10.09.2024

Krankenhauszusammenschlüsse – Geplante Ausweitung der fusionskontrollrechtlichen Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 9 GWB

Hintergrund

Seit Jahren nehmen die Forderungen nach einer stärkeren Konsolidierung im deutschen Krankenhaussektor zu. Bereits im Jahr 2016 wurde daher mit Inkrafttreten des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) u.a. der Krankenhausstrukturfonds zur Förderung von erforderlichen Strukturanpassungen in der stationären Versorgung eingerichtet.

Presseberichten lässt sich entnehmen, dass Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds nach wie vor nur zögerlich von den Bundesländern abgerufen werden. [1] Vielen Krankenhausträgern scheint dabei nicht bekannt oder bewusst zu sein, dass Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds unter bestimmten Voraussetzungen (entscheidende) Erleichterungen im Rahmen der deutschen Fusionskontrolle mit sich bringen.


[1] Vgl. z.B. Deutsches Ärzteblatt vom 28. Juni 2024, „Krankenhausstrukturfonds: Noch eine Milliarde übrig“, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/240042/Krankenhausstrukturfonds-Noch-eine-Milliarde-uebrig

Geförderte Zusammenschlüsse unterfallen nicht der deutschen Fusionskontrolle

Der Gesetzgeber hatte Anfang 2021 einen zeitlich befristeten Ausnahmetatbestand für bestimmte Zusammenschlüsse von Krankenhäusern eingeführt, die ohne diese Ausnahmeregelung nur nach vorheriger Genehmigung durch das Bundeskartellamt vollzogen werden durften – und nicht in jedem Fall erteilte das Bundeskartellamt eine solche Genehmigung. Hintergrund der Regelung war die zunehmende Forderung nach mehr Konsolidierung im Krankenhaussektor bei gleichzeitig restriktiver Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts im Bereich von Krankenhausfusionen. Nach § 187 Abs. 9 GWB unterfällt ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich nicht (mehr) der deutschen Fusionskontrolle, wenn das Vorhaben u.a. eine standortübergreifende Konzentration von Krankenhäusern vorsieht und ein Bescheid auf Auszahlung aus dem Krankenhausstrukturfonds des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) [2] vorliegt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Zusammenschluss bis zum 31. Dezember 2027 vollzogen wird.

Sind die Voraussetzungen aus § 187 Abs. 9 Nr. 1-4 GWB erfüllt, bedürfen Zusammenschlussvorhaben nicht der Genehmigung durch das Bundeskartellamt. Lediglich nach Vollzug muss der Zusammenschluss beim Bundeskartellamt angezeigt werden. Das Bundeskartellamt kann einen solchen Zusammenschluss dann aber nicht mehr untersagen.


[2] Nach aktueller Rechtslage können die Länder bis zum 31. Dezember 2024 Anträge auf Auszahlung von Fördermitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds stellen, eine Verlängerung bis 31. Dezember 2025 ist jedoch zu erwarten; vgl. hierzu auch https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/blog/detail/krankenhausstrukturfonds-und-fusionskontrolle-ausnahmeregelung-des-187-abs-9-gwb-nicht-ungenutzt-lassen

Geplante Ausweitung auf Krankenhauszusammenschlüsse, die mit Mitteln des Transformationsfonds gefördert werden

Das geplante Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) [3] sieht u.a. eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 187 Absatz 9 GWB vor. Die fusionskontrollrechtliche Ausnahmeregelung soll zukünftig auch Krankenhauszusammenschlüsse erfassen, die mit Mitteln des Transformationsfonds gefördert werden.

Mit der Einrichtung eines Transformationsfonds soll in den Jahren 2026 bis 2035 ein Finanzvolumen von bis zu insgesamt 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Der Transformationsfonds zielt darauf ab, insbesondere weitere Umstrukturierungsprozesse in den Krankenhäusern, die mit dem KHVVG angestoßen werden, finanziell zu unterstützen.

Mit der Ausweitung von § 187 Abs. 9 GWB soll die mit dem Transformationsfonds bezweckte Förderung von Umstrukturierungsprozessen auch wettbewerbsrechtlich erleichtert werden.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass die Frist für den Vollzug des Zusammenschlusses – im Einklang mit der geplanten Förderperiode – bis zum 31. Dezember 2038 (aktuell: 31. Dezember 2027) verlängert wird.


[3] Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG), Deutscher Bundestag, Drucksache 20/11854.

Beantragung von Fördermitteln auch aus fusionskontrollrechtlichen Gesichtspunkten bedenken

Der Gesetzgeber macht damit im Rahmen der Krankenhausreform deutlich, dass er am fusionskontrollrechtlichen Ausnahmetatbestand für Krankenhauszusammenschlüsse in § 187 Abs. 9 GWB nicht nur festhalten will, sondern diesen zeitlich und inhaltlich ausdehnen möchte. Krankenhausträger sollten die Beantragung von Fördermitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds oder zukünftig [4] auch aus dem Transformationsfonds daher nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus fusionskontrollrechtlichen Gesichtspunkten im Blick haben.  


[4] Das KHVVG soll Anfang 2025 in Kraft treten.

Autor/in
Prof. Dr. Christian Burholt, LL.M.

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Dr. Helmut Janssen, LL.M. (King's College London)

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