. Thomas Gohrke (Partner, Luther) und David Wölting (Senior Associate, Luther) für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags. Update zu unserem Beitrag vom 4. Mai 2022: „Umgang mit schnell steigenden Energie- und Heizkosten (Vermieterleitfaden)“ (abrufbar unter: https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/blog/detail/umgang-mit-schnell-steigenden-energie-und-heizkosten-vermieterleitfaden).
„Es besteht hoher klimapolitischer Handlungsbedarf im Gebäudesektor“, betonen das BMWK und das BMWSK:1 Immerhin entfallen ca. 35 % des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs2 und ca. 15 % der CO2-Gesamtemissionen auf Gebäude.3 Dabei bietet der Gebäudesektor große Energieeinsparpotentiale. Deswegen nimmt die Bundesregierung den Gebäudesektor zur Erreichung der auf EU-Ebene angestrebten Klimaneutralität bis 2050 (sog. Green Deal) besonders in den Blick und schafft eine zunehmende energetische Regulatorik im Immobiliensektor. Diese erfährt aktuell durch die mit der Energiekrise drohende (Gas-)Versorgungsknappheit eine weitere Verdichtung.
Mit diesem Beitrag beleuchten wir aus Sicht von Grundstücks- und Gebäudeeigentümern sowie gewerblichen Vermietern – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die wichtigsten Neuerungen einschließlich der Haftungsrisiken und zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht.
1 BMWK/BMWSB, Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 KSG für den Sektor Gebäude“, 13. Juli 2022, S. 1.
2 Deutsche Energie-Agentur (dena): https://www.dena.de/themen-projekte/energieeffizienz/gebaeude/#:~:text=Etwa%2035%20Prozent%20des%20gesamten,rund%2073%20Milliarden%20Euro%20auf. (letzter Abruf: 14. Oktober 2022).
3 BMWK/BMWSB, Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 KSG für den Sektor Gebäude“, 13. Juli 2022, S. 1.
1. Rechtslage
Der nationale Verordnungsgeber hat mit der bis zum 28. Februar 2023 befristeten „Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung“ („EnSikuMaV“) sowie mit der bis zum 30. September 2024 befristeten „Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung“ („EnSimiMaV“) (EnSikuMaV und EnSimiMaV gemeinsam die „Verordnungen“) für Gebäudeeigentümer einen Katalog an umzusetzenden Vorsorgemaßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudebereich erlassen. Hierdurch soll eine durch unnötigen Energieverbrauch verursachte Mangel- und Notfallsituation in diesem (2022/23) sowie im nächsten Winter (2023/24) vermieden oder – für den Fall ihres Eintritts – jedenfalls abgemildert werden. Die Verordnungen bilden neben der Befüllung der Gasspeicher und der Senkung des Erdgasverbrauchs in der Stromerzeugung die dritte Säule des Energiesicherungspakets.4
a) EnSikuMaV
Im Anwendungsbereich der EnSikuMaV ergeben sich für private Nichtwohngebäude – abgesehen von der allgemeinen Pflicht, den Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen nachts abzuschalten (§ 11 EnSikuMaV) sowie vom Verbot, die Türen beheizter Einzelhandelsgeschäfte offenzuhalten (§ 10 EnSikuMaV) – keine weiteren Maßnahmen.
Für öffentliche Nichtwohngebäude5 gilt zusätzlich grundsätzlich
Weiterhin trifft (alle) Eigentümer von (privaten wie öffentlichen) Wohngebäuden, die leitungsgebunden mit Gas oder Wärme beliefert werden, die Pflicht, den Mietern unverzüglich die Informationen (über Energieverbrauch und -kosten sowie -einsparpotential) weiterzuleiten, die sie ihrerseits von ihrem Gas- oder Wärmelieferanten erhalten haben (§ 9 Abs. 4 EnSikuMaV). Verfügt das Wohngebäude über mind. 10 Wohnungen, sind zusätzlich spezifische Informationen über den Verbrauch, die zu erwartenden Energiekosten und -steigerungen, die Reduktionspotentiale der jeweiligen Wohneinheit (§ 9 Abs. 2 EnSikuMaV) sowie die Kontaktinformationen einer Energieagentur oder Verbraucherschutzorganisation (§ 9 Abs. 3 EnSikuMaV) mitzuteilen.
b) EnSimiMaV
Die EnSimiMaV regelt technische Energiesparmaßnahmen in Gebäuden und verpflichtet Unternehmen dazu, Energiemanagementsysteme umzusetzen (§ 1 EnSimiMaV).
Hiernach sind Eigentümer aller Gebäude, in denen Anlagen zur Wärmeerzeugung (Heizung und Warmwasserbereitung) durch Erdgas genutzt werden, verpflichtet, bis zum 30. September 2023 bzw. bis zum 15. September 2024 eine Heizungsprüfung von einer fachkundigen Person durchführen zu lassen, deren Ergebnis in Textform festzuhalten ist (§ 2 Abs.3 EnSimiMaV), und die Heizungsanlage optimieren zu lassen (§ 2 Abs. 1 S. 1 EnSimiMaV). Gegenstand der Prüfung ist auch die Effizienz der Heizungspumpen und die Frage, ob das Heizsystem hydraulisch abgeglichen ist. Das Prüfprogramm ist in § 2 Abs. 2, §§ 3 und 4 EnSimiMaV näher geregelt.
Weiterhin sind alle6 (auch Immobilien-) Unternehmen verpflichtet, die konkret in den (gem. § 8 EDL-G durchzuführenden) Energieaudits identifizierten und als wirtschaftlich durchführbar bewerteten Maßnahmen innerhalb von 18 Monaten umzusetzen, um die Energieeffizienz in ihrem Unternehmen unverzüglich zu verbessern (§ 4 Abs. 1 EnSimiMaV). Die Umsetzung der Maßnahmen bzw. die nicht erforderliche Umsetzung wegen fehlender Wirtschaftlichkeit der Maßnahme haben sich Unternehmen bestätigen zulassen (§ 4 Abs. 2 EnSimiMaV).
2. Handlungsbedarf
Die Verordnungen sehen kein Sanktionssystem vor. Insbesondere droht im Falle einer Zuwiderhandlung kein Bußgeld, weil die Verordnungen nicht auf die entsprechende Bußgeldvorschrift verweist (§ 15 Abs.1 Nr. 1 Hs. 2 EnSiG).
Gleichwohl empfehlen wir Eigentümern und Unternehmen, den Maßnahmenkatalog (auch im Hinblick auf Ausnahmen zu prüfen und gegebenenfalls) umzusetzen und die Informationspflichten frist-, form- und inhaltsgemäß zu erfüllen und sich für die Pflicht zur Heizungsprüfung und -optimierung mit den einschlägigen technischen Gegebenheiten und Abläufen vertraut zu machen. Der hierdurch entstehende administrative und finanzielle Aufwand sollte in die Unternehmens- und Finanzplanung einfließen. Insbesondere die Pflicht zur Umsetzung der Energieeffizienzmaßnahmen wird zu einer erheblichen Mehrbelastung führen.
1 Siehe amtliche Begründung der EnSikuMaV sowie der EnSimiMaV.
2 Das sind solche Gebäude, die nach ihrer Zweckbestimmung nicht überwiegend Wohnzwecken dienen und im Eigentum bzw. in der Nutzung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts – bzw. des Privatrecht oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft, soweit diese öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge erbringt und unter der Kontrolle einer Gebietskörperschaft steht – stehen.
3 Sofern der Energieverbrauch in den letzten drei Jahren durchschnittlich mind. 10 GWh jährlich betrug.
1. Rechtslage
Abzuwarten bleibt, ob den Verordnungen (Öffentliches Recht) von der Rechtsprechung eine „Ausstrahlungswirkung“ in das Mietrecht (Zivilrecht) zugesprochen wird (der Verordnungsgeber hat eine solche ausdrücklich nur für Mieter in § 3 EnSikuMaV anerkannt, indem er deren Pflicht aussetzt, durch eigene Handlungen eine Mindesttemperatur zu gewährleisten). Sollte dies nicht erfolgen, kann sich hier eine gewisse Diskrepanz ergeben: Einerseits schafft die EnSikuMaV Beheizungsverbote (für Gemeinschaftsflächen) sowie Temperaturvorgaben (max. 12 bis 19 Grad Celsius in Arbeitsräumen), andererseits ist der Vermieter nach etablierter Rechtsprechung mietvertraglich zu einer ausreichenden Wärmeversorgung des Mieters (grundsätzlich mind. 20 Grad Celsius7) verpflichtet.
Denn nach dem gesetzlichen Grundsatz schuldet der Vermieter nicht nur die Gebrauchsüberlassung der Mietsache (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB), sondern auch die Erhaltung der Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Hierzu zählt auch die Sicherstellung einer ausreichenden Wärme- und (Warm-)Wasserversorgung der gewerblichen Mieträume.8 Dabei umfasst die Vermieterpflicht im Zweifel (das heißt ohne ausdrückliche Vereinbarung) über die Zurverfügungstellung des Zugangs zu den erforderlichen Einrichtungen und Anschlüssen (zur mietereigenen Versorgung) hinaus auch die Lieferung von Wärme und (Warm-)Wasser an den Mieter, und zwar durch Abschluss entsprechender Versorgungs-/ Lieferungsverträge. Dies gilt insbesondere dann, wenn die erforderlichen Einrichtungen durch den Vermieter betrieben werden (z. B. bei einer Zentralheizung).9
Gelingt es dem Vermieter nicht, die geschuldete Wärme- und Warmwasserversorgung ausreichend sicherzustellen, droht die Annahme eines Mietmangels und damit eine potentielle Vermieterhaftung, die
reichen kann.10 Die Geltendmachung derartiger Gewährleistungsrechte stellt aus Vermietersicht – von Mietausfällen über Zahlungspflichten bis hin zum kündigungsbedingten Leerstand und Schadensersatz – ein erhebliches Haftungs- und Kostenrisiko dar.
2. Handlungsbedarf
Für Vermieter bedarf es daher einer Prüfung des mietvertraglichen Pflichtenkatalogs in Ansehung des Energieversorgungskonzepts. Dort, wo eine Vermieterhaftung konkret droht, sollten die Haftungsvoraussetzungen und -ausnahmen (z. B. Verordnungen, §§ 275 oder 313 BGB) genau geprüft und u. U. Gespräche mit den Mietern aufgenommen werden. Droht sie demgegenüber nur abstrakt, kann bei entsprechender Gelegenheit über einen schriftformkonformen Nachtrag mietvertraglich nachgesteuert werden (Haftungsausschluss oder Mieterpflicht zur eigenen Wärme- und Warmwasserversorgung). Auch die (freiwillige) Vornahme baulicher Veränderungen zur energetischen Modernisierung (z. B. Installation von Solaranlagen, Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen etc.) zur Gewährleistung einer energetischen Gebäudeautarkie kann perspektivisch zu erwägen sein (§ 555b Nr. 1 BGB). In diesem Zusammenhang hat der Vermieter die einschlägigen Voraussetzungen (z. B. frühzeitige Modernisierungsankündigung in Textform mit den notwendigen Angaben, § 555c BGB) sowie Rechtsfolgen (Sonderkündigungsrecht des Mieters, § 555e BGB sowie Möglichkeit der Kostenumlage auf den Mieter über Mieterhöhung oder über Nebenkosten, vorbehaltlich vertraglicher Regelung) zu beachten.
7 Hübner/Griesbach/Fuerst, Lindner-Figura Handbuch Geschäftsraummiete, 4. Auflage, Kap. 14, Rn. 263.
8 Hübner/Griesbach/Fuerst, Lindner-Figura Handbuch Geschäftsraummiete, 4. Auflage, Kap. 14, Rn. 263.
9 BGH, Urteil vom 22.8.2018, Az.: VIII ZR 99/17; Hübner/Griesbach/Fuerst, Lindner-Figura Handbuch Geschäftsraummiete, 4. Auflage, Kap. 14, Rn. 210; Häublein, MüKo BGB, 8. Auflage, § 535, Rn. 88.
10 Rechtsprechung zur Anwendung der Institute der Unmöglichkeit (§ 275 BGB) und Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei verpflichtenden Energieeinsparmaßnahmen nach den Verordnungen oder bei Gasversorgungsknappheit ist abzuwarten.
1. Rechtslage
An das Recht zur Vornahme energetischer Modernisierungen schließt sich die Pflicht zur Vornahme energetischer Sanierungen an. Mit dem zum 1. November 2020 in Kraft getretenen Gebäudeenergiegesetz („GEG“), das das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zusammenführt, werden die EU-Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden umgesetzt. Das GEG bezweckt einen möglichst sparsamen Energieeinsatz in Gebäuden einschließlich einer zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien zur Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom für den Gebäudebetrieb (§ 1 GEG). Zur Erreichung dieser Zielsetzung schafft es ein neues, einheitliches und aufeinander abgestimmtes Regelwerk für die energetischen Anforderungen an zu errichtende und bestehende Wohn- und Nichtwohngebäude, soweit sie nach ihrer Zweckbestimmung unter Energieeinsatz beheizt oder gekühlt werden, sowie an die entsprechenden Anlagen und Einrichtungen der Luft-/ Beleuchtungstechnik sowie der Warmwasserversorgung (§ 2 Abs. 1 GEG).11 Unter anderem sind folgende Regelungen enthalten:12
2. Handlungsbedarf
Der sich aus dem GEG ergebende Handlungsbedarf ist durch einen hohen Grad an technischen Normen geprägt. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, die bautechnischen Anforderungen und die Ausführung mit einem fachkundigen Ingenieur im Detail zu besprechen. Ergibt sich hier ein Sanierungsbedarf, sollte dieser umgesetzt werden. Widrigenfalls droht eine Geldbuße i. H. v. bis zu 50.000,00 EUR (§ 108 GEG). Eine Überprüfung erfolgt lokal durch einen Schornsteinfeger im Rahmen der Feuerstättenschau. Vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden Kapazitätsengpässe an fachkundigen Ingenieuren empfehlen wir eine möglichst frühzeitige Terminvereinbarung. Sollte sich dennoch kein Ingenieur finden lassen, sollten die Bemühungen zumindest dokumentiert werden, um zur Vermeidung eines drohenden Bußgeldes später das mangelnde Verschulden nachweisen zu können.
11 BT-Drs. 19/16716, S. 105.
12 Auch die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden vielmehr nur ausgewählte Pflichten vorgestellt.
13 Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 25 GEG handelt es sich hierbei um ein Gebäude, das eine sehr gute Gesamtenergieeffizienz aufweist und dessen Energiebedarf sehr gering ist und, soweit möglich, zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden soll.
1. Rechtslage
Zu beobachten ist weiterhin eine Pflicht zur Installation von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie wie Photovoltaik-Anlagen („PV-Anlagen“). Zwar konnte sich eine PV-Pflicht auf Bundesebene (im Zuge der Gesetzgebung des GEG und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021)) bislang nicht durchsetzen.14
Gleichwohl haben zahlreiche Bundesländer (Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) – in unterschiedlichem Intensivierungsgrad – Pflichten für Bauherren bzw. Eigentümer von Grundstücken zur Installation (und zum Betrieb) von PV-Anlagen auf Gebäudedächern bzw. über offenen Parkplatzflächen normiert. Weitere Länder (Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern) befinden sich derzeit in entsprechenden (fortgeschrittenen) Gesetzgebungs- bzw. Planungsprozessen, sodass hier zeitnah mit vergleichbaren Pflichten zu rechnen ist. In anderen Ländern (Brandenburg, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) liegen demgegenüber noch keine Pläne zur Einführung einer PV-Pflicht durch (einfaches) Landesgesetz vor.
Dies schließt jedoch eine PV-Pflicht (auch) in diesen Ländern nicht kategorisch aus. Denn bereits mit der Klimaschutznovelle des Baugesetzbuchs (BauGB) (2011) hatte der Bundesgesetzgeber den Kommunen (Städten und Gemeinden) die Möglichkeit eröffnet, aus städtebaulichen Gründen eine PV- sowie Solarthermie-Pflicht in Bebauungsplänen festzusetzen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. b) BauGB). Von dieser Befugnis ist jedoch bislang nur vereinzelt Gebrauch gemacht worden (z. B. in Marburg und Kaiserslautern).15
In der bundesstaatlichen Gesamtschau ergibt sich folgendes Bild:16
In den jeweiligen Landesgesetzen, in denen (zukünftig) eine PV-Pflicht vorgesehen ist, greift diese zeitlich in Abhängig von der (vollständigen) Einreichung der Bauantragsunterlagen bzw. vom Baubeginn, wobei variierende Stichtage zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden bzw. freien Parkplatzflächen sowie zwischen Neubau und (grundlegender) Erneuerung / Sanierung der Dachhaut bei Gebäuden festzustellen sind (zwischen 1. Januar 2022 und 1. Januar 2025).
2. Handlungsbedarf
Aus der gesetzlich bzw. im Bebauungsplan normierten Pflicht zur Installation von PV- bzw. Solarthermie-Anlagen folgt eine Reihe rechtlicher Fragen, die aus Sicht des Eigentümers bzw. des Bauherrn zu beantworten sind:
14 Longo/Stryi-Hipp, KomunalPraxis spezial 2021, 131 (132).
15 Longo/Stryi-Hipp, KomunalPraxis spezial 2021, 131 (132 ff.).
16 Eigene Darstellung (Stand: 25. November 2022; zur Darstellung der PV-Pflicht durch Landesgesetz: siehe im Einzelnen unter A.IX. Annex0).
17 Die Muster-BauO ist ein von der Bauministerkonferenz als Orientierungswert für die Länder entwickelter „Standard“, der durch die Länder im Rahmen ihrer Bauordnungskompetenz beliebig abgeändert werden kann. Die Muster-BauO beansprucht insofern keine Verbindlichkeit. Maßgeblich sind allein die BauO der Länder.
18 Im Hinblick auf die Begründung von Sicherungseigentum erlangt unter anderem die bautechnische Verbindung der PV-Anlage mit dem Gebäude besondere Bedeutung: Handelt es sich um eine „Indachmontage“ (bei der Dachziegel eingespart werden) wird die PV-Anlage als ein wesentlicher Bestandteile des Gebäudes zu qualifizieren sein, der das Schicksal des Gebäudes teilt und nicht isoliert veräußert werden kann, womit Sicherungseigentum ausscheidet (§§ 93, 94 BGB). Anders verhält es sich bei der regelmäßig anzutreffenden „aufgeständerten Montage“. Vgl. Krauß Immobilienkaufverträge in der Praxis, 9. Auflage, Rn. 1343 ff.
19 Schlinkeri, BeckOGK, § 581 BGB, Rn. 94.
1. Rechtslage
Mit dem zum 25. März 2021 in Kraft getretenen „Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz“ („GEIG“) hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen geschaffen, die Möglichkeiten für das Laden von E-Fahrzeugen zu Hause, am Arbeitsplatz und bei der Erledigung alltäglicher Besorgungen zu verbessern – und zwar durch Schaffung einer vorbereitenden Leitungsinfrastruktur (Schutzrohre für Elektro- und Datenleitungen) für die E-Mobilität als auch durch die Bereitstellung von Ladepunkten. Hierdurch soll ein wichtiger Beitrag zur Förderung der Nutzung von E-Fahrzeugen geleistet werden.20
Das GEIG adressiert sowohl zu errichtende als auch bestehende Wohn- und Nichtwohngebäude (sowie gemischt genutzte Gebäude) mit größeren Parkplätzten:
Flankierend zum GEIG hat der Gesetzgeber im Zuge des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEGMoG) die Stärkung der E-Mobilität auch in anderen Bereichen des Immobilienwirtschaftsrechts vorangetrieben: So kann der (Wohnungs- und Gewerbe-) Mieter nun verlangen, dass der Vermieter ihm bauliche Veränderungen der Mietsache – soweit zumutbar – erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dient (§§ 554, 578 BGB). Zudem steht jedem Wohnungseigentümer der Anspruch auf angemessene bauliche Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dient, zu (§ 20 Abs. 2 WEG). Der Anspruch bezieht sich nur auf das „Ob“ der Maßnahme (Beschlussfassung); über das „Wie“ entscheiden die Eigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.22
2. Handlungsbedarf
Wir empfehlen Bauherren und Eigentümern von Grundstücken und Gebäuden eingehend zu prüfen, ob sie Verpflichtete i. S. d. GEIG sind und – bejahendenfalls – die einschlägigen Maßnahmen umzusetzen. Widrigenfalls droht eine Geldbuße i. H. v. bis zu 10.000,00 EUR (§ 15 GEIG). Wird der errichtete Ladepunkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sind ergänzend die Vorgaben der „Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für elektrisch betriebene Fahrzeuge“ (Ladesäulenverordnung), insbesondere hinsichtlich technischer Sicherheit und Interoperabilität (§ 3), punktuelles Aufladen (§ 4) sowie Anzeige- und Nachweispflichten (§ 5) zu beachten.
Mit der offenen Formulierung des Gesetzgebers im GEIG („dafür zu sorgen“) halten wir es für denkbar, dass der Eigentümer als Vermieter die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen eines (Individual-)Mietvertrags auch auf den Mieter überbürden kann und die Verletzung der Mieterpflicht mit einer Vertragsstrafe sanktioniert ist. Von der formularvertraglichen Vereinbarung (als AGB) derartiger Klauseln raten wir demgegenüber ab, weil das Risiko besteht, dass es sich hierbei um eine sog. überraschende Klausel handelt, die dann nicht Vertragsbestandteil würde (§ 305c BGB).23
Außerdem sollte die mit der Ausführung der entsprechenden Maßnahmen verbundenen Mehrkosten - nach Schätzungen des Nationalen Normenkontrollrates i. H. v. 2.300,00 EUR bis 2.700,00 EUR pro Gebäude für Leitungsinfrastruktur und i. H. v. 3.700,00 EUR bis 8.700,00 EUR je Ladepunkt24 – in die Unternehmens- und Finanzplanung einfließen. Im Sinne einer möglichst weitreichenden Kostendeckung empfehlen wir, sich einen Überblick über die zur Verfügung stehenden (staatlichen) Förderprodukte und -programme zu verschaffen und diese gegebenenfalls in Anspruch zu nehmen.25 Zu beachten ist auch die Mitteilungspflicht gegenüber dem Netzbetreiber (§§ 5 Abs. 2 GEIG, 19 Abs. 2 NAV). Zudem sollten entsprechenden Installations- und Wartungsverträge sollten rechtssicher ausgestaltet werden. Der Betrieb der Ladepunkte kann (analog der PV-Pflicht) auch hier durch einen Dritten erfolgen, wobei dann die Rechtsbeziehungen zum Betreiber entsprechend rechtskonform auszugestalten sind.
20 BT Drs. 19/19366, S. 1.
21 Gem. Definition in Titel I des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission (ABl. L124 v. 20. Mai 2003, S. 36) liegt ein „KMU“ unter zwei kumulativen Voraussetzungen vor: (1.) Das Unternehmen beschäftigt weniger als 250 Personen und (2.) erzielt einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro oder seine Jahresbilanzsumme beläuft sich auf höchstens 43 Millionen Euro
22 BT Drs. 19/18791, S. 63; Hügel, BeckOK BGB, § 20 WEG, Rn. 11.
23 Immobilienanwälte, Ausgabe 2022/23, S. 11.
24 BT-Drs. 19/19366, S. 9.
25 Hinsichtlich Stellung von Sicherheiten für etwaige Rückzahlungspflichten stellen sich vergleichbare Fragen wie bei der Installation von PV-Anlagen (siehe hierzu A.IV.2.).
1. Rechtslage
Als Teil Klimaschutzprogramms sind Unternehmen, die fossile Brennstoffe (Heizöl, Erdgas, Benzin, Diesel) in den Verkehr bringen, verpflichtet, eine CO2-Abgabe zu zahlen (Rechtsgrundlage: Brennstoffemissionshandelsgesetz). Die Brennstofflieferanten reichen diese CO2-Abgabe erfahrungsgemäß an die Abnehmer weiter. Soweit Mieter durch den Vermieter mit Wärme und Warmwasser werden, hat der Vermieter diese CO2-Abgabe bisher seinerseits als Teil der Heizkosten an den Mieter zu 100 % umgelegt (im Rahmen der Heizkostenabrechnung).
Eine solche Umlage ist mit dem am 10. November 2022 durch den Bundestag beschlossenen Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz („CO2-Kostenaufteilungsgesetz“) künftig nicht mehr möglich: Vermieter sind ab dem 1. Januar.2023 zwingend verpflichtet, sich an der Umlage der CO2-Abgabe zu beteiligen. Hierdurch sollen im Verhältnis von Vermieter und Mieter Anreize gesetzt werden, die Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich zu reduzieren, und zwar dadurch, dass die Nutzer eines Gebäudes zu energieeffizientem Verhalten und Gebäudeeigentümer zu Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme und zu energetischen Sanierungen angereizt werden (§ 1 CO2-Kostenaufteilungsgesetz).
2. Handlungsbedarf
Der Anreiz des CO2-Preises für mehr Klimaschutz und Energieeffizienz wirkt so nun auch im Mietverhältnis: Die Regelung hebt insgesamt die Aufgabe von Vermietern hervor, Gebäude mit klimafreundlichen Heizsystemen auszustatten und für eine gute Dämmung zu sorgen. Gleichzeitig bleibt die Eigenverantwortung der Mieter bestehen, möglichst sparsam und effizient zu heizen, indem ein Teil der CO2-Kosten weiterhin auf sie umgelegt wird.
Wir empfehlen Vermietern, gründlich zu prüfen, ob und in welchem Umfang sie sich an den CO2-Kosten beteiligen müssen. Im Rahmen der Heizkostenabrechnung hat der Vermieter den auf den Mieter entfallenden Anteil an den CO2-Kosten, die Einstufung des Gebäudes bzw. der Wohnung sowie die Berechnungsgrundlagen auszuweisen (§ 7 Abs. 4 CO2-Kostenaufteilungsgesetz). Wir erwarten vor diese Hintergrund einen Mehraufwand für Vermieter, die im Rahmen der Heizkostenabrechnung nun Angaben etwa zur Energiebilanz und zum CO2-Ausstoß machen müssen; für jedes Gebäude muss nun ermittelt werden, wie klimafreundlich es ist. Den Plänen zufolge sollen den Vermietern aber alle für die Berechnung erforderlichen Daten an die Hand gegeben werden. Bestimmt der Vermieter den auf den einzelnen Mieter entfallenden Anteil an den Kohlendioxidkosten nicht oder weist er die erforderlichen Informationen nicht aus, hat der Mieter das Recht, den gemäß der Heizkostenabrechnung auf ihn entfallenden Anteil an den Heizkosten um 3 % zu kürzen (§ 7 Abs. 4 CO2-Kostenaufteilungsgesetz) (sog. private enforcement).
Die neben den politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Klima- und Energiekrise implizierten rechtlichen Neuerungen in Bezug auf Grundstücke und Gebäude schaffen eine zunehmende Regulatorik im Immobiliensektor.
Aus unserer Sicht entstehen hierdurch jedoch nicht nur (finanzielle) Mehrbelastungen, sondern werden auch Potentiale zur Erweiterung von Geschäftsfeldern für (institutionelle) Immobilieninvestoren und Bestandshalter geschaffen: Gerade bei Neubauten in Quartieren kann z. B. in Erwägung gezogen werden, die errichteten Ladepunkte für E-Fahrzeuge sowie die PV-Anlagen auch benachbarten Eigentümern zugänglich zu machen (sog. Quartierslösung) und den mit der hauseigenen PV-Anlage erzeugten Strom für den Betrieb der Ladepunkte oder die Stromversorgung der Mieter (des gesamten Quartiers) einzuspeisen und auf diesem Wege über eine Stromkaufvereinbarung (Power Purchase Agreement) gewinnbringend zu verkaufen.
Hierfür empfehlen wir aus steuerlichen und haftungsrechtlichen Gesichtspunkten, den Betrieb derartiger Anlagen über eine selbstständige Betreibergesellschaft vorzunehmen, die die PV-Anlagen(-Flächen) bzw. Ladepunkte mietet bzw. pachtet. Überschüssiger, nicht für die Mieterversorgung benötigter Strom kann dieser sodann vermarkten, wobei auch eine Gewinn-/Umsatzbeteiligung des Immobilieneigentümers in Erwägung gezogen werden kann. Grundsätzlich gibt es hierfür mehrere Möglichkeiten für die Vermarktung von Überschussmengen, zum Beispiel die Einspeisung in das Allgemeine Stromnetz, eine Direktvermarktung an Dritte über eine Stromkaufvereinbarung (Power Purchase Agreement) oder die Teilnahme an Ausschreibungen. Zu beachten ist jedoch, dass PV-Anlagen ab einer bestimmten Leistung ausschreibungspflichtig werden.
Denkbar ist folgendes Konzept (für die Vermarktung von Überschussmengen über das allgemeine Stromnetz):
Ob derartige Konzepte sowie die Regulatorik für Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden geeignet ist, einen hinreichenden Beitrag des Immobiliensektors für das auf EU-Ebene angestrebte Ziel der Klimaneutralität zu leisten oder ob die Regulierungstendenzen der Immobilienwirtschaft weiter vorangetrieben werden (müssen), bleibt mit viel Spannung abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!
Zu sämtlichen Fragen des Immobilien- und Baurechts beraten Sie die branchenerfahrenen Experten unserer Praxisgruppe Real Estate & Infrastructure. Durch die enge Zusammenarbeit mir unseren weiteren Praxisgruppen (z. B. Energy, Tax, Umweltrecht, Corporate/M&A) können wir Sie in sämtlichen flankierenden Fragen umfassend aus einer Hand beraten (z. B. bei der Entwicklung eines steueroptimierten Konzepts für eine autarke Energieversorgung von Gebäuden).
Land | Regelung |
Baden-Württemberg |
|
Bayern | In Kabinettssitzung am 28.6.22: Änderung der BayBauO beschlossen: Solaranlage auf Dachfläche bei
|
Berlin | § 3 Abs. 1 SolarG: PV-Anlage aufnicht-öffentlichen Gebäuden26 (Nutzungsfläche > 50 qm²) bei
|
Brandenburg | Keine Pläne bekannt |
Bremen | Dringlichkeitsantrag der Bürgerschaft/in Planung: Solarpflicht für alle Neubauten und bei grundlegender Sanierung bestehender Dächer |
Hamburg | § 16 Abs. 2 KlimaschutzG: Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie auf Dachfläche bei
|
Hessen | Geplant / Gesetzentwurf vom 5.7.22:
|
Mecklenburg-Vorpommern | In Planung |
Niedersachsen |
|
Nordrhein-Westfalen | § 8 Abs. 2 BauO NRW: PV-Anlage bei Neubau eines offenen und Nicht-Wohngebäude dienenden Parkplatzes (> 35 Stellplätze für KfZ) – Stichtag: Eingang des Bauantrags ab 1.1.22 |
Rheinland-Pfalz |
|
Saarland | Landdesregierung hält Solarpflicht für möglich, keine konkreten Pläne |
Sachsen-Anhalt | Keine Pläne bekannt gegeben |
Sachsen | Keine Pläne bekannt gegeben |
Schleswig-Holstein |
|
Thüringen | Keine Pläne bekannt gegeben |
26 Für öffentliche Gebäude enthält § 19 Abs. 3 und Abs. 4 EWG Sonderregelungen
Tatjana Giutronich, LL.M. (UNSW)
Senior Associate
Hannover
tatjana.giutronich@luther-lawfirm.com
+49 511 5458 11177