22.12.2020

Umfassende Novelle des Sanierungs- und Insolvenzrechts

Das “Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz“ (SanInsFoG) kommt

Der Bundestag hat am Donnerstag, 17. Dezember 2020, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum “Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz“ (SanInsFoG) (19/24181, 19/24903, 19/25170 Nr. 1.7) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (19/2530319/25353) angenommen. 

Am 1. Januar 2020 tritt damit (jedenfalls in wesentlichen Teilen) ein Artikelgesetz in Kraft, was als Artikel 1 das „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) enthält, aber darüber hinaus in insgesamt 24 weiteren Artikeln auch zahlreichere kleinere und größere Änderungen der Insolvenzordnung, des HGB, des BGB, des GmbHG und auch des „COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes“ (COVinsAG) vornimmt.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier ein kurzer Überblick:

StaRUG

Mit dem StaRUG wird die EU Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 umgesetzt. Es ermöglicht ein „vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren“, mit und ohne Beteiligung von Sanierungsgerichten zur Abwendung der Insolvenz. Auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans und unter der Aufsicht eines „Moderators“ oder „Restrukturierungsbeauftragten“ können – bei Annahme des Plans durch eine Mehrheit der Gläubiger – insbesondere die Forderungen gegen das schuldnerische Unternehmen „gestaltet“ also vermindert werden.

In letzter Minute herausgenommen wurden die Vorschriften zur „Gestaltung von Rechtsverhältnissen“. Ähnlich wie in der §§ 103 ff. InsO hätten dadurch insbesondere (unliebsame) Dauerschuldverhältnisse beendet werden können.

Nicht eingegriffen werden kann außerdem in die Rechte der Mitarbeiter; die Lohn- und Gehaltsforderungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche etc. bleiben also in jedem Fall unangetastet.

Ebenfalls entschärft wurde vom Rechtsausschuss die Haftung der Organe.

Voraussetzung für den Zugang zum StaRUG ist eine drohende (aber noch nicht eingetretene) Zahlungsunfähigkeit, wobei der Prognosezeitraum hierfür 2 Jahre beträgt.

Änderungen der InsO

Zahlreiche Änderungen betreffen auch die Insolvenzordnung. Ebenfalls im Überblick hier die wichtigsten Anpassungen:

Die Insolvenzantragsfrist für die Überschuldung wird von drei auf sechs Wochen verlängert, wobei es dabei bleibt, dass der Antrag grundsätzlich „unverzüglich“ zu stellen ist. Die sechs Wochenfrist darf also nur ausgenutzt werden, wenn Aussichten auf eine Rettung bestehen. Als Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose wird nunmehr in § 19 Abs. 2 Satz 1 zwölf Monate festgelegt (für 2021 beträgt der Prognosezeitraum vier Monate s.u.). Für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt der Prognosezeitraum nunmehr – wie bereits geschildert – 24 Monate.

Die Regelungen zur Organhaftung bei Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 GmbH, § 92 Abs. 2 AktG etc.) wurden aufgehoben und für alle Kapitalgesellschaften (und Personengesellschaften, in denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet) einheitlich in § 15b InsO geregelt.

Neu ist, dass die Organmitglieder sich grundsätzlich darauf berufen können, dass den Gläubigern ein geringerer Schaden entstanden ist als der Zahlungsabfluss, beispielsweise, weil durch die Zahlung Vermögensgegenstände gleichen oder gar höheren Wertes in die Insolvenzmasse gekommen sind.

Ebenfalls erst im Rechtsausschuss und damit „kurz vor Toresschluss“ wurde in § 55 Abs. 4 InsO das Fiskusprivileg erweitert und in die Insolvenzordnung integriert. Damit sind sämtliche im vorläufigen Insolvenzverfahren anfallenden bundeseinheitlichen Verbrauchssteuern (also vor allem die Umsatzsteuer), Ein- und Ausfuhrabgaben, Luftverkehrs und Kfz-Steuer sowie vor allem die Lohnsteuer nunmehr im eröffneten Verfahren Masseverbindlichkeiten.

So sehr das finanzpolitisch wünschenswert sein mag, stellt es doch einen massiven Eingriff in die Logik der Insolvenzordnung dar, nach der grundsätzlich alle (ungesicherten) Gläubiger gleich behandelt werden sollen. Mit dieser Regelung gibt es jetzt wieder zumindest einen Gläubiger, der „gleicher“ ist, als die anderen.

Weitere Änderungen gibt es im Eigenverwaltungsverfahren (insbesondere: engere Zugangsvoraussetzungen; jedoch nicht für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen) und im Schutzschirmverfahren. Die zuletzt genannten Änderungen beruhen auf der ESUG Evaluation, die nach dem Willen des Gesetzgebers durchzuführen war.

Änderungen des COVInsAG

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die wegen der Pandemie überschuldet sind, wird bis zum 31. Januar 2021 verlängert. ACHTUNG: Die Verlängerung betrifft NICHT solche Unternehmen, die zahlungsunfähig sind. Für diese gilt bereits seit dem 1. Oktober 2020 wieder die uneingeschränkte Insolvenzantragspflicht!

Für Unternehmen die aufgrund der Pandemie zur Stellung eines Insolvenzantrages gezwungen sind, gibt es einen erleichterten Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren – im Grundsatz gelten hierfür die „alten“ Regelungen zur Eigenverwaltung. Im Hinblick auf das Schutzschirmverfahren ist der Zugang trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit eröffnet, wenn die Insolvenz auf der Pandemie beruhte.

Abweichend von § 19 InsO beträgt der Prognosezeitraum für die Feststellung der Überschuldung im Jahr 2021 statt 12 nur 4 Monate.

Fazit

Es bleibt dabei, dass dem Gesetzgeber insbesondere mit dem StaRUG ein großer Wurf gelungen ist. Die Regelungen sind im Großen und Ganzen ausgewogen und erleichtern finanzielle Restrukturierungen ohne gleich zum schweren Geschütz des Insolvenzrechts greifen zu müssen.

Auch wenn es aus der Sicht der betroffenen Unternehmen wünschenswert gewesen wäre, im Restrukturierungsverfahren in Dauerschuldverhältnisse eingreifen zu können, ist die Herausnahme dieser Vorschriften aus dem Gesetzentwurf zu begrüßen: Zu gering sind die Hürden, um in das Restrukturierungsverfahren zu kommen und zu groß wäre die Versuchung gewesen, über die Restrukturierung den alten und wichtigen Grundsatz „pacta sunt servanda“ auszuhebeln.

Ein Wermutstropfen bleibt die allzu ungezügelte Ausweitung des Fiskusprivilegs.

Autor/in
Reinhard Willemsen

Reinhard Willemsen
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München, Köln
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