24.01.2022

Impf- und Nachweispflichtpflicht ab dem 16. März 2022 im Gesundheitssektor - Auswirkungen von § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) auf Unternehmen

Mit § 20a IfSG hat der Bundesgesetzgeber eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geschaffen. Diese gilt für Personen, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Dialyseeinrichtungen und anderen einzeln typisierten Einrichtungen und Unternehmen tätig sind, in denen sich regelmäßig eine Vielzahl von besonders vulnerablen Personen aufhält. Dieser Beitrag beleuchtet die neue Regelung und ihre Schwächen und gibt auf dieser Grundlage schließlich eine abgewogene und praktische Handlungsempfehlung für betroffene Einrichtungen und Unternehmen.

Nachweispflicht von Beschäftigten

Beschäftigte in den unter § 20a Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 IfSG aufgeführten, zum Schutz besonders vulnerabler Personen verpflichteten Einrichtungen, Unternehmen, Diensten und sonstigen Strukturen müssen ihrer Leitung bis zum 15. März 2022 einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegen, dass bei ihnen eine Kontraindikation gegen die Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt. Die Art der Beschäftigung (Arbeitsvertrag, Leiharbeitsverhältnis, Praktikum, Beamtenverhältnis etc.) ist nach der Erläuterung des Gesetzgebers irrelevant. Hintergrund ist der Schutz der vulnerablen Gruppe, die offensichtlich unabhängig von der Art des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ist. Entscheidend ist das faktische Tätigsein.

Die Leitungen haben die Pflicht, Beschäftigte, die diesen Pflichtnachweis nicht rechtzeitig erbringen, an die Gesundheitsämter zu melden. Inhaltlich zweifelhafte Nachweise sind ebenfalls zu melden. Die Gesundheitsämter können Nachweise selbst anfordern, eine ärztliche Untersuchung zu Kontraindikationen gegen die Impfung anordnen oder bei fehlender Mitwirkung bzw. fehlendem Nachweis ein Betretens- oder Beschäftigungsverbot erlassen. Beschäftigte, die ab dem 16. März 2022 eine Tätigkeit in einer der relevanten Einrichtungen aufnehmen und vorab keinen entsprechenden Nachweis erbracht haben, dürfen dort nicht tätig werden. Beschäftigte, deren Nachweise ab dem 16. März 2022 ihre Gültigkeit verlieren, müssen ihren Einrichtungsleitungen innerhalb eines Monats aktuelle Nachweise vorlegen.

Nachweispflichten anderer Personen

Klarstellungshalber vorneweg – Patienten und deren Besucher sind keine den Regelungen von § 20a IfSG unterfallende Personengruppe.

Nach beispielhafter Aufzählung des Gesetzgebers in Gesetz und Gesetzesbegründung zählen zu den nachweispflichtigen Personen auch Auszubildende, Freiwillige nach dem Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (BFDG) und dem Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG), ehrenamtlich Tätige, Praktikanten, Zeitarbeitskräfte, Hausmeister, Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Personen, die für einen längeren Zeitraum – nach der Gesetzesbegründung heißt das mehr als „jeweils wenige Minuten“ – in den relevanten Einrichtungen tätig werden, sind den Einrichtungsleitungen ab 16. März 2022 nachweispflichtig. Es fehlt ein Hinweis darauf, was denn „wenige Minuten“ sein sollen. In Anbetracht der aktuellen Vorgaben des RKI zur Kontaktpersonen-Nachverfolgung, dürfte bezogen auf die RKI-Definition enger Kontaktpersonen jedenfalls mehr als zehn Minuten einen längeren Zeitraum darstellen (dies setzt selbstverständlich das jederzeitige Tragen eines adäquaten Mund-Nasen-Schutzes voraus). Dabei ist es egal, ob die betreffenden Personen Beschäftigte der relevanten Einrichtungen bzw. des jeweiligen Trägers sind. In der Gesetzbegründung heißt es hierzu: „Auf ein konkretes Vertragsverhältnis zwischen der jeweiligen Einrichtung und der dort tätigen Person kommt es für die Verpflichtung nicht an.“ Im Ergebnis sind auch die Beschäftigten von Dienstleistern (z. B. Haustechnik, Küche, Reinigung, Hilfsmittelversorgung, Sanitätshäuser und ihre Außendienstmitarbeiter, Physiotherapie, Friseure oder Fußpflegedienste) von dieser Verpflichtung betroffen, wenn sie jeweils mehr als „wenige Minuten“ in einer Einrichtung tätig werden. Postzusteller oder Lieferanten dürften sich dagegen sicher nicht in die im Gesetz gewählte Aufzählung einfügen und auch nach ihrer Aufenthaltsdauer typischerweise nicht in den Schutzrahmen fallen.

Die Einrichtungsleitungen haben die Pflicht, auch diese nachweispflichtigen Personen, die den Nachweis nicht rechtzeitig oder unzureichend erbringen, an die Gesundheitsämter zu melden. Wieder können die Gesundheitsämter Anordnungen bis hin zu Betretens- oder Beschäftigungsverboten treffen. Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, dass Einrichtungsleitungen ab 16. März 2022 die Nachweise all derjenigen Personen prüfen, die für mehr als zehn Minuten in den Einrichtungen tätig sind. Werden Nachweise nicht erbracht, ist schon deshalb der Zutritt zu versagen. Nach dem bloßen Gesetzeswortlaut wären die Gesundheitsbehörden auch dann zu informieren, wenn z. B. der Beschäftigte eines Dienstleisters mit fehlendem oder unzureichendem Nachweis zur Erfüllung seiner Aufgaben bestimmungsgemäß in der Einrichtung tätig werden müsste. Allerdings muss es der Leitung in einem solchen Fall auch möglich sein, die betreffende Leistung abzulehnen, den Zutritt zu verweigern und von einer Meldung abzusehen. Darüber hinaus sollten Dienstleister der betreffenden Einrichtungen sicherstellen, dass die dort eingesetzten Personen die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 IfSG erfüllen. Bei Missachtung dieser Vorgaben – z. B. wegen nicht vollständiger oder nicht rechtzeitiger Meldung durch die Einrichtung oder bei fehlender bzw. nicht rechtzeitiger Vorlage eines Nachweises einer nachweispflichtigen Person – drohen Bußgelder bis EUR 2.500,00.

Zentrale Fragen ungeklärt – Bestandspersonal

Einrichtungsleitungen bleiben aufgrund des Wortlauts des § 20 a IfSG vor allem darüber im Unklaren, wie sie ab dem 16. März 2022 im Rahmen bestehender Beschäftigungsverhältnisse mit Personen verfahren sollen, die den Pflichtnachweis nicht erbracht haben.

Zwei Betrachtungsweisen sind möglich: Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass nur Personen, die ab dem 16. März 2022 ihre Tätigkeit aufnehmen, aber den Pflichtnachweis nicht erbringen, und Personen, gegen die die Behörde ein entsprechendes Betretens- oder Beschäftigungsverbot erlässt, von der Tätigkeit in einer relevanten Einrichtung ausgeschlossen sind. Leitungen müssen entsprechend dafür Sorge tragen, diesen Gruppen rechtzeitig den Zugang zu den Räumlichkeiten zu untersagen. Andererseits stellt das Gesetz in § 20a Abs. 1, wonach am 16. März 2022 alle in den betreffenden Einrichtungen tätigen Personen entweder geimpft oder genesen sein müssen oder eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 kontraindiziert sein muss, eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung für das betroffene Personal auf, die, unabhängig von möglichen Anordnungen der Gesundheitsämter, bereits als gesetzliche und arbeitsrechtliche Pflicht zu erfüllen ist. Personen, die die Tätigkeitsvoraussetzung am 16. März 2022 nicht erfüllen, können bei diesem Verständnis nicht mehr eingesetzt werden, wenn sie zur Erbringung der Tätigkeit die betreffenden Räumlichkeiten betreten müssten, ohne dass eine entsprechende behördliche Anordnung abzuwarten wäre.
Leider stellt weder das Gesetz selbst, noch dessen Begründung durch den Gesetzgeber, eindeutige Weichen für die richtige Handhabung und Auslegung der Norm. Der gebotene Schutz der vulnerablen Personen, in deren Interesse der Gesetzgeber tätig geworden ist, spricht allerdings deutlich dafür, dass ungeimpfte, nicht genesene Personen ohne attestierte Kontraindikation gegen eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ab dem 16. März 2022 die betreffenden Einrichtungen nicht mehr betreten dürfen sollen. Insoweit hilfreich ist ausschließlich der offizielle FAQ des Bundesgesundheitsministeriums. Dort heißt es in einer Antwort vom 5. Januar 2022: „Wer zum 16. März 2022 keinen Immunitätsnachweis vorlegen kann, darf nach dem aktuellen Infektionsschutzgesetz nicht in den von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen Unternehmen beschäftigt werden. Ausgenommen von der Regelung sind Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. In diesem Fall ist die Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses erforderlich.“

Fazit für die Praxis

§ 20 a IfSG ist in einigen wichtigen Punkten unklar und stellt die Normadressaten damit bis auf Weiteres vor die Herausforderung, selbst die richtigen Schlüsse ziehen und erforderliche Maßnahmen ergreifen zu müssen. Im Lichte der gesetzgeberischen Unklarheit muss eine Abwägung der richtigen Schritte im Spannungsfeld zwischen Annahmeverzugslohnrisiko, denkbarer Haftung für die Folgen einer vermeidbaren Infektionswelle innerhalb der relevanten Einrichtungen und nicht zuletzt dem deshalb drohenden Reputationsverlust gesehen werden.

Werden Mitarbeiter ab dem 16. März 2022 von einer Arbeit in den Räumlichkeiten der Einrichtungen ausgeschlossen, muss vor dem Hintergrund der unzureichenden gesetzlichen Regelung differenziert über die Frage der Lohnfortzahlung entschieden werden. Wichtig ist, dass Arbeitgeber vor dem 16. März 2022 ein abgewogenes, belastbares und einheitlich anzuwendendes Konzept entwickeln, um nicht in das Risiko der Schaffung unerwünschter betrieblicher Übungen zu laufen, die einem späteren Richtungswechsel der Strategie im Wege stehen werden.

Erst die zu erwartende Rechtsprechung wird nachträglich die Unsicherheiten bei Handhabung und Auslegung des § 20 a IfSG ausräumen. Wegen der Bedeutung der geschützten Rechtsgüter und der stetig wachsenden Größe des Risikos, dem sie ausgesetzt sind, kann hierauf allerdings nicht gewartet werden.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, ab dem 16. März 2022 allen Personen, die ihrer Nachweispflicht gem. § 20 a IfSG nicht nachgekommen sind, ein Tätigwerden in den betreffenden Einrichtungen zu verbieten. Nur so kann die vom Gesetzgeber in § 20 a Abs. 1 IfSG bestimmte Impf- bzw. Nachweispflicht termingerecht und effizient implementiert werden. Ein Zuwarten auf mögliche behördliche Betretens- oder Beschäftigungsverbote könnte den effektiveren Schutz der vulnerablen Personen wohl deutlich über den 16. März 2022 hinaus verzögern und das Risiko einer Infektionswelle innerhalb der relevanten Einrichtungen empfindlich steigern. Denn in Anbetracht der unbekannten weiteren Entwicklung der Pandemie sowie der im März verfügbaren Kapazitäten der Gesundheitsämter ist es völlig unklar, wann und wie die Gesundheitsämter Betretens- oder Beschäftigungsverbote aussprechen werden. Es wäre wünschenswert, dass die Politik diesen handwerklichen Fehler innerhalb des § 20a IfSG noch beseitigt, um Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen. Dies ist die Politik den betroffenen Einrichtungen, Trägern und Unternehmen auch schuldig. Denn durch die Implementierung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und die nun öffentlich neu entfachte Diskussion innerhalb der Regierung über eine allgemeine Impfpflicht wird die Arbeitsmarktsituation in der Pflege weiter verschlechtert. Impfunwillige Mitarbeiter – insbesondere aus Bereichen wie Haustechnik, Küche oder Reinigung – wechseln schlicht die Branche.

Mit dem Verbot des Tätigwerdens kann die Lohnzahlung eingestellt werden. Das gilt auch für den Dienstleister, der seinen bestimmungsgemäß in einer entsprechenden Einrichtung tätigen Mitarbeiter nicht mehr einsetzen darf. Das Annahmeverzugslohnrisiko für Unternehmen ist dabei überschaubar: Im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses dürfte die Leistung eines impf- bzw. nachweispflichtigen Mitarbeiters, die in den zu schützenden Räumlichkeiten zu erbringen ist, bei Nichterfüllung der Impf- bzw. Nachweispflicht als gesetzlicher Voraussetzung für die Erbringung seiner Leistung, nicht vertragsgemäß sein. Der Vertragserfüllung steht hier – nicht nur vorübergehend – entgegen, dass der Beschäftigte wegen seiner schuldhaften Verletzung der Impf- bzw. Nachweispflicht zur Leistung nicht in der Lage ist. Der Arbeitgeber seinerseits ist gesetzlich daran gehindert, die nicht vertragsgemäße Leistung anzunehmen. Damit entfällt die Pflicht zur Lohnzahlung. Das ohnehin überschaubare Annahmeverzugslohnrisiko ist bei Bestandspersonal bis zur behördlichen Anordnung eines Betretens- oder Beschäftigungsverbots höher als nach einem solchen Erlass, weil dieser die Unsicherheit über die richtige Interpretation und Anwendung des Gesetzes endgültig ausräumt.

Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Arbeitsleistung ohnehin nicht zwingend in den zu schützenden Räumlichkeiten zu erbringen ist, die Eigenart der Tätigkeit ausschließt, dass überhaupt ein Kontakt zu der vulnerablen Personengruppe bestehen kann, und die Abwägung auch der mittelbaren Infektionsrisiken mit dem Interesse an der Leistungserbringung des Mitarbeiters ergibt, dass an der Tätigkeit des Mitarbeiters festgehalten werden kann. Ein solcher Mitarbeiter, der die Impf- bzw. Nachweispflicht nicht erfüllt, wird seine Arbeitsleistung dennoch – ggf. in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt – weiter erbringen können (z. B. auch von zu Hause aus).

Die erwartungsgemäß sehr kleine Gruppe der Personen, die wegen einer attestierten Kontraindikation gegen die Impfung nicht geimpft und dennoch arbeitsfähig sind, sollte differenziert nach Einzelfällen betrachtet werden: Wenn in einer Abwägung das tatsächliche Risiko einer Ansteckung für oder durch die betreffende Person das Interesse an ihrer Arbeitsleistung überwiegt, kann die Person freigestellt werden. Die Vergütungspflicht entfällt aber nicht.

Abschließend bleibt – wenn auch redundant – der Appell an die Bundesregierung, im Falle des § 20a IfSG noch rechtzeitig Abhilfe zu schaffen und die Unklarheiten zu bereinigen.

Handlungsempfehlungen auf den Punkt gebracht

Im Hinblick auf Personen, die am 16. März 2022 nachweislich nicht geimpft oder genesen sind, ist vor diesem Hintergrund das folgende Vorgehen sachgerecht:

Bestandspersonal

  • Der Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtungen sollte ab 16. März 2022 versagt werden. (Verstoß gegen gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung)
  • Die Lohnzahlung für diese Personen sollte mit der Freistellung eingestellt werden. Das überschaubare Annahmeverzugslohnrisiko ist bis zur behördlichen Anordnung eines Betretens- oder Beschäftigungsverbots höher als danach.

Andere Personen

  • Der Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtungen muss ab 16. März 2022 versagt werden (gesetzliches Betretens- oder Beschäftigungsverbot).
  • Die Lohnzahlung für diese Personen kann risikolos eingestellt werden.

Personen, die ab dem 16. März 2022 nachweislich wegen einer attestierten Kontraindikation gegen die Impfung nicht geimpft sind

  • Nach Risikoabwägung kann eine Freistellung erfolgen, wenn nicht ohnehin aufgrund des Wesens der Kontraindikation Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
  • Der Lohn ist weiter zu zahlen.
Autor/in
Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.

Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.
Partnerin
Düsseldorf, Köln
eva.ruetz@luther-lawfirm.com
+49 211 5660 27048

Susanne Burkert-Vavilova

Susanne Burkert-Vavilova
Counsel
Essen
Susanne.Burkert-Vavilova@luther-lawfirm.com
+49 201 9220 24810