26.09.2022
Der BGH hatte sich in einer jüngeren Entscheidung (BGH, Urt. vom 12.07.2022 – II ZR 81/21) mit der Frage zu befassen, ob ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, nachdem diesem das Gesellschaftsverhältnis von den anderen Gesellschaftern gekündigt wurde, einen aus der gesellschaftlichen Treuepflicht resultierender Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft zustehen kann.
Der Kläger und die Beklagte – ein geschiedenes Paar – waren Kommanditisten einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG. In einem von dem Kläger betriebenen familiengerichtlichen Verfahren erging gegen die Beklagte ein Kostenfestsetzungsbeschluss. Wichtig ist insoweit, dass der im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Anspruch des Klägers außergesellschaftlicher Natur war, also dem Grunde nach nicht mit der Gesellschafterstellung des Klägers und der Beklagten in der GmbH & Co. KG im Zusammenhang stand. Der Kläger erwirkte in der Folge einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen seine Ex-Ehefrau aufgrund dessen der Kommanditanteil der Beklagten sowie ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben gepfändet wurden.
Nachdem die Beklagte weiter keine Zahlung auf die durch den Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzte Forderung leistete, kündigte der Kläger das Gesellschaftsverhältnis unter Einhaltung der im Gesellschaftsvertrag vorgesehen Frist. Seine Kündigung stützte der Kläger auf eine im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG vorgesehene und an der Regelung des § 135 HGB angelehnte Kündigungsmöglichkeit, die gekürzt wie folgt lautete:
„Ein Gesellschafter scheidet ferner unter Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter aus: - (...) wenn sein Auseinandersetzungsguthaben von einem Privatgläubiger gepfändet wird, und zwar mit dem Ende des laufenden Geschäftsjahrs; dies gilt nur, falls das Auseinandersetzungsguthaben aufgrund eines nicht nur vorläufig vollstreckbar erklärten Schuldtitels gepfändet wird und die Folgen der Zwangsvollstreckung, die zu der Kündigung durch den Privatgläubiger geführt haben, nicht innerhalb zweier Monate beseitigt werden; (…) [Anmerkung: Hervorhebung eingefügt durch Verfasser.].“
Deutlich nachdem die Kündigung durch den Kläger ausgesprochen wurde, aber noch vor Wirksamwerden der Kündigung durch Fristablauf, befriedigte die Beklagte die im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Forderung des Klägers schlussendlich doch. Vereinfacht gesagt, entfiel damit durch die Zahlung der Beklagten der Kündigungsgrund noch vor Wirksamwerden der Kündigung. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger nunmehr die Feststellung, dass die Beklagte als Gesellschafterin aus der Gesellschaft ausgeschieden sei.
Nachdem die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gekommen waren, dass die Beklagte als Kommanditistin ausgeschieden sei, hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht (OLG Schleswig).
In seiner Entscheidung stellte der BGH in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zunächst fest, dass die Voraussetzungen der gesellschaftsvertraglichen Ausscheidensklausel durch die Pfändung des Auseinandersetzungsguthabens durch den Kläger erfüllt seien. Gemäß der an § 135 HGB angelehnten Regelung im Gesellschaftsvertrag könne auch ein Mitgesellschafter nach herrschender Meinung „Privatgläubiger“ sein, wenn dieser – wie im vorliegenden Fall – einen außergesellschaftlichen Anspruch gegen den zu kündigenden Gesellschafter habe und damit bei der Durchsetzung seiner Kostenforderung der Gesellschaft wie ein fremder Dritter gegenüber stehe. Der Ausschluss der Beklagten durch die Kündigung des Klägers sei trotz Befriedigung des Kläger durch die Beklagte vor Wirksamwerden der Kündigung wirksam geworden.
Allerdings führte der BGH dann weiter aus, dass dem Feststellungsanspruch auf Ausscheiden eines gekündigten Gesellschafters ein aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht entstehender Wiederaufnahmeanspruch entgegenstehen könne. Danach könnten die ehemaligen Mitgesellschafter verpflichtet sein, den gekündigten Gesellschafter wieder in die Gesellschaft aufzunehmen, sofern dem Mitgesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem gekündigten Gesellschafter zumutbar sei.
Zu der Frage, ob ein solcher Wiederaufnahmeanspruch der Beklagten auch im vorliegenden Fall vorlag, hatte das OLG Schleswig keine Feststellung getroffen. Eben hierauf stütze der BGH sich dann maßgeblich in seiner Entscheidung, das Urteil des OLG Schleswig aufzuheben. Hierzu führt der der BGH aus, dass einem auf Feststellung des Ausscheidens gerichteten Klagebegehren eines Mitgesellschafters die aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) resultierende sog. dolo agit – Einrede entgegen gehalten werden könne. Danach kann ein Gläubiger einen Anspruch nicht durchsetzen, wenn der Gläubiger das durch die Durchsetzung Erlangte aufgrund eines entgegenstehenden Anspruchs des Schuldners gegen den Gläubiger augenblicklich wieder an den Schuldner herauszugegeben hat. Diesen Grundsatz wendete der BGH auch auf den vorliegenden Fall an: Der Kläger könne seinen Anspruch auf Feststellung des Ausscheidens der Beklagten als Gesellschafterin nicht klageweise durchsetzen, wenn dem gekündigten Gesellschafter möglicherweise ein aus der gesellschafterlichen Treuepflicht resultierender Wiederaufnahmeanspruches in die Gesellschaft zustehe.
Im Ergebnis vertrat der BGH daher die Auffassung, dass das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob der Beklagten ein noch nicht erfüllter, aber möglicher Wiederaufnahmeanspruch in die GmbH & Co. KG zustehe. Für die Prüfung dieser Frage wurde die Sache an das OLG Schleswig zurückverwiesen.
Das Urteil des BGH ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert.
In der Entscheidung spiegelt sich erneut die herausragende rechtliche Bedeutung wieder, welche der BGH der aus dem Gesellschaftsverhältnis der Gesellschafter und letztlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben resultierenden gesellschafterlichen Treuepflicht beimisst.
Die Treuepflicht kann dazu führen, dass die Gesellschafter ihre privaten Interessen zurückzustellen und von einer Kündigung eines Gesellschafters abzusehen haben. Aufgrund eines Treupflichtverstoßes unwirksam kann eine Kündigung danach zum Beispiel auch sein, wenn der Mitgesellschafter treuwidrig die Voraussetzungen der Kündigung selbst schafft, nur um den anderen Gesellschafter „loszuwerden“. Die Treuepflicht kann darüber hinaus auch zu einem Wiederaufnahmeanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegen die übrigen Gesellschafter erstarken infolge dessen die übrigen Gesellschafter verpflichtet sein können, den gekündigten Gesellschafter gegebenenfalls mit rückwirkender Wirkung vom Zeitpunkt seines Ausscheidens wieder in die Gesellschaft aufzunehmen. In der hier skizzierten Entscheidung ging der BGH sogar noch einen Schritt weiter, indem er entschied, dass der gekündigte Gesellschafter dem Feststellungsinteresse der übrigen Gesellschafter an dem Ausscheiden des gekündigten Gesellschafters bereits das mögliche Bestehen eines noch nicht bereits erfüllten Wiederaufnahmeanspruches entgegenhalten kann.
Darüber hinaus bot der vorliegende Fall dem BGH Anlass, seine zu § 135 HGB vertretene Auffassung erneut zu bestätigen, dass auch ein Mitgesellschafter ein „Privatgläubiger“ im Sinne der Vorschrift sein könne, wenn der Mitgesellschafter – wie ein Dritter – einen nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis als solchen resultierenden, außergesellschaftlichen Anspruch gegen den zu kündigenden Gesellschafter hat. Die Regelung des § 135 HGB erlaubt gesellschaftsfremden Privatgläubigern eines Gesellschafters unter bestimmten Voraussetzungen das Gesellschaftsverhältnis des schuldenden Gesellschafters zu kündigen und nach der Kündigung in den Auseinandersetzungsanspruch des schuldenden Gesellschafters zu vollstrecken. Eben diese gesetzliche Kündigungsmöglichkeit war im vorliegenden Fall auch im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG nachgebildet worden.
Für die Praxis ruft die vorliegende Entscheidung erneut in Erinnerung, insbesondere im Falle der Kündigung eines Gesellschafter stets zu prüfen, ob und inwiefern durch die Kündigung die zwischen den Gesellschaftern bestehende Treupflicht tangiert wird. Verstoßen die Mitgesellschafter mit einer Kündigung gegen die ihnen gegenüber dem zu kündigenden Gesellschafter obliegende Treuepflicht, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung und dazu führen, dass dem gekündigten Gesellschafter ein Wiederaufnahmeanspruch in die Gesellschaft zusteht. Dies wird insbesondere im Rahmen einer Gesellschafterstreitigkeiten zu prüfen und das Nichtvorliegen eines Treupflichtverstoßes erforderlichenfalls darzulegen und zu beweisen sein. Wie die vorliegende Entscheidung zeigt, kann anderenfalls einem klageweise verfolgten Feststellungsinteresse ein möglicherweise bestehender Wiederaufnahmeanspruch entgegengehalten werden.
Christian Wensing LL.M. (London)
Marie Schmidt