26.08.2024

Gut gemeint oder auch gut gemacht? – Die jüngsten Änderungen des BImSchG zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Genehmigungsverfahren für Energie- und Industrievorhaben in Deutschland müssen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und zur Sicherung der Energieversorgung entschlackt und beschleunigt werden. Diesem Ziel dient die jüngste Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) mit zahlreichen Änderungen. Diese betreffen nicht nur Anlagen der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und Elektrolyseure, sondern auch Industrieanlagen.

Überblick über die wesentlichen Neuerungen

Im Wege der Änderung des BImSchG hat der Gesetzgeber verschiedene Neuerungen durchgesetzt, die sich im Wesentlichen unter die sechs Schlagworte „Vereinfachung der allgemeinen Anforderungen“, „Fristen“, „Rechtsicherheit“, „Digitalisierung“, „Projektmanagement“ und „Repowering“ einordnen lassen.

Vereinfachung der allgemeinen Anforderungen

  • Erleichterungen im Bereich der Zulassung des vorzeitigen Beginns, § 8a BImSchG: Die Notwendigkeit einer positiven Prognoseentscheidung für das Gesamtvorhaben durch die Genehmigungsbehörde entfällt, wenn sich die Genehmigung auf eine Anlage auf einem bereits bestehenden Standort bezieht oder lediglich Änderungsgenehmigung angestrebt wird
  • verstärktes Gebrauchmachen von „Vorbescheidverfahren“ nach § 9 Abs. 1a BImSchG zur Vorabklärung einzelner, zentraler Fragen für das Projekt
  • Nachreichen von Unterlagen, welche für das Projekt nur mittelbare/nachrangige Bedeutung haben
  • Erfordernis der Erörterungstermine ist nur noch fakultativer Natur, entfällt bei Windenergieanlagen und Elektrolyseuren für Wasserstoffe gänzlich

Fristen

  • Verkürzung der behördlichen Rückmelde- und Entscheidungsfristen
  • keine unbegrenzte Fristverlängerung mehr, für Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien oder zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gar keine Fristverlängerung möglich
  • Beginn der Genehmigungsfrist wird mit der Novelle des BImSchG strikt festgelegt
  • Zuständige Behörde hat innerhalb von sieben bzw. drei Monaten (im vereinfachten Verfahren) über die Genehmigung zu entscheiden, § 10 Abs. 6a S. 1 BImSchG; unter Darlegung bestimmten Voraussetzungen (§ 10 Abs. 6a S. 2, 3 BImSchG) ist einmalige Fristverlängerung von drei Monaten möglich
  • Überschreitung der Frist durch die zuständige Behörde löst allerdings keine Genehmigungsfiktion aus und bleibt insofern sanktionslos

Rechtssicherheit

  • Aufnahme einer Legaldefinition zur „Vollständigkeit der Antragsunterlagen“ in § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV sowie zum „Vollständigkeitsdatum“
  • (Eil-)Rechtsschutzverfahren soll beschleunigt werden

Digitalisierung

  • Erörterungstermine künftig auch in Form einer Onlinekonsultation oder einer Video- oder Telekonferenz (§ 10 Abs. 6 BImSchG)
  • Antragstellung auf elektronischem Weg

Projektmanagement

  • Stärkung der Stellung des Projektmanagers durch dessen verpflichtenden Einsatz auf Antrag des Vorhabenträgers, § 2b der 9. BImSchV und durch Erweiterung des Katalogs an Aufgaben, welche durch den Projektmanager betreut werden

Repowering (§ 16b BImSchG)

  • Erleichterung des Repowering: Keine Betreiberidentität zwischen dem Altanlagenbetreiber und dem Neuanlagenbetreiber mehr erforderlich, vgl. § 16b Abs. 10 BImSchG, kein Erörterungstermin im Prüfverfahren mehr
Auswirkungen und Fazit

Mit der Novelle des BImSchG hat der Bundesgesetzgeber umfangreiche Maßnahmen getroffen, um dem Genehmigungsprozess die bürokratischen Hürden zu entziehen und das Verfahren zu verschlanken. Das neue BImSchG bringt durch die zahlreichen Änderungen im Genehmigungsverfahren selbst, die verkürzten Fristenregelungen und die Digitalisierung des Prozesses ein großes Beschleunigungspotential mit sich.

Wie so oft, steckt der Teufel jedoch im Detail: Die Konsequenzen mancher Änderung werden sich erst im Rahmen der konkreten Anwendung des neuen BImSchG zeigen. Dies gilt etwa für die Möglichkeit, dass Vorhabenträger unter der Übernahme des Risikos einer möglichen Nichterteilung der Genehmigung bereits vor endgültiger Genehmigungserteilung mit ihrem Vorhaben beginnen können. Wie viele Vorhabenträger von dieser Möglichkeit schlussendlich Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten.

Auch ist fraglich, ob die Kapazitäten der Genehmigungsbehörden mit der Durchführung von Vorbescheidverfahren nicht bereits ausgelastet sind und so die Genehmigungsverfahren insgesamt eher verzögert statt beschleunigt werden. Darüber hinaus sind selbst die kürzesten und starrsten Fristen nur dann ein probates Mittel zur Beschleunigung von Prüfverfahren, wenn die notwendigen Kapazitäten und Arbeitsressourcen zur Durchführung solcher Prüfungen gegeben sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn behördliche Verzögerungen weiterhin sanktionslos bleiben.

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Autor/in
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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