06.04.2023

Update zur Abhilfeklage – Bundesregierung veröffentlicht Gesetzesentwurf

Hintergrund

Die Bundesregierung hat am 29. März 2023 den Entwurf eines Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes (VRUG) beschlossen. Wie der Name des Gesetzes bereits sagt, soll damit die Verbandsklagen-Richtlinie der EU  in nationales Recht umgesetzt werden. Die Zeit drängt: Die Frist zur Umsetzung der genannten Richtlinie ist bereits am 25. Dezember 2022 abgelaufen, und bis zum 25. Juni 2023 müssen deren Regelungen angewendet werden. Aufgrund des bestehenden Zeitdrucks hatte sich das Bundesministerium der Justiz dazu entschieden, vor der Beschlussfassung durch das Bundeskabinett einen Referentenentwurf zu veröffentlichen, zu dem die beteiligten Kreise ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Den Referentenentwurf haben wir bereits hier im Überblick vorgestellt.  

Der nun veröffentlichte Regierungsentwurf, dessen zentraler Bestandteil weiterhin der Entwurf eines Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes (VDuG) ist, fällt gegenüber dem Referentenentwurf verbraucherfreundlicher aus. Nachfolgend stellen wir einige zentrale Aspekte des Regierungsentwurfs dar:

Geringere Anforderungen an die klageberechtigte Stellen

Im Vergleich zum Referentenentwurf enthält der Regierungsentwurf deutlich geringe Anforderungen an die klageberechtigten Stellen. Während der Referentenentwurf an die bisherigen Regelungen der Musterfeststellungsklage anknüpfte und damit für die Verbraucherverbände unter anderem

  • eine Mindestmitgliederzahl von mindestens zehn Verbänden im gleichen Aufgabenbereich bzw. von 375 natürlichen Personen,
  • eine Mindesteintragungsdauer von mindestens vier Jahren und
  • das Verbot der Erhebung einer Klage in Gewinnerzielungsabsicht

vorsah, genügt nach dem Regierungsentwurf

  • eine Mindestmitgliederzahl von drei Verbänden im gleichen Aufgabenbereich bzw. von 75 natürlichen Personen sowie
  • eine Mindesteintragungszeit von einem Jahr.

Der Regierungsentwurf übernimmt damit insoweit die Anforderungen, die bislang das Unterlassungsklagegesetz hinsichtlich der dort so genannten qualifizierten Einrichtung vorsah. Der Regierungsentwurf hält auch nicht an dem Erfordernis fest, dass eine Verbandsklage nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erhoben werden darf.

Auch nach dem Regierungsentwurf sind ad-hoc gegründete Verbraucherverbände weiterhin nicht klagebefugt. Jedoch wird durch die deutlich herabgesetzten Anforderungen der Kreis der klageberechtigten merklich erweitert. Es bleibt abzuwarten, ob es im Laufe der nun anstehenden parlamentarischen Beratungen noch zu Änderungen kommt.

Opt-In Modell: Verlängerung der Anmeldefrist

Ebenso wie der Referentenentwurf sieht auch der Regierungsentwurf hinsichtlich der Teilnahme an einer Verbandsklage das sog. Opt-In Modell vor. Verbraucher und die mit ihnen gleichgestellten kleinen Unternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz oder eine Jahresbilanz von bis zu EUR 10 Millionen) werden also nicht automatisch Teil der Verbandsklage, sondern müssen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse in ein Verbandsklagenregister anmelden.

Rechtspolitisch umstritten – auch innerhalb der Bundesregierung – war vor allem die Frage, bis zum welchem Zeitpunkt Ansprüche oder Rechtsverhältnisse angemeldet werden können. Nach dem Referentenentwurf musste die Anmeldung noch bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins erfolgen. Demgegenüber kann nach dem Regierungsentwurf die Anmeldung bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem ersten Termin erfolgen (vgl. § 46 Abs.1 VDuG-RegE). Entsprechend wurde auch die Abmeldefrist auf die Zweimonatsfrist nach mündlicher Verhandlung verlängert (vgl. § 46 Abs. 4 VDuG-RegE).

Die zum Teil erhobene Forderung, eine Anmeldung der Ansprüche in das Verbandsklagenregister sogar noch nach Erlass eines Urteils zuzulassen, hat aber keinen Eingang in den Regierungsentwurf gefunden: Ein Urteil oder ein Abhilfegrundurteil kann erst nach Ablauf der Zweimonats-Frist ergehen (vgl. § 13 Abs. 4 VDuG-RegE). Auch ein gerichtlicher Vergleich kann nicht vor Ablauf dieser Frist geschlossen werden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 VDuG-RegE). 

Umsetzungsverfahren: Widerspruchsfrist verlängert

Die Abhilfeentscheidung des Gerichts wird auch nach dem Regierungsentwurf vom sog. Sachwalter umgesetzt. Ihm obliegt weiterhin die Überprüfung der Anspruchsberechtigung der am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher und den mit ihnen gleichgestellten kleinen Unternehmen. Folglich ist es auch Sache des Sachwalters, dem betroffenen Verbraucher (oder dem damit gleichgestellten kleinen Unternehmen) und dem Unternehmer mitzuteilen, ob sich ein Anspruch nach Prüfung ganz oder teilweise als berechtigt erweist. Für die Mitteilung genügt Textform, z. B. eine E-Mail.

Im Vergleich zum Referentenentwurf sieht der Regierungsentwurf eine verlängerte Widerspruchsfrist vor: Nunmehr soll ein Widerspruch grundsätzlich innerhalb von vier Wochen eingelegt und begründet werden; der Referentenentwurf räumte lediglich eine zweiwöchige Widerspruchsfrist ein.

Die Entscheidung des Sachwalters über den Widerspruch ist weiterhin unanfechtbar (vgl. § 28 Abs. 3 VDuG-RegE). Damit soll laut der Begründung des Regierungsentwurf eine zügige Abwicklung des Umsetzungsverfahrens gewährleistet werden. Zur Wahrung ihrer Rechte werden die betroffenen Verbraucher (und die mit ihnen gleichgestellten kleinen Unternehmen) und die Unternehmer auf Individualklagen (§§ 39, 40 VDuG-RegE) verwiesen. 

Verjährung

Die Erhebung einer Abhilfeklage oder einer Musterfeststellungsklage hemmt die Verjährung der Ansprüche der Verbraucher und der mit ihnen gleichgestellten Unternehmen, wenn die betreffenden Ansprüche zum Verbandsklagenregister anmelden. In der Gesetzesbegründung wird noch einmal unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 29.06.2021 – VI ZR 118/20) betont, dass es für den Eintritt der Verjährungshemmung allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ankommt. Dies bedeutet, dass die Anmeldung des Anspruchs in das Verbandsklagenregister weiterhin nicht innerhalb der Verjährungsfrist erfolgen muss. Es bleibt insoweit also bei der verbraucherfreundlichen Regelung.

Autor/in
Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss

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Daniel Latta

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