05.11.2020
Die zweite Welle der Corona-Infektion hat die Bundesregierung und die Länderregierungen dazu bewogen, erneut das Wirtschaftsleben erheblich zu beschränken. Zwar handelt es sich dabei im Gegensatz zu den im Frühjahr 2020 ergriffenen Maßnahmen bislang nur um einen „Lockdown Light“, es kommt jedoch erneut zu massiven Einschränkungen. Betroffen sind insbesondere Gastronomie und Freizeiteinrichtungen, die schließen müssen. Steigen die Infektionszahlen weiter, ist auch ein vollständiger Lockdown nicht auszuschließen.
Viele der betroffenen Unternehmen haben sich noch nicht von den Folgen der Maßnahmen im Frühjahr erholen können. Die von Bund und Ländern gewährten Unterstützungspakete helfen – wenn überhaupt – nur ansatzweise. Es stellt sich daher die Frage nach einer weitergehenden Staatshaftung für die finanziellen Folgen des Lockdowns. Eine klare gesetzliche Regelung hierzu gibt es nicht. Inzwischen liegen aber erste Entscheidungen erstinstanzlicher Zivilgerichte vor. Diese sprachen sich durchgängig gegen Entschädigungsansprüche aus (LG Heilbronn, Urt. v. 29.4.2020 – I 4 O 82/20, NVwZ 2020, 975; LG Hannover, Urteil vom 9.7.2020 – 8 O 2/20, NJW-RR 2020, 1226; LG Berlin, Urteil vom 13.10.2020 2 O 247/20).
Als Anspruchsgrundlagen für eine intensiv diskutierte Haftung des Staates für pandemiebedingte Belastungen kommen neben dem Entschädigungsanspruch aus dem allgemeinen Polizeirecht, z.B. § 39 OBG NRW und Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB i.Vm. Art. 34 GG in Betracht. Ebenso werden Ansprüche auf Entschädigung wegen enteignungsgleichem Eingriff aus Art. 14 GG diskutiert. Insbesondere aber verfügt das Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf dem die Beschränkungen beruhen, mit § 56 und § 65 IfSG über zwei spezielle Entschädigungsvorschriften. Hier stellt sich die Frage einer jedenfalls analogen Anwendbarkeit auf Fälle der im Lockdown angeordneten Betriebsschließungen.
Die drei Landgerichte hatten Entschädigungsansprüche von Gaststättenbetreibern bzw. einem Friseur zu überprüfen, die aufgrund des Lockdowns im Frühjahr schließen mussten. Einhellig entschieden sie, dass § 56 IfSG sich direkt nur an Personen richte, die als Infizierter oder aufgrund eines Verdachtsfalles in Anspruch genommen wurden, nicht jedoch bei allgemein angeordneten Schließungen durch Rechtsverordnung. Eine analoge Anwendung lehnten die Gerichte mit unterschiedlichen Gründen ab: Das LG Heilbronn meinte, dass es aufgrund der staatlichen Hilfen an einer Regelungslücke fehle. Das Landgericht Hannover dagegen lehnte die Voraussetzungen einer Analogie mit der Begründung ab, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Entschädigungsregelung für Pandemiefälle entschieden habe. Dem schloss sich das Berliner Gericht an.
Auch ein Anspruch aus § 65 IfSG, unmittelbar oder analog, scheitert dem LG Berlin zufolge an der allgemeinen Ausrichtung des Betriebsverbots. Eine Entschädigung im Rahmen des § 65 IfSG komme nur bei Einzelfallmaßnahmen in Betracht. Die Landgerichte in Hannover und Heilbronn argumentierten zudem, die Regelungen des IfSG gingen im Wege der Spezialität den Entschädigungsgrundlagen des allgemeinen Polizeirechts vor.
Das Landgericht Berlin setzte sich schließlich intensiv mit dem Bestehen eines Amtshaftungsanspruches auseinander, verneinte diesen jedoch im Ergebnis. Es begründete dies mit dem fehlenden konkreten Drittbezug der Betriebsschließungsanordnungen, deren verordnungsrechtliche Grundlage sich an die Allgemeinheit gerichtet hätte.
Auch einen Entschädigungsanspruch aus einem Eigentumseingriff sowie einem enteignungsgleichen Eingriff lehnten die Gerichte ab. Zwar sei durch den Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das Eigentumsgrundrecht betroffen, ein Entschädigungsanspruch komme jedoch nur bei einem individuellen Eingriff in Betracht. Nach Auffassung des Landgerichts Hannover fehle an schließlich an einem Sonderopfer der betroffenen Unternehmer. Denn alle ähnlichen Betriebe seinen gleichermaßen betroffen.
Das Landgericht Berlin verneinte das Vorliegen eines Sonderopfers hingegen mit Verweis auf die kurze Dauer der Maßnahmen. Bei nur absehbar vorübergehenden Schließungen entspreche die Betriebsuntersagung dem allgemeinen Lebens- und Unternehmensrisiko und sei damit kein Sonderopfer. In der Begründung seiner Entscheidung deutete es jedoch auch an, dass es bei längeren Schließungen durchaus Anlass zur Gewährung einer Entschädigung bestehe. Die Anspruchsgrundlage hierfür ließ das Gericht offen.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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