04.08.2023
Autoren: Dr. Stephan Bausch, Chantal Schnitzler
Häufig machen Klageparteien neben den Hauptforderungen auch Nebenforderungen wie Verzugszinsen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten oder Mahnkosten geltend. Ihnen gemein ist, dass sie vom Bestand der Hauptforderung rechtlich abhängig sind, d.h. sofern die Hauptforderung abgewiesen wird, muss auch über eine etwaige Nebenforderung nicht mehr entschieden werden.
Eine Nebenforderung ist keinesfalls eine Nebensache, doch liegt bei Klageeingang der Schwerpunkt der Schlüssigkeitsprüfung seitens des Gerichts naturgemäß auf der Hauptforderung. Zwar hat das Gericht grundsätzlich seiner Hinweispflicht nach § 139 Abs. 4 ZPO nachzukommen, doch auch diese ist für die Nebenforderung durch § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO relativiert, denn das Gericht darf auch ohne Erörterung der Schlüssigkeit einer Nebenforderung entscheiden.
Eine Ausnahme bildet nach § 331 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Entscheidung im schriftlichen Vorverfahren. Das Gericht nimmt eine Schlüssigkeitsprüfung auch im Hinblick auf die Nebenforderungen vor, wenn die Beklagtenpartei säumig ist, also ihre Verteidigungsbereitschaft gegen eine Klage nicht rechtzeitig angezeigt hat. Hier kann eine Entscheidung bezüglich der Hauptforderung ohne mündliche Verhandlung auch dann ergehen, wenn eine Nebenforderung nicht schlüssig begründet wurde und deshalb abgewiesen wird. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Klagepartei zuvor auf die Unschlüssigkeit hingewiesen wurde. Mit solchen Hinweisen ist regelmäßig Zeitverzug verbunden – vor allem dann, wenn die Klagepartei auf den gerichtlichen Hinweis einen neuen und konkreteren Vortrag einbringt. Und da selbstverständlich auch im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens die Prozessgrundrechte nicht unterlaufen werden dürfen, ist der Beklagtenpartei vor Erlass eines Versäumnisurteils auch insoweit rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG zu ermöglichen.
Im Folgenden sollen einige praxisrelevante Nebenforderungen aufgezeigt werden, die vielfach zu Schlüssigkeitszweifeln, richterlichen Hinweisen und damit einhergehendem Zeitverlust führen.
Verzugszinsen entstehen nach §§ 288, 286 BGB bereits vor Rechtshängigkeit, wenn die Beklagtenpartei zuvor in Verzug geraten ist. Zu verzinsen sind nur fällige Forderungen. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB wirkt lediglich verzugshindernd. Allerdings wird bei einer Verurteilung Zug um Zug (d. h. Leistung der Beklagtenpartei nur gegen gleichzeitige Leistung der Klagepartei) ein geltend gemachter Zinsanspruch in der Regel nicht begründet sein.
Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB schließt ebenfalls den Verzug aus. Ist sich die Klagepartei ihrer eigenen Gegenleistungspflicht nicht bewusst, so ist sie einem Kostenrisiko ausgesetzt, da die Zug-um-Zug-Verurteilung regelmäßig zu einem Teilunterliegen führt.
Der gesetzliche Verzugszinssatz beträgt nach §§ 288 Abs.1 Satz 2, 247 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Anderes gilt für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern: Nach § 288 Abs. 2 BGB ist ein Zinssatz für Entgeltforderungen von neun Prozentpunkten festgesetzt. Unter Entgeltforderungen ist die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung von Gütern zu verstehen. Darunter fallen also gerade keine Schadensersatzansprüche, Bürgschaftsforderungen oder Darlehensforderungen.
Selbstverständlich kann auch ein höherer Zinssatz individualvertraglich vereinbart werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB erfüllt sind, also die Zinsen einem bestimmbaren Verzugsschaden entsprechen.
Wird vor Durchführung des gerichtlichen Prozesses rechtsanwaltliche Hilfe beansprucht, so können die entstandenen Rechtsanwaltskosten unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen beim Gegner als ersatzfähiger Schaden nach §§ 249 ff. BGB in Betracht kommen.
Die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung muss im konkreten Einzelfall erforderlich und zweckmäßig sein. So sprechen spezielle fachliche, insbesondere juristische Kenntnisse des Geschädigten gegen die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Zudem ist die Komplexität des Falles zu bewerten: Sind Bestehen oder Höhe des geltend gemachten Anspruchs für den Geschädigten schwer einzuschätzen, ist das Bedürfnis nach rechtsanwaltlicher Hilfe entsprechend größer, als bei einfach gelagerten Fällen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch bei diesen Sachverhalten die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten möglich ist, und zwar dann, wenn die Gläubigerpartei die Schuldnerpartei vorher ohne anwaltliche Hilfe in Verzug gesetzt hat. Dann müsse diese eine weitere Verzögerung der Erfüllung ihrer Forderung nicht hinnehmen. Vielmehr könne sie ihrem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwalts Nachdruck verleihen.1
Es spricht grundsätzlich gegen eine Erforderlichkeit rechtsanwaltlicher Hilfe, wenn die Schuldnerpartei den Anspruch vollständig anerkennt oder zumindest keine Zweifel an ihrer Leistungsbereitschaft bestehen.
1 BGH: Urteil v. 17.09.2015 – IX ZR 280/149
Alternativ zur bzw. vor der Beauftragung eines Rechtsanwalts können sich Gläubigerparteien eines Inkassounternehmens bedienen. Die Kosten für dessen Inanspruchnahme können ebenfalls einen ersatzfähigen Verzugsschaden begründen.
Gemäß § 4 Abs. 5 RDGEG aF (vgl. nunmehr § 13e Abs. 1 RDG) sind die Kosten eines registrierten Inkassodienstleisters für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, nur bis zu der Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschiften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zustehenden Vergütung als Schaden erstattungsfähig. Die Vorschrift hindert Gläubiger und Inkassodienstleister zwar nicht daran, im Innenverhältnis eine höhere Vergütung zu vereinbaren. Diese ist, soweit sie die von der Vorschrift festgelegte Obergrenze überschreitet, allerdings nicht vom Schuldner zu erstatten.
Streitig ist, ob die durch die vorgerichtliche Tätigkeit eines Inkassounternehmens entstandenen Kosten auf die spätere Verfahrensgebühr des beauftragten Rechtsanwalts anzurechnen sind. Hierfür wird angeführt, dass es von Anfang an möglich gewesen wäre, statt eines Inkassounternehmens einen Rechtsanwalt zu beauftragen, mit der Folge, dass es gemäß Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 VV-RVG, § 15a Abs. 1 RVG zu einer Anrechnung gekommen wäre. Der Bundesgerichtshof lehnt eine pauschale Kürzung der Verfahrensgebühr des erst während des gerichtlichen Verfahrens beauftragten Rechtsanwalts hingegen ab.² Demnach könne die beim Inkassodienstleister angefallene Geschäftsgebühr trotz unterbliebener Kürzung der anwaltlichen Verfahrensgebühr in voller Höhe vom Schuldner ersetzt verlangt werden. Eine Partei verstoße nicht per se gegen ihre Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB), indem sie einen Inkassodienstleister mit der außergerichtlichen Beitreibung der Forderung beauftragt und damit im Vergleich zur ausschließlichen Mandatierung eines Rechtsanwalts im Ergebnis höhere Kosten verursacht. Die Auffassung, ein Gläubiger sei zwecks vorbeugender Kostenminimierung ungeachtet der Umstände des Einzelfalls stets gehalten, von vornherein einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung und Durchsetzung einer Forderung zu beauftragen, verkenne die gesetzgeberischen Grundentscheidungen zur Stellung und zu den Befugnissen von Inkassodienstleistern. Ihre Hinzuziehung könne nicht schon deshalb als Obliegenheitsverletzung gewertet werden, weil in derartigen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt häufig ein Rechtsanwalt mandatiert werde, vgl. auch § 13c S. 3 RDG aF (nunmehr § 13f S. 3 RDG).
In jedem Fall sollten in der Klage die Gründe vorgetragen werden, warum vorerst ein Inkassodienstleister und nicht ein Rechtsanwalt in Anspruch genommen wurde. Zur Vermeidung rechtlicher Risiken sollte die Klagepartei die geltend gemachten Kosten höchstens in Höhe der standardmäßig vorgesehenen Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beziffern.
Eine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme eines Inkassounternehmens scheidet jedenfalls aus, wenn der Schuldner von Beginn an Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit demonstriert hat.
² BGH: Versäumnisurteil vom 07.12.2022 – VIII ZR 81/21
Mahnkosten können ebenfalls einen Schaden der Klagepartei darstellen, allerdings ist hier Zurückhaltung angebracht. In der Praxis beträgt die Höhe der ersatzfähigen Mahnkosten in der Regel maximal EUR 2,50. Die Kosten der verzugsbegründenden Mahnungen selbst werden jedoch nicht als Verzugsschaden ersetzt. Ein Kostenersatz scheidet auch dann aus, wenn der Schuldner auf mehrere Mahnungen hin nicht leistet.
Nebenforderungen sind Gegenstand fast jeder zivilprozessualen Klage, sodass ihre Bedeutung für jeden Prozessbeteiligten nicht zu unterschätzen ist. Nicht selten werden sie wegen ihrer im Vergleich zur Hauptforderung oft geringeren Höhe vernachlässigt; der Vortrag der Klagepartei ist hier meist deutlich oberflächlicher.
Diese kurze Betrachtung der wichtigsten Nebenforderungen zeigt, dass ihnen die notwendige Sorgfalt entgegenzubringen ist, um richterliche Hinweise, Nachbesserungsversuche und damit verbundene Zeitverzögerungen sowie finanzielle Verluste zu vermeiden.
Oftmals ist eine Interessenabwägung geboten: Bei Nebenforderungen mit geringem Streitwert wird es regelmäßig dem Interesse des Mandanten entsprechen, nicht allzu kleinlich zu verfahren. Womöglich ist es effizienter und risikoärmer, auf bestimmte Nebenforderungen zu verzichten, um das angestrebte Ziel zu erreichen und zügig einen Vollstreckungstitel zu erlangen.
Sofern es im Vorverfahren zu einem richterlichen Hinweis kommt, könnte außerdem eine Reduzierung der Nebenforderung in Betracht kommen. Eine solche ist im Gegensatz zu einer Nachbesserung des Tatsachenvortrags der Klagepartei für die Beklagtenpartei gerade nicht von Nachteil, sodass es die Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines Versäumnisurteils nicht erfordert.
Dr. Stephan Bausch, D.U.
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