18.05.2022

Immaterialgüterrechtlicher Schutz von Künstlicher Intelligenz

Hintergrund

Künstliche Intelligenz (KI) ist das Thema der Zukunft. Bereits jetzt können automatisierte Systeme so trainiert werden, dass sie ganze Kunstwerke im erlernten Stile Rembrandts erschaffen oder etwa einen achten Harry Potter Roman in der adaptierten Schreibsprache von J. K. Rowling anfertigen. Die kommenden Entwicklungen sind nicht weniger als weitreichend und das Einsatzpotenzial von KI ist enorm. Das Missbrauchspotenzial aber auch. Nicht nur stellen sich ethische Grundfragen, etwa in Bezug auf den Einsatz von Sexrobotern, auch gewinnt die Frage nach den aus dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz resultierenden und der KI selbst zustehenden Recht zunehmend an Bedeutung.

Automatisierte Systeme als neue Materie erfordern Regelungen, um Wege und Grenzen aufzuzeigen und zu etablieren. Gerade das Immaterialgüterrecht sieht sich hier mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert: Der Schutz der teuren Entwicklungen ist essenziell, das bestehende Recht aber ursprünglich nicht auf einen Schutz derartiger Entwicklungen ausgelegt. Und was ist mit Erfindungen, die durch eine KI und damit nicht durch den Menschen als Schöpfer erschaffen wurden? Derartige (noch) offene Fragestellungen sind in großer Zahl vorhanden. Ob und inwieweit KI durch das Immaterialgüterrecht Schutz erfährt, soll im Folgenden erörtert werden.

A. Schutz automatisierter Systeme

I. Patentschutz

Zunächst kommt ein Schutz von KI durch das Patentrecht infrage. Die Patentierung einer Erfindung gibt die Befugnis zu ihrer Nutzung. Voraussetzung für den Patentschutz ist nach § 1 Abs. 1 Patentgesetz (PatG), dass die Erfindung eine technische Lösung betrifft, die neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist. Notwendig ist eine sog. Lehre zum technischen Handeln, d.h. eine Anweisung zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges. Kurz gefasst: ein Patent gibt es nur für Erfindungen, bei denen es knallt und zischt.

Ein patentrechtlicher Schutz reiner Softwareprogramme ist vom PatG ausgeschlossen, soweit der Schutz des Computerprogramms als solches verlangt wird. Es fehlt insoweit an der Lösung eines Problems mithilfe von Naturkräften und damit an der Lehre zum technischen Handeln.

Wird die Software jedoch mit technischen Komponenten kombiniert, kann ein Patentschutz greifen. Das PatG kann die computerimplementierte Erfindung als solche schützen. Möglich wird dies, soweit aus der Erfindung Anweisungen resultieren, die zur Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln genutzt werden können. Die notwendige Unterscheidung zwischen Computerprogrammen und computerimplementierten Erfindungen ist komplex und letztlich eine Frage des Einzelfalls.

Für die Patentfähigkeit von Software in Kombination mit technischen Komponenten empfiehlt sich eine dreistufige Prüfung:

  1. Stufe: Weist die beanspruchte Lehre die erforderliche Technizität auf?
  2. Stufe: Wird Patentschutz für ein Programm „als solches“ beansprucht?
  3. Stufe: Sind die sonstigen Voraussetzungen für den Patentschutz erfüllt?

 

II. Urheberechtsschutz

Das Urheberrecht erfasst den Schutz der Urheberpersönlichkeitsrechte, als die persönliche Beziehung des Urhebers zu seinem Werk, z. B. durch das Veröffentlichungsrecht oder die Anerkennung der Urheberschaft. Hinzu kommt ein Schutz der Verwertungsrechte, im Sinne des Schutzes der wirtschaftlichen Interessen des Urhebers, etwa durch das Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht.

Vom Urheberrecht geschützt sind im Grundsatz „Werke“ im Sinne von persönlichen geistigen Schöpfungen. Diese sind teils gesondert im Gesetz normiert. In Bezug auf KI ist die besondere Werkart des „Computerprogramms“ relevant. Eine gesetzliche Definition dafür besteht nicht. Der BGH hat es jedoch definiert als „eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“. Für einen urheberrechtlichen Schutz müssen vier Voraussetzungen gegeben sein: Es muss sich bei dem Werk um (i) eine persönliche Schöpfung (ii) in einer wahrnehmbaren Form handeln, die (iii) einen geistigen Gehalt hat und (iv) Individualität aufweist.

Als relevanter Teil der KI könnte zunächst der Schutz des Programmcodes in Betracht kommen. Die Schutzmöglichkeit ist nach dem Urhebergesetz grundsätzlich anzunehmen. Notwendig ist lediglich, dass der Programmcode an den Computer Steuerungsbefehle erteilt. Urheber ist dabei der Programmierer. Der Programmcode basiert auf seiner persönlichen geistigen Schöpfung. Das regelmäßig dahinterstehende Unternehmen in der Position des Arbeitgebers wird bei Computerprogrammen allerdings gesetzesgemäß zum Inhaber der Verwertungsrechte. Damit liegen die Nutzungsrechte sowie alle sonstigen vermögensrechtlichen Befugnisse beim Tech-Unternehmen. Das Gehalt ist die Entlohnung des Arbeitnehmers für die Programmierung.

Auch der Algorithmus als solcher könnte Schutzgegenstand des Urheberechts sein. Das Computerprogramm basiert auf einem Algorithmus als abstraktes Konzept. Dieser wird vom Programm in eine Programmiersprache umgesetzt. Der Algorithmus ist damit aber lediglich eine bloße dem Computerprogramm zugrunde liegende Idee. Eine solche ist gem. § 69a Abs. 2 S. 2 Urhebergesetz (UrhG) gerade nicht geschützt. Hinzu kommt, dass Algorithmen regelmäßig nicht individuell für ein spezielles Computerprogramm entwickelt werden. Urheberrechtlicher Schutz besteht insofern nicht.

B. Schutz für durch automatisierte Systeme geschaffene Leistungen

Doch nicht nur die KI selbst, auch die von dieser geschaffenen Werke verdienen eine gesonderte Betrachtung. Leistungen, die durch automatisierte Systeme schon jetzt erzeugt werden reichen von Bildern im Stile berühmter Künstler bis hin zu Büchern oder Videos. Die Erzeugnisse sind schließlich nicht mehr von solchen zu unterscheiden, die von einem Menschen erschaffen wurden. Auch für diese stellt sich damit die Frage nach einem möglichen immaterialgüterrechtlichen Schutz. Erzeugt hier die KI selbst eine schutzfähige Leistung und kommt ihr insoweit eine geschützte (algorithmische) Autorenstellung zu?

 

I. Patentrechtsschutz

Das Patentgesetz rekurriert hierbei auf das Erfinderprinzip: Das Patent steht dem Erfinder zu, also demjenigen, der die maßgebliche technische Lehre geschaffen oder entwickelt hat. Überwiegend wird im deutschen und europäischen Patentsystem davon ausgegangen, dass Voraussetzung für die Erfinderstellung eine natürliche Person ist. So schließen auch die Rechtsprechung und die gängige Praxis der Patentämter eine Einordnung von KI als Erfinder bislang aus. Ein Patentschutz für automatisierte Systeme selbst ist damit bislang nicht möglich. Angesichts der Leistungsfähigkeit von KI und der zunehmenden Ähnlichkeit zu kreativen menschlichen Entwicklung, ist ein zukünftige Erweiterung des Erfinder-Begriffs aber nicht auszuschließen.

Zum jetzigen Zeitpunkt kommt jedenfalls der Schutz eines Erfinders von durch KI erschaffenen Erfindungen in Betracht. Überzeugenderweise kommt diese Erfinderposition dem jeweiligen Anwender des automatisierten Systems zugute. Dieser hat das Problem identifiziert, für die KI definiert und dieser den Lösungsweg zumindest im Groben vorgegeben. Eine Erfindung und damit ein Patentschutz ist so am ehesten gegeben.

 

​​​​​​​II. Urheberechtsschutz

Dem Urheberrecht liegt das sog. Schöpferprinzip zugrunde. Ein menschliches Schaffen wird so vorausgesetzt. Elementar ist eine durch geistige Individualität geprägte persönliche Schöpfung. An dieser mangelt es aber gerade bei rein durch automatisierte Systeme geschaffenen Leistungen. Die KI selbst ist kein mit Rechtspersönlichkeit ausgezeichneter Mensch und Schöpfer, der eine individuelle geistige Leistung erbringen kann. Ein Urheberrechtsschutz kommt insofern nicht in Betracht. Dies jedenfalls insoweit, als auch dem Mensch im Prozess keine Gestaltungsmöglichkeit zukam.

Etwas anderes gilt jedoch, soweit der Mensch wesentliche Entscheidungen und den näheren Gestaltungsrahmen für die Software vorgibt und die KI lediglich als Hilfsmittel des Menschen als eigentlichen Schöpfer eingesetzt wird. Nutzt der Mensch die KI entsprechend etwa einem Fotoapparat oder einem Pinsel als bloßes Werkzeug, so entscheidet der KI-Anwender über die konkret geschaffene Form und wird durch persönliche geistige Schöpfung zum Urheber.

Das Maß an Vorgaben und Lenkung, die durch den Entwickler erfolgen müssen, damit das Werk als seine persönliche geistige Schöpfung angesehen werden kann, ist jedoch noch ungeklärt. Erforderlich ist eine Einzelfallbetrachtung hinsichtlich des Schöpfungsprozesses, was regelmäßig ein komplexer, mitunter nicht gänzlich bekannter Vorgang ist. Der Schöpfer, der sich auf den Schutz des Urheberrechts berufen möchte, ist insofern in der Beweispflicht. Erleichterung bieten hier Leistungsschutzrechte, wie zum Beispiel der Schutz als Datenbank, der lediglich an eine persönliche oder wirtschaftliche Leistung und nicht an eine persönliche geistige Schöpfung geknüpft ist.

C. Ausblick

Die verbleibenden Herausforderungen für das Immaterialgüterrecht sind offensichtlich. Die KI selbst ist momentan nur ganz eingeschränkt geschützt. Auch den durch automatisierte Systeme selbst erschaffenen Leistungen kann nur unter Hinzuziehung und wesentlicher Einflussnahme des hinter der KI-Anwendung stehenden Menschen ein Schutz zukommen. Mangels menschlicher Erfinder- bzw. Schöpferstellung der KI, ist ein Patent- bzw. Urheberrechtlicher Schutz der Entwicklungen für das automatisierte System selbst nicht realistisch. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf KI stehen noch ganz am Anfang. Es gilt damit, die weiteren Entwicklungen engmaschig zu berücksichtigen. Lücken schließen könnte vorerst ein etwaiger Schutz über das GeschGehG, wobei die dortigen Voraussetzungen erfüllt sein müssten.

Weitere Informationen
Autor/in
Christian Kuß, LL.M.

Christian Kuß, LL.M.
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