03.06.2024
Autoren: Stephanie Quaß und Katharina Rübel
Ende 2023 hat das Bundesjustizministerium seinen Referentenentwurf zu einem Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vorgestellt, der im April 2024 als Regierungsentwurf durch den Bundestag ging. Der Entwurf erfuhr auch grundsätzlich Zustimmung des Bundesrats, letzte Details werden aktuell noch in den Ausschüssen geklärt.
Neben einem Schwerpunkt auf neuen Regelungen zum Strafverfahren dient der Entwurf der weiteren Digitalisierung der Justiz in allen Verfahrensordnungen. Zivilrechtlich relevant wird neben der ab 2026 ausschließlich vorgesehenen elektronischen Aktenführung unter anderem der Übergang zu anwaltlichen Erklärungen per Scan in Konstellationen, in denen nach wie vor die Papierform vorgesehen ist.
Erleichterung bei Formerfordernissen
Der Gesetzentwurf bietet Erleichterungen zur Wahrung der prozessualen Schriftform, vgl. § 130a ZPO. Ein in Papierform von der Partei unterschriebene Antrag kann aktuell nicht von deren Rechtsanwalt „in Vertretung“ elektronisch eingereicht werden. Beispielhaft hierfür ist der Insolvenzantrag. Solche Erklärungen sollen nach dem Entwurf nun auch für einen anderen abgegeben werden können. Handschriftlich unterzeichnete Anträge und Erklärungen können künftig eingescannt und dann formwahrend elektronisch durch einen anderen eingereicht werden. Bei Einreichung des Scans reicht dann die Signatur des Übermittelnden. Gleiches soll zum Beispiel auch für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gelten.
Eine weitere Erleichterung betrifft rechtsanwaltliche Vergütungsrechnungen, welche bislang nur dann elektronisch übermittelt werden können, wenn diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Dies führt zu einem erheblichen Mehraufwand. Durch die geplante Änderung des § 10 RVG ist eine solche Signatur nun nicht mehr notwendig. Es reicht die Textform und somit die einfache Übersendung der Rechnung.
Formfiktion bei prozessualen Erklärungen
Bislang ist problematisch, dass Rechtsanwälte zwar verpflichtet sind, alle Erklärungen gegenüber dem Gericht elektronisch einzureichen, aber nicht alle Erklärungen in dieser Form auch materiell wirksam sind. So muss beispielsweise eine Kündigungserklärung, wenn sie in einem laufenden Gerichtsverfahren erklärt wird, noch einmal per Post an die Gegenseite übermittelt werden, um die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform zu wahren. Die geplante Formfiktion in § 130e ZPO soll dies ändern. Mittels Formfiktion soll die gesetzlich vorgeschriebene Form als eingehalten gelten und die Kündigung damit allein im Gerichtsverfahren (form-)wirksam erklärt werden können. Dafür reicht es aus, dass die Kündigung oder eine andere Willenserklärung in einem Schriftsatz gegenüber dem Gericht in elektronischer Form eingereicht wird und diese dann vom Gericht an den Empfänger übersandt oder diesem mitgeteilt wird.
Die Regelung dient dem Ziel der medienbruchfreien Kommunikation, denn sie macht parallele Kommunikationswege überflüssig. Der Gleichlauf mit dem Arbeitsrecht soll durch § 46h ArbGG hergestellt werden, wobei aktuell noch eine Hinweispflicht zu Beginn des Schriftsatzes zum Schutz des Arbeitnehmers diskutiert und geprüft wird.
Hybridaktenführung möglich
In der Justiz laufen bereits zahlreiche, erfolgreiche Pilotverfahren zur elektronischen Aktenführung. Dabei hat es sich als nicht praxistauglich erwiesen, dass es bislang nur dann die Möglichkeit zur Führung von Hybridakten gibt, wenn diese Akten von der Pflicht zur elektronischen Aktenführung ausgenommen sind (vgl. § 298a ZPO). In der Konsequenz müssten alle Akten, die zum Stichtag der verpflichtenden Einführung der elektronischen Akte am 1. Januar 2026 noch in Papierform geführt werden, nachträglich digitalisiert werden. Um die hierfür notwendigen Personalkosten und Speicherkapazitäten zu sparen und, um zu verhindern, dass Akten komplett als Papierakte fortgeführt werden, soll nun die Hybridaktenführung erlaubt werden. Dies ist zwar ein pragmatischer Ansatz, um Ressourcen zu schonen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Digitalisierung ein Stück weit ausgebremst wird.
Änderungen im Strafverfahren
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzesentwurfs liegt in der fortlaufenden Digitalisierung im Strafverfahren. So sieht der Entwurf die Teilnahme der Verfahrensbeteiligten an der Revisionsverhandlung per Videokonferenz vor, wobei das Gericht selbst weiterhin im Gerichtssaal anwesend sein soll. Daneben sollen Strafanträge künftig per E-Mail oder per Online-Formular gestellt werden können, solange die Identität der antragenden Person eindeutig erkennbar bleibt.
Der Gesetzesentwurf ist ein weiterer, notwendiger Schritt hin zur Digitalisierung der Kommunikation mit der Justiz. Ob mit den Erleichterungen bzw. der Fiktion des Schriftformerfordernisses bei wichtigen Erklärungen die Schutzstandards des Schriftformerfordernisses ausgehebelt werden, wie von mancher Seite befürchtet, bleibt abzuwarten.
Stephanie Quaß
Senior Associate
Frankfurt a.M.
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