08.04.2020

Internationale Zuständigkeit bei Internetbuchungen

Hintergrund

Im Vorfeld einer klageweisen Anspruchsgeltendmachung basierend auf einem Sachverhalt mit Auslandsbezug stellt sich regelmäßig die Frage der internationalen Gerichtszuständigkeit. In der Europäischen Union beantwortet diese Frage die Verordnung Nr. 44/2001, genannt Brüssel-Ia-Verordnung oder Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (im Folgenden EUGVVO). Als Ausgangspunkt für die internationale Zuständigkeit stellt die EUGVVO bei beklagten Unternehmen auf den Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung ab. Neben diesem allgemeinen Gerichtsstand existieren jedoch auch besondere Gerichtsstände, unter anderem Art. 7 Nr. 5 EUGVVO. Dieser erlaubt es, ein Unternehmen in einem Mitgliedsstaat der EU zu verklagen, in welchem es nicht ansässig ist, wenn es sich um Rechtsstreitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung des Unternehmens handelt. Relevant wurde diese Vorschrift kürzlich in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 16. Januar 2020, Az. 16 U 208/18; vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24. Oktober 2018, Az. 2-24 O 22/18).

I. Sachverhalt

Über die deutschsprachige Internetseite “airfrance.de“, welche technisch und inhaltlich aus dem Ausland betrieben wird, hatte der Kläger und Berufungsführer ein echtes Schnäppchen gemacht: Zu einem Gesamtpreis von nur EUR 600,00 buchte er im Dezember 2017 einen Flug von San Francisco nach Paris in der First-Class, sowie einen Flug von Paris nach London in der Business-Class. Die Freude hierüber währte wohl nur kurz, denn der Kundenservice der Fluggesellschaft teilte dem Kläger bereits einen Tag später mit, dass seine Buchung wegen eines Systemfehlers storniert wurde. Der Kläger erhob daraufhin Klage gegen die französische Fluggesellschaft vor dem Landgericht Frankfurt am Main gerichtet auf Schadensersatz wegen Stornierung des Beförderungsvertrages (Ende Januar 2018 hätte ihn ein vergleichbarer Flug ca. EUR 10.500,00 gekostet). In Frankfurt am Main betrieb die beklagte Fluggesellschaft eine Zweigniederlassung. Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage in erster Instanz wegen fehlender internationaler Zuständigkeit ab.

II. Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, ließ jedoch die Revision zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Nach Ansicht des Senats fehle es am notwendigen Bezug zwischen der über die Internetseite getätigten Buchung und dem Betrieb der Zweigniederlassung in Frankfurt am Main, welche als Marketingabteilung und Sitz des Geschäftsführers für die deutsche Gesellschaft fungiert.

Im Detail: Die Buchung erfolgte über die deutschsprachige Internetseite der Fluggesellschaft, die jedoch ausschließlich aus Frankreich betrieben wird und deren Daten bei externen Providern in Paris liegen. Die deutsche Niederlassung speichert weder technische Daten für die Internetseite, noch können von dort aus Inhalte der Seite geändert werden. Dass das Flugticket als Ausgabeort unter anderem „DIR – WEB Allemagne, Frankfurt am Main“ auswies und eine Frankfurter Kontaktrufnummer für den Kläger angab, machte aus Sicht des Senats keinen Unterschied. Der reine Rechtsschein eines Bezuges zu einer Zweigniederlassung könne die internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 5 EUGVVO nicht begründen.

III. Auswirkungen für Verbraucher

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts stellt – wenig überraschend – klar, dass die reine Existenz einer Zweigniederlassung, Agentur und sonstigen Niederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat nicht per se zur Begründung eines besonderen Gerichtsstandes im Sinne von Art. 7 Nr. 5 EUGVVO führt. Notwendig ist ein Bezug der Rechtsstreitigkeit zum konkreten Betrieb der jeweiligen Niederlassung. Stehen Verbindlichkeiten im Streit, welche die Niederlassung im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Stammunternehmen eingeht und die in dem Mitgliedsstaat der Niederlassung zu erfüllen sind, geht der EuGH regelmäßig von einem Bezug zwischen dem Betrieb der Niederlassung und der Rechtsstreitigkeit aus.[1]

Die Voraussetzungen von Art. 7 Nr. 5 EUGVVO sind mithin eher hoch. Um Verbrauchern die nach Art. 7 Nr. 5 EUGVVO dann regelmäßig notwendige klageweise Anspruchsgeltendmachung in einer ausländischen Rechtsordnung zu ersparen, sieht die EUGVVO in den Art. 17 bis 19 Sonderregelungen zum Schutz der Verbraucher vor. Nach Art. 18 Abs. 1 EUGVVO hat der Verbraucher die Wahl, ob er seinen Vertragspartner in dessen Sitzstaat verklagen möchte oder an seinem eigenen Wohnsitzstaat. Gemäß Art. 17 Abs. 1 EUGVVO reicht es für die Anwendbarkeit aus, dass der Vertragspartner des Verbrauchers seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in irgendeiner Weise auf den Mitgliedsstaat ausrichtet, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat und dass der geschlossene Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Ein konkreter Bezug des Vertrages zum Betrieb einer Niederlassung des Vertragspartners ist hingegen nicht erforderlich.

Von der Ausrichtung der Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedsstaat geht der EuGH bereits dann aus, wenn ein Unternehmer seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, mit Verbrauchern aus anderen Mitgliedsstaaten Verträge zu schließen.[2] Anhaltspunkte dafür können beim Vertrieb über eine Internetseite – wie im vorliegenden Fall – sein, dass die Internetseite in der Sprache des Wohnsitzmitgliedsstaates des Verbrauchers verfasst ist und in der entsprechenden Währung bezahlt werden kann. Ein weiterer Hinweis auf die Internationalität des Angebots ist die Verwendung von Telefonnummern mit Auslandsvorwahl. Dennoch konnte sich der hiesige Kläger als Verbraucher nicht auf die verbraucherschützende Regelung des Art. 18  EUGVVO stützen. Denn der Verordnungsgeber hat Beförderungsverträge, wie den streitgegenständlichen, von der Anwendung der verbraucherschützenden Vorschriften ausdrücklich ausgenommen. Ob der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen in dieser Konstellation bestätigt, bleibt daher abzuwarten.

 


[1] EuGH, Urteil vom 22.11.1978 - 33/78

[2] EuGH, Urteil vom 7.12.2010 - C-585/08, C-144/09

Autor/in
Dr. Stephan Bausch, D.U.

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Stephanie Quaß

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