25.05.2021
Die Umsetzung von Testkonzepten in Schulen zur Eindämmung der Coronapandemie beschäftigt die Gerichte dauerhaft unter verschiedensten rechtlichen Gesichtspunkten. Die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg hatte sich am 29. April 2021 (Aktenzeichen: 2 E 1710/21) in einem Eilverfahren dazu zu äußern, ob die Schule für die Teilnahme am Präsenzunterricht auf einem in der Schule durchgeführten Schnelltest bzw. (professionell) durchgeführten PCR-Test bestehen durfte oder auch das Ergebnis eines zuhause durchgeführten Schnelltest hierfür ausreichte. Entscheidend waren am Ende die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO.
Die Schule hat für die Teilnahme am Präsenz(wechsel-)unterricht zur Voraussetzung gemacht, dass der durch seine Eltern (Mitantragsteller) vertretene Antragsteller in der Schule unter Aufsicht einen Covid-19-Selbsttest durchführt oder ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests vorlegt, dass nicht älter als 48 Stunden ist. Die Selbsttests in der Schule werden dabei im Klassenraum mit der gesamten Klasse gemeinsam unter Aufsicht der Lehrkraft durchgeführt. Bei einem positiven Ergebnis hat der betreffende Schüler das Klassenzimmer unverzüglich zu verlassen und das Ergebnis wird an das Gesundheitsamt übermittelt.
Der Antragsteller versuchte am 9. April unter Vorlage des negativen Ergebnisses eines zuhause durchgeführten Selbsttests (und des Testkits) am Unterricht teilzunehmen, woraufhin ihm am Abend ein Hausverbot seitens der Schule erteilt wurde. Dieses Hausverbot untersagte dem Antragsteller die Teilnahme am Präsenzunterricht bis zur Einhaltung des von der Schule vorgesehenen Testkonzepts.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller, der seitdem am Distanzunterricht teilnimmt und im Wesentlichen die Zulassung zum Präsenzunterricht unter Vorlage eines zuhause durchgeführten Selbsttests begehrt.
Das Gericht hat dem Antragsteller zu einem geringen Teil Recht gegeben und entschieden, dass die Schule die Teilnahme am Präsenzunterricht auch unter Vorlage eines in einem Testzentrum durchgeführten Schnelltests zu gestatten ist, wenn dieser nicht älter als 24 Std. ist.
Das Gericht sieht jedenfalls in Bezug auf Ergebnisse von positiven Selbsttests in der Schule den Anwendungsbereich gem. Art. 2 I der DSGVO eröffnet, da diese dem Gesundheitsamt gemeldet und gespeichert werden sollen. Auch wenn die Tests aufgrund der recht hohen Quote falsch positiver Ergebnisse keine (hinreichend sichere) Feststellung über eine tatsächlich vorliegende Erkrankung oder Infektiosität zuließen, handele es sich bei der Kenntnisnahme der Testergebnisse durch Schule und Lehrkräfte doch um die Erhebung von Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 I DSGVO, da dieser Begriff weit zu verstehen sei. Die Voraussetzungen des Art. 9 II DSGVO, unter denen eine grundsätzlich verbotene Verarbeitung von Gesundheitsdaten ausnahmsweise zulässig ist, sieht das Gericht hier jedoch nicht erfüllt.
Eine Einwilligung gem. Art. 9 II a) DSGVO scheitere an der gem. Art. 4 Nr. 11 DSGVO erforderlichen Freiwilligkeit. Von einer Freiwilligkeit könne vorliegend nicht ausgegangen werden, da der jeweilige Schüler auf den Distanzunterricht verwiesen sei, wenn er nicht einwillige. Dies stelle zum einen keine gleichwertige Betreuung dar und beeinträchtige den Schüler in seinen (dann nicht vorhandenen) Sozialkontakten, zum anderen stünden die bei minderjährigen Schülern für die Entscheidung zuständigen Eltern unter Druck, da der Distanzunterricht eine wegfallende Betreuung bedeute.
Auch die Durchführung eines PCR-Tests stelle keine Alternative dar, die ausreiche um eine freiwillige Entscheidung zu bejahen. Denn der organisatorische Aufwand dürfte hierfür hoch sein, zudem sei auch der finanzielle Aufwand zwischen EUR 25 und EUR 100 pro Test zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass die Abnahme einer entsprechenden Probe wesentlich unangenehmer sei, als der in der Schule durchzuführende Nasenabstrich.
Auch weiteren in Frage kommenden Rechtfertigungsgründen, wie Art 9 II g) und i) DSGVO erteilt das Gericht eine Absage. Beide setzen nämlich voraus, dass angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person vorgesehen seien. Dies wäre in dem von der Schule vorgesehen Konzept nicht der Fall, da positiv getestete Schüler umgehend den Klassenraum verlassen müssten. Hierdurch würde den nicht zur Verschwiegenheit verpflichteten Mitschülern das Testergebnis der betroffenen Person offenbart. Dies unterscheide sich von der Situation, dass Schüler außerhalb der Schule getestet würden und dann womöglich nicht zum Unterricht erschienen, da hier der Grund des Fernbleibens von den Mitschülern nur vermutet werden könne.
Allerdings verpflichtet das Gericht die Schule im Ergebnis auch nicht zur Akzeptanz eines zuhause durchgeführten Selbsttest, vor allem da hierbei das Manipulationsrisiko zu hoch sei.
Das Gericht hat mit seiner Entscheidung eine (vorläufige) Regelung aufgezeigt, die den wechselseitigen Interessen der Parteien gerecht wird. Die Eltern hatten unter anderem damit argumentiert, dass es bei einer Testung im Klassenraum schon zuvor (im Bus, auf dem Pausenhof, im Klassenraum selbst) zu Ansteckungen kommen könne und die richtige Durchführung des Tests von den Eltern wesentlich besser betreut werden könne als von einer Lehrkraft, die mehrere Schüler gleichzeitig beaufsichtigen müsse. Diesen Argumenten wird mit der Möglichkeit der Vorlage eines aktuellen (und kostenlosen) Tests aus einem Testzentrum der Wind aus den Segeln genommen.
Aus datenschutzrechtlicher Perspektive interessant ist, wie weit das Gericht den Anwendungsbereich des Art. 9 I DSGVO versteht und diesen für eröffnet hält, obwohl es selbst nicht davon ausgeht, dass sich aus den Testergebnissen (sichere) Rückschlüsse auf den gesundheitlichen Zustand der Schüler ziehen lassen. Auch das Konzept der Testungen im Klassenraum selbst wird durch den vorliegenden Beschluss nicht für grundsätzlich unzulässig erklärt, sondern unter den Vorbehalt der DSGVO-Konformität gestellt.
Ob es möglich ist, ähnlich wie etwa für Videokonferenzen in § 98c des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) eine Regelung zu erlassen, die die Testung im Klassenraum datenschutzkonform ermöglicht, lässt das Gericht ausdrücklich offen.
Bis der Gesetzgeber hier tätig wird, sind Schulen, die auf ein entsprechendes Testkonzept setzen, jedenfalls gut darin beraten auch aktuelle Schnelltests aus Testzentren zu akzeptieren.
Gereon Walter
Referendar
Essen
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