22.10.2021
Der BGH hatte über vier Parallelverfahren zu entscheiden, in denen sich Oberlandesgerichte quer durch Deutschland mit der Frage der Sonderrechtsfähigkeit von Solarmodulen bei Freiland-Photovoltaikanlagen auseinandergesetzt haben.
Kläger war in allen Verfahren der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine große Freiland-Photovoltaikanlage mit zahlreichen Solarmodulen erworben hat, die zuvor auf einem nicht der Gesellschaft gehörenden Grundstück errichtet worden war. Die Gesellschaft erhielt an dem Grundstück ein Nutzungsrecht. Ende 2010 verkaufte die Gesellschaft die Solarmodule dieser Anlage an verschiedene Kapitalanleger, die auch das Eigentum an einer bestimmten Anzahl von Modulen und einen Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Photovoltaikanlage erwerben sollten. Der Kläger hat in den vorgehenden Instanzen erklärt, dass die Kapitalanleger kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben hätten. Während das OLG Bamberg die Klage abgewiesen hat und somit den Eigentumserwerb der Kapitalanleger angenommen hat, gab das OLG Karlsruhe der Klage statt und verneinte den Eigentumserwerb. Einen Eigentumserwerb der Kapitalanleger haben im Ergebnis auch das OLG München und das OLG Bamberg (in einem Parallelverfahren) bejaht.
In seiner heutigen Entscheidung hat der BGH die vier Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an die jeweiligen Oberlandesgerichte zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Allerdings stimmt der BGH mit den Oberlandesgerichten zunächst überein, dass die Photovoltaikanlage selbst – und somit auch die Solarmodule als Teile der Anlage – keine wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks sein können. Denn die Anlage sei mit dem Grundstück nicht fest verbunden und könne auch nicht dessen Scheinbestandteil werden. Letzteres gelte zumindest für den Regelfall, wonach eine solche Anlage zum Ende der Vertragslaufzeit rückgebaut werden solle und dies schuldrechtlich zwischen den Parteien auch so festgelegt worden sei.
Der BGH stellt weiter fest, dass Solarmodule auch nicht deshalb wesentliche Bestandteile des Grundstücks seien, weil sie rechtlich als Gebäude eingeordnet werden könnten, in das die Module letztlich eingefügt würden. Denn ein Bauwerk setze hier voraus, dass seine Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und dadurch den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge habe. Genau das sei aber nach Auffassung des Senats bei einer Freiland-Photovoltaikanlage nicht der Fall. Eine solche Anlage bestehe im Regelfall aus einem Stangen- und Schienengerüst, in das die Solarmodule eingesetzt würden. Derartige Bestandteile könnten grundsätzlich ohne Beschädigung und ohne Verlust der Funktionsfähigkeit zurückgebaut werden. Die Photovoltaikanlage sei danach eine bewegliche Sache im Rechtssinne, weil sie weder ein Gebäude noch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sei.
Differenzierter bewertet der BGH die Frage, ob es sich bei den Solarmodulen um wesentliche Bestandteile der Gesamt-Photovoltaikanlage handeln könnte. Hierbei komme es darauf an, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden könnten, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist. Es kommt also auf den Zeitpunkt der Verbindung von Unterkonstruktion und Solarmodulen an. Wenn die Übertragung des Eigentums also nach Verbindung erfolgen soll, kommt es nach dem BGH darauf an, welche Folgen eine solche Herausnahme der Module zu diesem Zeitpunkt gehabt hätte. Hierzu hatten die Vorinstanzen aus Sicht des BGH keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
Hätten die bereits eingesetzten Solarmodule im Falle ihrer Herausnahme aus der Unterkonstruktion noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und in anderen Anlagen verwendet werden können, wären sie kein wesentlicher Bestandteil der Gesamtanlage geworden. Ein Eigentumserwerb (nur) an den Solarmodulen wäre dann möglich. Dies nimmt der BGH hier – Fertigstellung der Gesamtanlage und gedachte Herausnahme der Module durch die Anleger lagen beide im selben Jahr – an, ermöglicht dem Insolvenzverwalter aber weiteren Vortrag als Gegenbeweis.
Sollten die Solarmodule dann nicht als wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage anzusehen sein, müsse durch die Berufungsgerichte weiter geklärt werden, ob die jeweiligen Module in den der Übereignung zu Grunde liegenden Lageplänen hinreichend deutlich gekennzeichnet waren, um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen. Ggf. seien hier auch weitergehende Feststellungen zur Übergabe der Solarmodule und ihrer Unterkonstruktion an die Anleger zu treffen. Sollten die Solarmodule stattdessen als wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage anzusehen sein, könne sich eine Sonderrechtsfähigkeit nicht daraus ergeben, dass es sich bei den Solarmodulen um Scheinbestandteile handele, da die Photovoltaikanlage eine bewegliche Sache im Rechtssinne darstelle (siehe schon oben).
Das Urteil überzeugt in rechtlicher Hinsicht, auch wenn die erhoffte Klarheit aufgrund der Zurückverweisung an die Berufungsgerichte zunächst ausbleibt.
Wenn Kapitalanleger künftig insolvenzsicheres Eigentum an Solarmodulen erwerben wollen dürfte der sicherste Weg darin liegen, dass die Eigentumsübertragung bereits vor der Verbindung mit der Unterkonstruktion (d.h. so früh wie möglich) vertraglich geregelt wird. In praktischer Hinsicht dürfte dies aber oftmals schwierig umsetzbar sein. Daher wird es letztlich auf die Frage der Austauschbarkeit der Solarmodule ankommen, wie sie der BGH in seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Ins Verhältnis sind dabei der Zeitpunkt der Verbindung von Unterkonstruktion und Solarmodulen und der Zeitpunkt einer möglichen Herausnahme der Module zu setzen.
Insoweit ist vor allem die deutliche Aussage des BGH beachtlich, wonach es dabei keine Rolle spielen könne, ob die Gesamtanlage durch den Ausbau eines oder mehrerer Module die bisherige Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verloren hätte, weil für sie dann ein neues Fertigstellungsdatum gemäß EEG gegolten hätte. Eine solche Veränderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könne nicht dazu führen, dass die Solarmodule zu wesentlichen Bestandteilen der Anlage geworden wären.
Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass die Austauschbarkeit der Solarmodule in den meisten Fällen gegeben sein dürfte. Spannend bleibt allerdings, wo die Rechtsprechung in Zukunft eine zeitliche Grenze ziehen und somit Einschränkungen machen wird. Für den konkreten Eigentumsnachweis (gegenüber einem Insolvenzverwalter) ist schließlich die Vorlage eines konkreten Lageplans (zur Bestimmbarkeit der einzelnen Module) auch zukünftig essentiell.
Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong)
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