15.03.2023
Liebe Leserinnen und Leser,
dieser Leitfaden soll Gründerinnen und Gründern von Kliniken, aber auch bestehenden Privatkliniken nach § 30 GewO eine Übersicht zu zentralen Themen in der Klinikgründung und -führung geben. Wir bedanken uns herzlich bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die diesen Leitfaden erst möglich gemacht haben.
Mit diesem Leitfaden kehren wir an unseren Verbandsursprung zurück, denn vor mehr als 75 Jahren waren es privat geführte Fachkliniken, die den Landesverband der Privatkliniken in Hessen e. V. gründeten. Im Lauf der Jahrzehnte haben viele dieser Kliniken Versorgungsverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen oder wurden in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen. Damit wurde ihr Know-how auch Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung zugänglich.
Heutzutage bilden Plankrankenhäuser unter privater Trägerschaft sowie Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, die über einen Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen oder der Deutschen Rentenversicherung verfügen, den Hauptkern unserer Mitglieder. Es gibt aber nach wie vor auch die Gruppe der Privatkliniken nach § 30 GewO ohne Versorgungsvertrag, die ihre spezialisierten Leistungen vorwiegend Beihilfe- und Privatpatienten, aber auch Selbstzahlern anbieten.
Die Herausforderungen, denen sich diese Kliniken gegenübersehen, betreffen insbesondere die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Hier setzt unsere politische Verbandsarbeit für sie ein. Zusammen mit unserem Dachverband, dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V., machen wir uns seit vielen Jahren für die Steuerfreiheit von Krankenhausbehandlungen in Privatkliniken stark. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitgliedern eine umfangreiche Informations- und Austauschplattform auf Landes- und auf Bundesebene, denn auch im achten Jahrzehnt unseres Bestehens sind wir davon überzeugt, dass man am besten gemeinsam für seine Interessen einsteht.
Wir laden Sie ein, Mitglied in unserem Landesverband oder einem unserer Partnerverbände zu werden.
Ihr
Georg M. Freund
Vorsitzender des Landesverbandes der Privatkliniken in Hessen e. V. Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken e. V.
Geschäftsführender Gesellschafter der Kliniken Küppelsmühle Bad Orb GmbH & Co. KG
Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,
Gründung und Betrieb einer Privatkrankenanstalt bringen vielfältige Herausforderungen mit sich, die ganz unterschiedliche Rechtsgebiete berühren. Mit dem vorliegenden Praxisleitfaden möchten wir Ihnen gemeinsam mit dem Landesverband der Privatkliniken in Hessen e. V. eine erste Orientierung bezüglich einiger besonders praxisrelevanter rechtlicher Fragen bieten, die sich insbesondere bei der Gründung einer reinen Privatklinik stellen. Hierzu haben wir unter anderem aktuelle Themen aus dem Arbeits-, Datenschutz- und Steuerrecht aufgegriffen, stellen aber auch im Überblick den Weg zur Erlangung einer Privatklinikkonzession nach § 30 GewO dar.
Wie das gesamte Gesundheitswesen unterliegt auch der Privatklinikbereich rechtlich einer besonderen Dynamik – beispielsweise wird derzeit mit Spannung ein Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung erwartet, dessen Umsetzung auch beim Einsatz ärztlichen und nicht ärztlichen Personals relevant werden dürfte.
Wir hoffen, Ihnen einen ersten rechtlichen Überblick über zentrale Themen bieten zu können. Gerne stehen wir Ihnen jederzeit für einen fachlichen Austausch zur Verfügung. Ihr Input und der Dialog mit den Kliniken selbst sind für uns essenziell, um ein optimales Verständnis auch von operativer Seite entwickeln zu können und dies in für Sie pragmatische und zugleich rechtssichere Lösungen einfließen zu lassen. Insoweit laden wir herzlich zur Kontaktaufnahme ein und wünschen zunächst viel Spaß bei der Lektüre!
Dr. Eva Rütz, LL.M.
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Medizinrecht,
Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin
Jens Röhrbein
Dipl.-Finanzwirt (FH),
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Partner
Johanna Fiedler ist seit 2019 für den Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V. im Geschäftsbereich Krankenhäuser tätig. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die Leitung der bundesweiten Facharbeitsgruppe der „reinen“ Privatkliniken nach § 30 GewO. Welche Themen die Kliniken ohne Versorgungsvertrag umtreibt und welche Projekte die Facharbeitsgruppe auf den Weg gebracht hat, berichtet sie uns im Interview.
Aguedita Afemann: Beim BDPK gibt es seit einigen Jahren eine eigene Facharbeitsgruppe „Privatkliniken § 30 Gewerbeordnung (GewO)“. Wer trifft sich dort und wie oft?
Johanna Fiedler: In der Facharbeitsgruppe wirken derzeit Geschäftsführer aus etwa 50 Kliniken zusammen, die nach § 30 GewO zugelassen sind, aber keinen Versorgungsvertrag mit gesetzlichen Sozialversicherungsträgern haben und nicht in den Krankenhausplan eines Bundeslandes aufgenommen sind. Es handelt sich dabei um Mitglieder unserer Landesverbände, die sich zweimal im Jahr treffen.
Welche Themen werden in der bundesweiten Fachgruppe behandelt?
Im Mittelpunkt der Arbeitsgruppe steht das Ziel, die Umsatzsteuerfreiheit für Privatkliniken ohne Versorgungsvertrag zu erreichen. Daneben tauschen wir uns regelmäßig zu Themen wie Kostenerstattung und Beihilfe sowie zu aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen aus.
Zurück zur Umsatzsteuerbefreiung. Können Sie erläutern, mit welcher Problematik die Kliniken es hier zu tun haben?
Privatklinken nach § 30 GewO sind im Gegensatz zu nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern nach deutschem Umsatzsteuerrecht nur eingeschränkt von der Umsatzsteuer befreit. Die Umsatzsteuerbefreiung in Privatkliniken greift erst dann, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 Prozent ihrer Leistungen von öffentlichen Sozialträgern finanziert wurden oder sie für mindestens 40 Prozent ihrer Leistungen kein höheres Entgelt als öffentliche oder zugelassene Krankenhäuser berechnet haben. Wir sehen bei der Regelung einen klaren Widerspruch zum Europarecht. Der Gesetzgeber hatte eine frühere Variante der 40-Prozent-Regelung im Jahressteuergesetz 2009 ganz bewusst abgeschafft, um Bürokratie abzubauen und den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) in deutsches Recht umzusetzen. Sie führt außerdem zu einer Wettbewerbsverzerrung, da verschiedene Krankenhäuser für gleiche Leistungen unterschiedlich besteuert werden. Auch in der Praxis führt die bestehende Rechtslage zu verschiedenen Schwierigkeiten für Privatkliniken.
Die da wären?
Zum Beispiel, dass die Steuerpflicht jährlich wechselt. Hierdurch entsteht Kliniken und Finanzämtern erheblicher bürokratischer Mehraufwand. Teilweise warten Kliniken jahrelang auf ihre Steuerbescheide. Die Steuerpflicht wird zudem von den jeweiligen Finanzämtern unterschiedlich gehandhabt. Insbesondere Beihilfepatienten werden in einigen Bundesländern nicht angerechnet, d. h., sie werden als „schädlich“ für die 40-Prozent-Grenze beurteilt. Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung von reinen Privatkliniken und Krankenhäusern nach § 108 SGB V ist darüber hinaus der Bezug auf Belegungstage, für die kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wird, nicht sachgerecht. Reine Privatkliniken erhalten keine Investitionsfinanzierung und sind gezwungen, ihre Investitionen aus den Pflegesätzen zu finanzieren.
Was fordern Sie von der Politik?
Um Klarheit bei der Frage der Umsatzsteuerpflicht zu erreichen, schlagen wir eine Änderung von § 4 Nr. 14 b UStG vor. Eine richtlinienkonforme und sachgerechte Bestimmung der Umsatzsteuerpflicht sollte vom Charakter der erbrachten Leistung abhängig sein. Dazu empfiehlt sich eine Orientierung an dem Begriff der Krankenbehandlung in § 27 SGB V. Eine Krankenbehandlung liegt danach dann vor, „wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern“. Rein kosmetische medizinische Behandlungen werden davon nicht erfasst. Zudem sollte ein Verweis auf §107 Abs. 1 SGB V erfolgen, um deutlich zu machen, dass Privatkliniken nach § 30 GewO die darin genannten Krankenhauskriterien in gleicher Weise wie öffentliche und zugelassene Krankenhäuser erfüllen: Sie sind Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung dienen und fachlichmedizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen. Im Ergebnis darf das deutsche Umsatzsteuerrecht nicht danach differenzieren, ob die Behandlung von einem Plankrankenhaus oder einer Privatklinik nach § 30 GewO erbracht wird. Wenn eine Privatklinik nach § 30 GewO gleiche Leistungen (Krankenbehandlung nach § 27 SGB V) in vergleichbarer Situation wie ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus erbringt, müssen diese medizinischen Leistungen auch von der Umsatzsteuer befreit sein.
Welche Maßnahmen haben der BDPK und die Arbeitsgruppe bislang ergriffen, um die Forderung durchzusetzen?
Wir verdeutlichen die Situation und unsere Forderungen regelmäßig in Gesprächen mit Abgeordneten sowie in Stellungnahmen zum Jahressteuergesetz und in Fachartikeln. Auch auf europäischer Ebene sind wir aktiv: So hat der BDPK im Jahr 2019 eine Petition beim EU-Parlament eingereicht, die an die Europäische Kommission zur Prüfung weitergeleitet wurde. Eine Entscheidung steht bislang noch aus. Die Petition kann gerne unterstützt werden!
Neben der Petition haben einige Kliniken eine EU-Kommissionsbeschwerde eingereicht. Auch hier wurde bislang keine Entscheidung getroffen.
Das ist ja ein ganzes Bündel an Maßnahmen, das Sie bereits auf den Weg gebracht haben.
Ja, wir haben eine Menge auf den Weg gebracht und hoffen, in der laufenden Legislaturperiode beim Bundesfinanzminister mit unseren Punkten durchzudringen. Hilfreich ist dabei sicherlich, wenn wir bundesweit noch mehr Unterstützer aus dem Kreis der Privatkliniken ohne Versorgungsvertrag hinter uns vereinen können. Denn auch hier gilt:
Zusammen sind wir stärker.
Eine Teilnahme an der Facharbeitsgruppe ist nur über eine Mitgliedschaft in einem der Landesverbände möglich. Eine Übersicht der Landesverbände ist auf Seite 38/39 abgebildet. Sollten Sie Interesse an einer Mitgliedschaft haben, kontaktieren Sie bitte die Geschäftsstelle in Ihrem Bundesland.
Weitere Informationen zum Thema Privatkliniken ohne Versorgungs- vertrag finden Sie auf der BDPK-Homepage unter: www.bdpk.de/themen/krankenhaeuser/privatkliniken-nach-30-gewo
Von Dr. Hendrik B. Sehy und Frances Wolf
Unternehmer von gewerbsmäßig betriebenen Privatkranken- und Privatentbindungsanstalten sowie Privatnervenkliniken bedürfen nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) einer Konzession der nach Landesrecht zuständigen Behörde.
Es handelt sich dabei um ein sogenanntes präventives Verbot mit dem Vorbehalt, eine Erlaubnis einholen zu können.1
Dabei zielt die Konzessionspflicht darauf ab, insbesondere den Patienten vor den Gefahren zu schützen, die sich aus seiner Eingliederung in ein betriebliches Organisationsgefüge ergeben;2 hinzu tritt der Schutz der Allgemeinheit vor Risiken,3 die aus einer nicht ordnungsgemäßen Führung, Einrichtung oder Lage einer solchen Klinik resultieren können.
Die Konzession gemäß § 30 GewO umfasst indes nicht die Befugnis, gesetzlich versicherte Patienten zulasten der gesetzlichen Krankenkassen zu behandeln. Die Teilnahme an der Versorgung gesetzlich versicherter Patienten setzt eine gesonderte sozialversicherungsrechtliche Zulassung des Leistungserbringers voraus (§ 109 SGB V; Aufnahme in den Landeskrankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes einhergehend mit dem Abschluss eines Versorgungsvertrags).
Struktur der Konzession
Die zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt erforderliche Konzession ist eine personenbezogene Gewerbeerlaubnis, die dem „Unternehmer“, also dem selbstständigen Gewerbetreibenden (dies ist der rechtliche Inhaber der Einrichtung, entweder also eine Privatperson, eine Personengesellschaft4 oder eine juristische Person), für den Betrieb einer bestimmten Klinik in einer festgelegten Betriebsform (Kranken-, Entbindungs- oder Nervenklinik) erteilt wird. Die Erlaubnis ist also primär eine persönliche, inhaltlich aber auch an Sachanforderungen orientiert. Das bedeutet, dass sie nicht nur an eine bestimmte Person, sondern zugleich auch an bestimmte Räume und an eine bestimmte Betriebsart gebunden ist. Die Erlaubnis erlischt daher, sobald sich eine der Bezugsgrößen (z. B. Einrichtung der Klinik oder ihres Betriebs, Räume, Betriebsart) ändert, und muss in diesem Fall neu beantragt werden.5
Wird die Anstalt ohne die erforderliche Konzession betrieben, so stellt dies nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GewO eine Ordnungswidrigkeit oder ggf. sogar eine Straftat dar, vgl. § 148 GewO. Die zuständige Behörde kann in diesem Fall die Fortsetzung des Betriebs untersagen. Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit bzw. die Befugnis zum Einschreiten knüpfen an das formale Merkmal der fehlenden Konzession an, nicht an die materielle Rechtswidrigkeit. Das Verbot greift daher auch dann, wenn der Unternehmer möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung der Konzession hätte, diese aber bisher nicht erteilt ist oder den konkreten Fall nicht erfasst.6
Definition der „Privatkrankenanstalt“
Der Begriff der „Privatkrankenanstalt“ ist in der Gewerbeordnung nicht näher umrissen. Das Bundesverwaltungsgericht definiert die Privatkrankenanstalt als ein privat betriebenes Krankenhaus, das sich von ähnlichen Betrieben wie etwa Alters- und Pflegeheimen insbesondere dadurch unterscheidet, dass es dazu bestimmt ist, Personen zur ärztlichen Betreuung aufzunehmen.7 Entscheidend für die Konzessionspflicht ist dabei, dass die Versorgung und Behandlung von Patienten stationär erfolgen soll. Nicht konzessionierungspflichtig sind demnach ambulante Einrichtungen wie beispielsweise Ärzte in niedergelassener Praxis oder Dialysestationen einer privatärztlichen Praxisgemeinschaft, in der Patienten sich nur ein paar Stunden aufhalten.
Bezüglich der Frage, ob dies ebenfalls für die sogenannten Praxiskliniken gilt, in denen Patienten bei Bedarf im Nachgang zu einer ambulanten Behandlung auch über Nacht bleiben können, ist vor dem OLG Zweibrücken derzeit ein Berufungsverfahren (Az. 4 U 139/17) anhängig.8
Konzessionierungspflichtige Privatentbindungsanstalten dienen der Durchführung von Entbindungen und der Leistung von Geburtshilfe, also der stationären Aufnahme von Schwangeren zum Zweck der Unterbringung und Verpflegung.9
In einer konzessionierungspflichtigen Privatnervenklinik werden psychische oder geistige Erkrankungen unter ärztlicher Verantwortung festgestellt oder behandelt. Eine Privatnervenklinik liegt aber auch dann vor, wenn sich die Patienten keiner Heilbehandlung unterziehen, sondern lediglich gepflegt und ärztlich betreut werden.10
Nicht private (öffentliche) Krankenanstalten unterliegen nicht der Erlaubnispflicht. Nicht privat ist eine Anstalt dann, wenn ihr Rechtsträger dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Sämtliche öffentliche Anstalten, unabhängig davon, ob sie vom Bund, einem Land, einer Kommune, von Stiftungen des öffentlichen Rechts, öffentlichen Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften getragen werden, sind keine Privatkrankenanstalten und daher nicht konzessionspflichtig, selbst wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden.11
Im Übrigen ist jedoch umstritten, anhand welcher Kriterien der Begriff „privat“ abzugrenzen ist: Entweder stellt man auf die Organisationsform des Krankenhauses ab (nach dieser Auffassung12 würde bereits die Nutzung der Rechtsform „GmbH“ eine Privatkrankenanstalt begründen, unabhängig von der Rechtsform des Gesellschafters) oder – so unseres Erachtens die überwiegende Auffassung auch der Konzessionsbehörden – auf die Rechtsnatur des Krankenhausträgers oder -inhabers bzw. des Gesellschafters (nach dieser Auffassung13 sind beispielsweise auch mehrstufige Beteiligungs- unternehmen der öffentlichen Hand von der Konzessionspflicht befreit).
Weitgehende Einigkeit besteht ferner dahingehend, dass § 30 GewO nur dann Anwendung findet, wenn die Betriebsführung gewerbsmäßig14, also mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, erfolgt. Nicht gewerbsmäßig ist eine Betriebsführung, sofern diese gemeinnützig oder wohltätig erfolgt.
Bei kirchlichen Kliniken, insbesondere Ordenskrankenhäusern, wird überwiegend von nicht privaten Kliniken ausgegangen, wenn die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist.15 Alternativ entfällt die Konzessionspflicht aufgrund der gemeinnützigen Ausrichtung.
Wechseln bisher öffentliche oder kirchliche bzw. freigemeinnützige Einrichtungen ihren Träger bzw. Gesellschafter, kann die Konzessionspflicht jedoch nachträglich entstehen, wenn der neue Träger als „privat“ im Sinne des § 30 GewO anzusehen ist. Damit gewinnt die Konzessionspflicht auch im Rahmen von Krankenhaustransaktionen eine gewisse Bedeutung.
Anspruch auf Erteilung der Konzession, Ausschlussgründe
Systematisch geht § 30 GewO davon aus, dass ein Anspruch des Unternehmers auf Erteilung der Konzession grundsätzlich besteht.
Der Katalog des § 30 Abs. 1 Satz 1 GewO führt daher ausschließlich Tatbestände auf, bei deren Vorliegen die Erteilung versagt werden kann. Über diese „Umkehrung“ erlangt die Konzessionsbehörde weitreichende Prüfungsbefugnisse in Bezug auf solche Tatbestände, die ein Versagen rechtfertigen.
1. Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit des Unternehmers in Bezug auf die Leitung oder Verwaltung der Anstalt oder Klinik dartun
Gibt der Unternehmer Anlass zu der Befürchtung, er werde die ihm aus dem Betrieb einer Krankenanstalt obliegenden Pflichten nicht in ausreichendem Maße erfüllen, schließt dies einen Anspruch auf die Konzession aus. Ist der Unternehmer eine GmbH, kommt es auf den Geschäftsführer an, bei der AG auf den Vorstand, bei Personengesellschaften auf den/die geschäftsführenden Gesellschafter.16 Entscheidend ist hierbei die „(Un-)Zuverlässigkeit“ im gewerberechtlichen Sinn,17 die durch eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen geprägt ist: Unzuverlässig ist derjenige, der nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird.
2. Tatsachen, die die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten als nicht gewährleistet erscheinen lassen
Die Privatkrankenanstalt muss die Erfüllung medizinischer Standards rund um die Uhr, in quantitativer und qualitativer Hinsicht, durch (leitungs)ärztliches sowie nicht ärztliches Personal sicherstellen sowie durch die ausreichende sachliche Ausstattung mit Untersuchungs- und Behandlungsräumen für diagnostische und therapeutische Zwecke sowie dem Vorhandensein eines Notrufsystems, sodass eine unverzügliche Versorgung der Patienten auch in der Nacht und bei Notfällen gewährleistet ist.18 Die konkreten Voraussetzungen unterscheiden sich dabei je nach Konzessionsbehörde.
3. Bauliche und sonstige technische Einrichtungen der Anstalt oder Klinik entsprechen nicht den gesundheits- polizeilichen Anforderungen
Gegenstand der behördlichen Prüfung sind danach neben den allgemeinen baurechtlichen Bestimmungen der Länder insbesondere landesrechtliche Sonderbestimmungen zum Bau von Krankenhäusern, aber auch Hygiene- und Infektionsschutzvorschriften im Rahmen der baulichen Gegebenheiten.19
4. Die Anstalt oder Klinik ist Teil eines auch von anderen Personen bewohnten Gebäudes, und durch ihren Betrieb können für die Mitbewohner dieses Gebäudes erhebliche Nachteile oder Gefahren entstehen
Dieser Versagungsgrund hat den Schutz klinik- und anstaltsfremder Personen vor Augen, die einen nicht von der Anstalt oder Klinik genutzten Teil des Gebäudes bewohnen, was gerade bei kleineren Privatkliniken Relevanz erlangt.
5. Die Anstalt oder Klinik nimmt Personen mit ansteckenden Krankheiten oder Geisteskrankheiten auf, und durch ihre örtliche Lage können erhebliche Nachteile oder Gefahren für die Nachbarn hervorgerufen werden
Mit Blick auf die aktuelle Pandemielage dürfte dieser Tatbestand derzeit die meisten Kliniken erfassen, zielte aber historisch auf solche Einrichtungen ab, die überwiegend oder ausschließlich mit der Versorgung epidemischer Krankheiten befasst waren (beispielsweise Tuberkulosekrankenhäuser). „Benachbart“ ist nicht nur ein unmittelbar angrenzendes Grundstück, sondern einzubeziehen sind auch die weiteren in der Nähe und damit in der Nachbarschaft liegenden Grundstücke.20
Zuständigkeit für die Konzessionserteilung
Zuständig für die Erteilung der Konzession nach § 30 GewO sind die von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle vorgegebenen Behörden, vgl. § 155 Abs. 2 GewO. In Hessen ist die zuständige Behörde das Regierungspräsidium, in dessen Bezirk die Anstalt betrieben werden soll. Gleiches gilt für die Bestätigung, dass eine Einrichtung gerade nicht der Konzessionspflicht unterliegt (sogenannte Negativbescheinigung).
Zusätzlich ist gemäß § 30 Abs. 2 GewO die Beteiligung sachkundiger Stellen verfahrensrechtlich vorgesehen. Die Konzessionsbehörde holt demnach vor Erteilung der Konzession Stellungnahmen u. a. der Ortspolizei- und Gemeindebehörden, des Gesundheitsamts, der Landesärztekammer sowie der Bauordnungs- und Brandschutzbehörden ein.
Die Konzessionsbehörde erhebt Gebühren für die Erteilung der Konzession. Im Regelfall bestimmen sich die konkreten Gebühren anhand des tatsächlichen Zeitaufwands und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Amtshandlungen für den Unternehmer. Die Gebühren fallen auch im Fall der Rücknahme oder der Ablehnung des Antrags an.
Übliche Dokumentation für die Antragstellung
Umfang und Art der für einen Antrag auf Konzessionserteilung vorzulegenden Unterlagen weichen je nach Bundesland und Rechtsform des Unternehmers ab. Erfahrungsgemäß ist jedoch damit zu rechnen, dass die Konzessionsbehörde jedenfalls die beispielhaft nachstehend aufgeführten Unterlagen abfragen wird:
Zur natürlichen Person des Betreibers bzw. der Geschäftsführer und geschäftsführenden Gesellschafter:
Zur Trägergesellschaft:
Zur Privatkrankenanstalt (operativer Betrieb):
Konzessionsrelevante Fragestellungen und die Frage nach dem Unterlagenumfang kann der Antragsteller aber im Regelfall bereits vor einer konkreten Antragstellung mit den zuständigen Sachbearbeitern im Rahmen eines Beratungsgesprächs erörtern.
1 BeckOK GewO/Büscher/Harney, 57. Ed. 1.6.2022, GewO § 30.
2 BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 1 C 36/83, NJW 1985, 1414.
3 BVerwG, Urteil vom 9.2.1967 – I C 128.64, BeckRS 1967, 31310483.
4 Bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit (z. B. OHG, KG) ist eine Erlaubnis für jeden geschäftsführenden Gesellschafter erforderlich; so Landmann/Rohmer GewO/Marcks, 87. EL September 2021, GewO § 30 Rn. 13.
5 Ennuschat/Wank/Winkler/Winkler GewO § 30 Rn. 26.
6 BeckOK GewO/Büscher/Harney GewO § 30 Rn. 15-16.
7 BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 1 C 36/83 (Münster).
8 Das LG Frankenthal hat mit Urteil vom 28. September 2017 – 2 HK O 25/17 entschieden, dass ein Arzt, der seine Dienstleistungen unter der Bezeichnung „Praxisklinik“ bewirbt, beim angesprochenen Verkehr die Erwartung hervorruft, über eine entsprechende gewerberechtliche Konzession zu verfügen. Das sei irreführend, wenn ihm von der Konzessionsinhaberin lediglich gestattet wird, seine Patienten in dessen Klinik stationär zu versorgen und die Klinikräumlichkeiten zu nutzen.
9 Vgl. PdK Bund K-2a, Privatkrankenanstalten, Fisch S. 105.
10 OVG Lüneburg, Beschluss vom 31.07.1996 – 7 M 3591/95, Tettinger/Wank/Ennuschat/Ennuschat Rn. 26.
11 Spickhoff/Starzer GewO § 30.
12 Marcks in Landmann/Rohmer GewO, § 30 Rn. 6.
13 Ennuschat/Wank/Winkler/Winkler GewO § 30 Rn. 22.
14 BVerwG GewArch 1982, 200.
15 Ennuschat/Wank/Winkler/Winkler GewO § 30 Rn. 24.
16 Ennuschat/Wank/Winkler/Winkler GewO § 30 Rn. 39-42.
17 Landmann/Rohmer GewO/Marcks, 87. EL September 2021, GewO § 30 Rn. 19.
18 Spickhoff/Starzer GewO § 30 Rn. 10.
19 Tettinger/Wank/Ennuschat/Ennuschat Rn. 452.
20 Landmann/Rohmer GewO/Marcks GewO § 30 Rn. 24.
Von Dr. Eva Rütz und Anna Büscher
In „reinen“ Privatkliniken1 herrscht Vertragsfreiheit beim Abschluss von Vergütungsvereinbarungen mit Patienten. Daraus folgt, dass Privatkliniken – anders als öffentlich-rechtlich zugelassene (Plan-)Krankenhäuser2 – keiner Entgeltbindung gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. dem DRG-Fallpauschalensystem nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) unterliegen und Pauschalhonorare mit den Patienten vereinbaren können. Denn eine reine Privatkrankenanstalt hat keine sozialversicherungsrechtliche Zulassung zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und erhält damit auch keine Krankenhausfördermittel. Nur ein Krankenhaus, das Fördermittel erhält, unterliegt krankenhausrechtlichen Entgeltnormen.3
So weit der Grundsatz.
I. Ausnahmen vom Grundsatz der Honorarfreiheit?
II. Zurückweisung von Rechnungen durch Versicherer und Patienten?
In jüngster Vergangenheit versuchen Patienten und Versicherer vermehrt, eine Rechnung einer Privatklinik nicht zu bezahlen, wenn diese ein sogenanntes Pauschalhonorar ausweist. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass – wie bei öffentlich-rechtlich zugelassenen Plankrankenhäusern – die Rechnungslegung für die in Privatkliniken erbrachten medizinischen Leistungen unter Berücksichtigung der GOÄ bzw. des DRG-Fallpauschalensystems nach dem KHEntgG erfolgen müsse und Entgeltobergrenzen unterliege.
Wir meinen, dass ein Pauschalhonorar abgerechnet werden kann, wenn Sie Ihre Patienten in Ihrer Einrichtung behandeln, unterbringen, pflegen und verpflegen und Sie nicht an ein Plankrankenhaus angegliedert sind. Für dieses Ergebnis spricht bei „reinen“ Privatkliniken eindeutig die (bundessozialgerichtliche) Rechtsprechung (siehe unten). Denn eine Entgeltbindung folgt u. a. aus einer öffentlich-rechtlichen Förderung. Die Abweichung von der GOÄ hingegen folgt aus den höheren Anforderungen an die Organisationseinheit und Infrastruktur im Vergleich zu Behandlungsverträgen unmittelbar mit dem behandelnden Arzt und auch in der mangelnden Krankenhausförderung.6
Nachfolgend möchten wir Ihnen den juristischen Diskussionsstand lediglich als Exkurs darstellen, der der besseren rechtlichen Einordnung der Thematik, aber auch als Argumentationshilfe dienen kann. Nicht thematisiert werden Vergütungsvereinbarungen mit Privatkliniken, die mit öffentlichen Krankenhäusern räumlich und organisatorisch verbunden sind – sogenannte ausgegliederte7 Privatkliniken.8
Exkurs:
Überwiegend wird die unseres Erachtens zutreffende Auffassung9 vertreten, dass der Anwendungsbereich der GOÄ und des KHEntgG nicht eröffnet ist, sodass Privatkliniken die Vergütung mit den Patienten frei – d. h. in den allgemeinen Grenzen der Sittenwidrigkeit und etwaiger Verbotsgesetze – vereinbaren können.10
1. (Keine) Bindung an das KHEntgG
Öffentliche Krankenhäuser sind in Deutschland bei der Abrechnung ihrer medizinischen Leistungen sowohl an die GOÄ (Wahlleistungen, § 17 Abs. 3 S. 7 KHEntgG) als auch an das Fallpauschalen-/DRG-System nach dem KHEntgG gebunden. Denn öffentliche Krankenhäuser erhalten mit Aufnahme in den sogenannten Krankenhausplan öffentliche Investitionsgelder im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), und die gesetzlich bestimmten Entgeltobergrenzen des KHEntgG dienen der nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.11 Davon sind aber gerade Privatkliniken nicht umfasst, da sie keine öffentlichen Investitionen erhalten, mithin auch nicht zum „Schutz“ des Sozialversicherungssystems an Entgeltobergrenzen gebunden sind.
2. (Keine) Bindung an die GOÄ
Wird ein Behandlungsvertrag zwischen einem (privat krankenversicherten) Patienten und einem Arzt geschlossen, wird die GOÄ als Gebührentaxe und dort § 1 Abs. 1 herangezogen, der lautet:
„Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.“
Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ bildet den Ausgangspunkt der Diskussion um die Entgeltbindung von Privatkliniken, weil sich danach die Vergütung ärztlicher Leistungen nach der GOÄ bestimmt, eine Privatklinik als juristische Person aber eben kein „Arzt“ ist.
Zur Argumentation führen die Vertreter der vorstehenden Auffassung12 u. a. an, dass keine Unterscheidung zwischen Ärzten und Privatkliniken bestehe und somit auch Privatkliniken die GOÄ anwenden müssten. Denn auch bei juristischen Personen wie der Privatkrankenanstalt seien Ärzte angestellt, und diese angestellten Ärzte würden ärztliche Leistungen erbringen und müssten bereits aus berufsrechtlichen Gründen ihre Leistungen in der gebotenen Qualität erbringen. Daraus folge, dass eine Unterscheidung bei der Abrechnung bzw. Entgeltbindung nicht erforderlich sei. Es werde auch grundlos zwischen einer Tätigkeit bei einer juristischen Person (z. B. GmbH) und einer „normalen Praxis“ (in der Regel als Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform der GbR) unterschieden; es sei zufällig, wo der Arzt ärztlich tätig sei.13
Gegen eine Entgeltbindung „reiner“ Privatkliniken als juristische Person wird angeführt, dass sich die Formulierung des § 1 Abs. 1 GOÄ direkt auf die Vergütung des Arztes für berufliche Leistungen beziehe und insofern einen Behandlungsvertrag unmittelbar zwischen dem Arzt und dem Patienten voraussetze.14 Wenn aber ein Behandlungsvertrag zwischen Patient und Privatkrankenanstalt geschlossen wird, sei Vertragspartner gerade nicht der Arzt selbst, sondern die Privatklinik. Zudem sei die GOÄ ohnehin nicht auf juristische Personen ausgerichtet.
Dieses Meinungsbild der fehlenden Entgeltbindung an die Gebührentaxen ist in Rechtsprechung und juristischer Literatur insoweit eindeutig und soll nachfolgend als Argumentationshilfe kurz dargestellt werden. Insbesondere mit der Entscheidung des BSG aus dem Jahr 201215, die es noch einmal im Jahr 201716 bestätigte, liegt eine ausdrückliche Entscheidung eines Bundesgerichts vor, die sich in die umfangreiche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des KHEntgG einfügt, in der vielfach auch mittelbar deutlich klargestellt wurde, dass die GOÄ regelmäßig nicht greift.17
a) Rechtsprechung zur Vergütung von Privatkrankenanstalten
Im Jahr 2006 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Fall zu befassen, der eine Behandlung in einer Privatklinik zum Gegenstand hatte.18 Diese Entscheidung wird oftmals19 als Beleg einer Entgeltbindung von Privatkliniken herangezogen. Damals war noch nicht abschließend geklärt, ob die GOÄ auch auf nicht medizinisch indizierte kosmetische Operationen anwendbar ist.20 In dem Verfahren war aber gerade keine juristische Person Partei des Behandlungsvertrags, sondern ein Facharzt für Chirurgie/plastische Chirurgie als natürliche Person, der „in G. eine Privatklinik [betreibt].“21 Bis auf den Hinweis auf eine Involvierung einer Privatklinik thematisiert die Entscheidung des BGH an keiner Stelle, ob eine GOÄ-Bindung auch auf juristische Personen anwendbar ist. Daher belegt das Urteil jedenfalls keine GOÄ-Bindung durch juristische Personen getragener Privatklinken. Vielmehr ist klarstellend der Pressemitteilung Folgendes zu entnehmen:
„Das gilt allerdings nur für die Liquidationen durch den Arzt selbst, nicht dagegen, wenn das Krankenhaus – wie häufig – in der Form einer selbständigen juristischen Person (z. B. GmbH) geführt wird und der Behandlungsvertrag ausschließlich mit der Klinik abgeschlossen worden ist. Für Krankenhausbehandlungen gelten andere gesetzliche Regelungen, über die der Bundesgerichtshof hier nicht zu entscheiden hatte.“22
Eine solche Klarstellung wäre aber nicht erforderlich gewesen, wäre der BGH von einer allgemeinen Geltung der GOÄ für alle Privatkliniken ausgegangen.
Vielmehr stammt eine eindeutige Entscheidung zur Bindung an die GOÄ vom Bundessozialgericht (BSG) aus dem Jahr 2012.23 Hierbei wurde ausdrücklich klarstellt, dass der Anwendungsbereich der GOÄ für Privatkrankenanstalten gemäß § 30 GewO nicht eröffnet sei. Nach dieser Rechtsprechung sei lediglich entscheidend, ob der Patient den Behandlungsvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat, wie dem Zitat zu entnehmen ist:
„Nach § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl. dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur ‚berufliche Leistungen der Ärzte‘ Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient […] weitergehend einen umfassenden, sog. totalen Krankenhaus- aufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat […].“
[…]
„Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes u. a. nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG nicht gefördert werden.“
[…]
„Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs. 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt – wie die H. [–] ist in ihrer Preisgestaltung – in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB – grundsätzlich frei […].“
Diese Rechtsprechung bestätigte das BSG auch noch einmal im Jahr 2017.24 Nach der Rechtsprechung des BSG gelten für Privatkliniken also lediglich die allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen der Sittenwidrigkeit und etwaiger Verbotsnormen (§§ 134, 138 BGB). Sie sind ausdrücklich nicht an die GOÄ oder das DRG-System gebunden.
Entsprechend geht auch das Landgericht Köln in einer Vielzahl von Entscheidungen25 davon aus, dass keine Entgeltbindung besteht, wenn ärztliche Leistungen im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrags durch eine Privatklinik erbracht werden und ein Pauschalhonorar abgerechnet werden kann. Ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag liegt vor, wenn der Patient nicht nur in der Privatklinik behandelt, sondern auch untergebracht und verpflegt wird. In den Entscheidungen des Landgerichts Köln kam es nur zu einer gegenteiligen Entscheidung, weil die Unterbringung in einem externen Krankenhaus erfolgte, also kein totaler Krankenhausaufnahmevertrag vorlag. Dennoch werden die Entscheidungen von Patienten und Versicherern herangezogen, ohne dass konkret unterschieden wird, ob eine Behandlung und Unterbringung in der Privatklinik oder die Unterbringung in einem externen Krankenhaus erfolgt ist.
b) Wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung
Dennoch wurde in zwei wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen eine GOÄ-Bindung von Privatkliniken bejaht. Beide Entscheidungen betrafen die Werbung mit Festpreisen für ärztliche Behandlungen und sind schon aus diesem Grund zur Begründung einer allgemeinen Bindung an eine Gebührentaxe kaum heranzuziehen.26
In dem Verfahren des Landgerichts Düsseldorf war erneut keine Privatklinik in der Rechtsform einer GmbH beklagt, sondern ein Arzt als natürliche Person.27 Es ist davon auszugehen, dass zwar ein Behandlungsvertrag mit dem Arzt geschlossen war, aber lediglich die Abrechnung über die GmbH erfolgte. Diesen Unterschied hat auch das Amtsgericht Köln später unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf betont.28
Einzig das Kammergericht Berlin spricht sich – soweit ersichtlich – eindeutig für eine Bindung von durch juristische Personen getragenen Privatkliniken aus, wobei eine rechtlich fundierte Begründung fehlt und diese Entscheidung vergleichsweise alleine den bundesgerichtlichen Entscheidungen gegenübersteht und sich mit diesen erst gar nicht auseinandersetzt.29
1 Von einer Privatklinik wird allgemein gesprochen, wenn es sich um eine private Krankenanstalt handelt, die nicht zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten zugelassen ist. Eine gesetzliche Definition existiert nicht, und es wird auch vielfach der Begriff Privatkrankenanstalt verwendet, der in der amtlichen Überschrift des § 30 GewO zur gewerberechtlichen Betriebserlaubnis wiederzufinden ist. Daher wird bei Privatkliniken vielfach auf die Eigenschaft als gemäß § 30 GewO konzessionierte Privatkrankenanstalt Bezug genommen. Zwar ist die Erlaubniserteilung für eine Privatklinik dem Gewerberecht zuzuordnen und dient damit primär der Gefahrenabwehr, für die vergütungsrechtliche Einordnung hat die gewerberechtliche Zulassung aber keine unmittelbare Relevanz.
2 Ein öffentliches Krankenhaus ist eine zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten zugelassene Krankenanstalt (sogenanntes Plankrankenhaus), §§ 108, 109 SGB V.
3 Öffentliche Krankenhäuser sind in Deutschland bei der Abrechnung ihrer medizinischen Leistungen sowohl an die GOÄ (Wahlleistungen, § 17 Abs. 3 Satz 7 KHEntgG) als auch an das Fallpauschalen-/DRG-System nach dem KHEntgG gebunden. Denn öffentliche Krankenhäuser erhalten mit Aufnahme in den sogenannten Krankenhausplan öffentliche Investitionsgelder im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), und die gesetzlich bestimmten Entgeltobergrenzen des KHEntgG dienen der nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drucks. 17/6906, Seiten 1, 42; vgl. im Ergebnis z. B. OLG Köln, Urteil vom 18. August 2010 – 5 U 127/09, Rn. 32 ff.; Götz, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Auflage 2018, § 1 KHEntgG, Rn. 16.
4 Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG lautet: „Eine Einrichtung, die in räumlicher Nähe zu einem Krankenhaus liegt und mit diesem organisatorisch verbunden ist, darf für allgemeine, dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprechende Krankenhausleistungen keine höheren Entgelte verlangen, als sie nach den Regelungen dieses Gesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu leisten wären.“
5 BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris.
6 Vgl. zur Werbung BVerfG, Beschluss vom 19. November 1985, 1 BvR 38/78, Rn. 30 zitiert nach juris.
7 Auch „verbundene“ oder „ausgegründete“ genannt.
8 Siehe zur Anwendung der GOÄ auf die unterschiedlichen Arten von Wahlleistungsvereinbarungen ausführlich Büscher/Harney, in: BeckOK GewO, Pielow, 55. Edition, Stand: 01.12.2020, § 30 GewO, Rn. 11.
9 Vgl. z. B. BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris; BGH, Urteil vom 12. März 2003 – IV ZR 278/01, Rn. 9 juris; Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, juris, vgl. Pressemitteilung Nr. 52/2006; OLG München, Urteil vom 14. Januar 2010 – 29 U 5136/09, Rn. 56 juris; OLG Köln, Urteil vom 18. August 2010 – 5 U 127/09 in: MedR 2011, 369 ff.; AG Köln, Urteil vom 16. März 2016 – 144 C 168/15, Rn. 16 juris; Hübner, in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 5. Auflage 2019, § 1 GOÄ, Rn. 7; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 1 GOÄ, Rn. 6; Miebach in: Uleer/Miebach/Platt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 1 GOÄ, Rn. 6; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Auflage, 2013, Kapitel 11, Rn. 194; Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Ambulante Leistungen im Krankenhaus für Privatpatienten vom 24. Mai 2011; Stiel (Mitarbeiter des zuständigen Referates 211) des Bundesministeriums für Gesundheit, Stellungnahme zu ambulanten Operationen im Krankenhaus vom 6. Mai 2011; Griebau, in: Saalfrank, Handbuch des Medizin- und Gesundheitsrechts, 9. EL Januar 2020, § 5, Rn. 14; Scholz, in: Rieger/Dahm/ Katzenmeier/Steinhilper/Stellpflug (Hrsg.) HK-AKM, 45. AL Dezember 2012, Privatkrankenanstalten Nr. 4390, Rn. 12; Helbig, in: Engelmann/Schlegel, juris LG Duisburg, Urteil vom 24. November 2022 – 12 O 190/21, PraxisKommentar SGB V, 4. Auflage 2020, SGB V, § 13, Rn. 72; Wallhäuser, MedR 2011, 369 (373); im Ergebnis wohl auch Quaas, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 4. Auflage 2018, § 14, Rn. 42; u. v. m.
10 A.A. d. h. für eine Bindung an die GOÄ sprechen sich aus: KG Berlin, Urteil vom 4. Oktober 2016 – 5 U 8/16, Rn. 71 juris; Clausen, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Auflage 2020, § 8, Rn. 190; Schroeder-Printzen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14; Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
11 BT-Drucks. 17/6906, Seiten 1, 42.
12 KG Berlin, Urteil vom 4. Oktober 2016 – 5 U 8/16, Rn. 71 juris; Clausen, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Auflage 2020, § 8, Rn. 190; Schroeder-Printzen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14; Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
13 Vgl. Schroeder-Printzen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14.
14 Hübner, in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 4. Auflage 2016, § 1 GOÄ, Rn. 7; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 1 GOÄ, Rn. 6; Miebach, in: Uleer/Miebach/Platt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 1 GOÄ, Rn. 7; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Auflage, 2013, Kapitel 11, Rn. 194; Griebau, in: Saalfrank, Handbuch des Medizin- und Gesundheitsrechts, 9. EL August 2020; § 5, Rn. 14; Scholz, in: Rieger/Dahm/Katzen- meier/Steinhilper/Stellpflug (Hrsg.) HK-AKM, Dezember 2012, Privatkrankenanstalten Nr. 4390, Rn. 12; vgl. Helbig, in: Engelmann/Schlegel, juris PraxisKommentar SGB V, 4. Auflage 2020, SGB V, § 13, Rn. 72; Büscher/Harney, in: BeckOK GewO, Pielow, 55. Edition, Stand: 01.12.2020, § 30 GewO, Rn. 13.1.
15BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, Rn. 38 f.
16 BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris.
17 BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris; Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris; BGH, Beschluss vom 21. April 2011 – III ZR 114/10, Rn. 5 juris.
18 BGH, Urteil vom 23. März 2006 – III ZR 223/05, a. a. O.
19 Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
20 BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, Rn. 6 juris.
21 BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, Rn. 1 juris.
22 Bundesgerichtshof, Pressemitteilung vom 23. März 2006, Nr. 52/2006.
23 BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, zitiert nach juris.
24 BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris.
25 LG Köln, Hinweis- und Beweisbeschluss vom 8. November 2021 – 3 O 393/20; LG Köln, Urteile vom 15. Februar 2022 – 3 O 231/19 und 3 O 232/19 und 3 O 233/19 und 3 O 234/19.
26 LG Düsseldorf, Urteil vom 30. August 2013 – 38 O 6/13; KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016 – 5 U 8/16, Rn. 69 juris.
27 LG Düsseldorf, Urteil vom 30. August 2013 – 38 O 6/13, Rn. 2 juris.
28 AG Köln, Urteil vom 16. März 2016 – 144 C 168/15, Rn. 17 juris.
29 KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016 – 5 U 8/16, Rn. 69 juris.
Von Jens Röhrbein
I. Vorbemerkungen
Gerade bei der Besteuerung der von Privatkliniken erbrachten Leistungen zeigen sich seit etlichen Jahren die Probleme der Unabgestimmtheit des deutschen Umsatzsteuerrechts mit den europarechtlichen Vorgaben in besonderem Maße. Daraus ergibt sich eine unbefriedigende Situation, die grundsätzlich keine verallgemeinerungsfähigen Handlungsempfehlungen zulässt. Diese Unsicherheit kann jedoch von erheblicher Bedeutung für die wirtschaftliche Lage einer Privatklinik sein. Daher ist die umsatzsteuerliche Situation einer jeden Privatklinik entsprechend der von ihr angebotenen Leistungen individuell zu untersuchen. Aufgrund dieser Untersuchung lassen sich dann konkrete Maßnahmen zur Sicherung der eigenen Rechtsposition ergreifen.
Hintergrund dessen ist, dass das Umsatzsteuerrecht durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)1 in der Europäischen Union weitgehend vereinheitlicht ist, der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung dieser Bestimmungen in das Umsatzsteuergesetz (UStG) jedoch nicht immer richtlinienkonform verfährt. Die entsprechenden für Heilbehandlungen maßgeblichen Bestimmungen finden sich in § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG2 und in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden“, von der Umsatzsteuer befreit. Ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG „Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden“. Privatkliniken fallen hierunter zunächst nicht, weil sie keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind. Ihre Leistungen werden nur unter weiteren Voraussetzungen nach Satz 2 des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit, auf die weiter unten eingegangen wird.
Gemeinsam ist beiden Befreiungstatbeständen (Buchst. a wie Buchst. b des § 4 Nr. 14 UStG) jedoch, dass nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Umsatzsteuer befreit sind.
II. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
Wesentliche Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung auch einer Privatklinik ist mithin, dass diese Heilbehandlungsleistungen erbringt. Sowohl ärztliche Heilbehandlungen als auch Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Maßnahmen handelt, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen ergriffen werden. Sie müssen mithin der Gesundheit dienen und somit einen therapeutischen Zweck haben.3 An dieser Voraussetzung scheitert bereits die Umsatzsteuerbefreiung mancher von einem Arzt oder einer Privatklinik erbrachter Leistung. Das betrifft insbesondere sogenannte Schönheitsoperationen, also ästhetisch-plastische Operationen, bei denen ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht.4
Die Finanzverwaltung zieht als Indiz dafür, dass keine begünstigte Heilbehandlung gegeben ist, auch heran, dass die Krankenversicherungen die Kosten für die entsprechenden Leistungen nicht übernehmen. Dabei wird regelmäßig auf die gesetzliche Krankenversicherung Bezug genommen und einer Erstattung durch private Krankenversicherungen kein größeres Gewicht beigemessen. Insbesondere gewährt die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit dann nicht, wenn die entsprechende Behandlungsleistung (noch) nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als erstattungsfähig anerkannt ist. Das ist gerade bei innovativen Heilbehandlungen problematisch, weil der Entscheidungsprozess des G-BA verhältnismäßig langwierig ist.
Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der G-BA die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Als Entscheidungsgremium mit Richtlinienkompetenz legt der G-BA daher innerhalb des vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen Rahmens fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelnen übernommen werden.
Für die Entscheidung des G-BA sind mithin jedoch nicht nur therapeutische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche von Relevanz, sodass für die Frage, ob eine begünstigte Heilbehandlung gegeben ist, unseres Erachtens die Entscheidung des G-BA nicht in jedem Fall ein geeignetes Kriterium ist. Auch Leistungen einer Privatklinik, die der G-BA aus wirtschaftlichen Gründen als nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernahmefähig beurteilt, können Heilbehandlungsleistungen im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG sein.
III. Besondere Voraussetzungen für Privatkliniken
Damit von Privatkliniken erbrachte Heilbehandlungsleistungen umsatzsteuerfrei erbracht werden können, müssen diese weitere Voraussetzungen erfüllen. Wenn die Privatklinik nicht zu den in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb bis ii UStG genannten speziellen Leistungserbringern gehört und keine Zulassung nach § 108 SGB V (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa 1. Halbsatz 1. Alt. UStG) besitzt, muss sie „ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 [SGB V] zugelassen sind“, so § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa 1. Halbsatz 2. Alt. UStG. Die entsprechende Gesetzesfassung des für die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen von Privatkliniken entscheidenden § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG wurde erst durch das sogenannte Jahressteuergesetz 20195 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 eingeführt.
Das hat zur Folge, dass bei einer Privatklinik über die medizinische Indikation der Heilbehandlungsleistung hinaus nach der in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa 2. Halbsatz UStG gegebenen Definition der „in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen“ die folgenden Bedingungen erfüllt sein müssen:
Hinsichtlich der Beurteilung dieser Kriterien ist auf die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr abzustellen. Vor dem 1. Januar 2020 wandte die Finanzverwaltung ähnliche Kriterien allein aufgrund einer Verwaltungsanweisung an.7
Für die Betreiber einer Privatklinik ist dabei entscheidend, dass sie den Nachweis dafür, dass diese Kriterien erfüllt sind, gegenüber dem zuständigen Finanzamt selbst erbringen müssen, um in den Genuss der Umsatzsteuerfreiheit zu kommen.8 Es empfiehlt sich mithin, diesbezüglich entsprechende Vorsorge zu treffen.
Allerdings hatte das Niedersächsische Finanzgericht9 dem EuGH10 einige Rechtsfragen zur Umsatzsteuerfreiheit von in den Jahren 2009 bis 2012 ausgeführten Umsätzen eines Krankenhauses nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL zur Vorabentscheidung vorgelegt, die auch für die vorliegenden entscheidenden Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG in der gegenwärtigen Fassung relevant sind.
Der EuGH hat in seinem Urteil nochmals betont, dass es mit der MwStSystRL nicht vereinbar ist, wenn das deutsche UStG die von einem privaten Krankenhaus erbrachten Heilbehandlungen dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn es infolge der Aufnahme in einen Krankenhausplan oder infolge des Abschlusses von Versorgungsverträgen mit den gesetzlichen oder Ersatzkassen zugelassen ist.
Das gilt nach dem EuGH jedenfalls dann, wenn private Krankenhäuser, die gleichartige Leistungen unter Bedingungen erbringen, die mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, in Bezug auf die Steuerbefreiung unterschiedlich behandelt werden.11
Im Rahmen der Feststellung der Vergleichbarkeit der erbrachten Behandlungsleistungen in sozialer Hinsicht können nach dem EuGH-Urteil folgende Kriterien berücksichtigt werden:
Bemerkenswert ist insoweit, dass der EuGH bei Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL bezüglich der Erfüllung dieser Kriterien auf die jeweils erbrachte Leistung abstellt12 und nicht wie der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG an die die Leistungen erbringende Einrichtung anknüpft.13 Außerdem stellt § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG mit der 40-%-Grenze eine Voraussetzung für die Steuerbefreiung der von Privatkliniken erbrachten Leistungen auf, die weder Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher noch Plankrankenhäuser in privater Trägerschaft erfüllen müssen. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL und im Anschluss daran der EuGH fordern aber gerade die Vergleichbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern. Danach ist selbst ein Vergleich mit privatrechtlich organisier- ten Plankrankenhäusern ausgeschlossen, während öffentlich-rechtliche Krankenhäuser keine besonderen verallgemeinerungsfähigen Bedingungen erfüllen müssen.14 Darüber hinaus dürfte es für die Privatklinikbetreiber ein in der Praxis gut handhabbares Merkmal sein, ob die Behandlungskosten im Rahmen des Systems der sozialen Sicherheit übernommen werden. Denn hierunter fällt sicher die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung, aber wohl auch durch die Beihilfe und die private Krankenversicherung, weil sie sämtlich nach unserem Verständnis Teil des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Systems der sozialen Sicherheit sind.15
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat darüber hinaus mit Urteil vom 17. Mai 202216, also nach dem vorgenannten EuGH-Urteil vom 7. April 2022, entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen nach der auf Krankenhäuser grundsätzlich nicht anwendbaren Vorschrift § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerbefreit sein können, selbst wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden, die ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerbefreit sind, weil nicht alle Voraussetzungen des Buchst. b UStG erfüllt werden können. Es geht dabei entgegen dem Finanzgericht Düsseldorf17 davon aus, dass die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG die Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zumindest bezogen auf die Heilbehandlung nicht sperrt.18
Das Finanzgericht Düsseldorf hat seine insoweit abweichende Auffassung zwar mit Urteil vom 19. Juli 201919 bestätigt. Es hat darin jedoch zumindest von angestellten Ärzten erbrachte ärztliche Wahlleistungen, die nach der GOÄ abgerechnet wurden, an Patienten der Privatklinik (oder auch im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung an Patienten eines Plankrankenhauses) im eigenen Namen, aber für Rechnung der Privatklinik, der die gesamten Erlöse aus den ärztlichen Wahlleistungen zufließen, nach den Grundsätzen der sogenannten Dienstleistungskommission nach § 4 Nr. 14 Buchst. a in Verbindung mit § 3 Abs. 11 UStG als umsatzsteuerfrei behandelt. Soweit die Privatklinik jedoch im eigenen Namen im Rahmen einer Kooperation mit einem Plankrankenhaus Leistungen an dieses erbringt, sind die Umsätze danach jedoch umsatzsteuerpflichtig.20
Gegen beide Urteile, sowohl gegen das des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts als auch gegen das des Finanzgerichts Düsseldorf, sind jedoch noch Revisionen beim BFH anhängig.21 Insoweit bleibt abzuwarten, wie der BFH das Urteil des EuGH vom 7. April 2022 im Rahmen der beiden Revisionsverfahren interpretieren wird. Zumindest bis zu den Entscheidungen des BFH in diesen Verfahren gilt es daher, Umsatzsteuerbescheide offenzuhalten, die für von Privatkliniken erbrachte Heilbehandlungsleistungen Umsatzsteuer festsetzen.
Insbesondere wird es darauf ankommen, wie der BFH den Widerspruch des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG, der bei Privatkliniken die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht einrichtungsbezogen bestimmt, mit der EuGH-Rechtsprechung, die diese Vergleichbarkeit auf den einzelnen Umsatz, also die einzelne Leistung, bezieht, auflösen wird.22 Grundsätzlich dürfte eine erneute Gesetzesänderung erforderlich sein, um das deutsche UStG in Einklang mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL in seiner Auslegung durch den EuGH zu bringen. Wann und in welcher Weise das geschehen wird, ist indes noch ungewiss. Das bedeutet, dass die umsatzsteuerrechtliche Einordnung – insbesondere die Umsatzsteuerfreiheit – von durch Privatkliniken erbrachten Heilbehandlungsleistungen auch weiterhin mit erheblicher Rechtsunsicherheit behaftet ist.
IV. Eng verbundene Umsätze
Über die reine Heilbehandlung hinaus sind mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen im Sinne des Buchst. b des § 4 Nr. 14 UStG – also auch solche von Privatkliniken erbrachte – „eng verbundene Umsätze“ ebenfalls von der Umsatzsteuerbefreiung erfasst.23 Als solche eng verbundene Umsätze gelten Leistungen, die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen. Nach der Rechtsprechung des EuGH, die auf Art. 134 MwStSystRL rekurriert, dürfen diese Umsätze insbesondere nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen.24 Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen.25 Darüber hinaus betont der EuGH, dass es sich nur dann um begünstigte eng verbundene Umsätze handelt, „wenn sie für die Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind“26. Dieser Aspekt wird von der Finanzverwaltung nicht explizit aufgegriffen; und angesichts einiger der in der Liste der eng verbundenen Umsätze im UStAE27 aufgeführten Leistungen spricht viel dafür, dass sie diesem Kriterium auch keine (größere) Bedeutung beimisst. So werden nach Abschn. 4.14.6 Abs. 2 UStAE28 als in diesem Sinne „eng verbundene Umsätze“ angesehen:
Die Finanzverwaltung spricht in Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 7 UStAE nur die Überlassung von Personal durch Einrichtungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, also beispielsweise durch Krankenhäuser, an andere Einrichtungen, die unter diese Vorschrift fallen, also beispielsweise ein anderes Krankenhaus, an. Nicht erfasst ist damit insbesondere die Überlassung von medizinischem Hilfspersonal an angestellte Ärzte für die von diesen ausgeübte selbstständige Tätigkeit und niedergelassene Ärzte, ohne dass diese mit der parallelen Überlassung medizinisch-technischer Großgeräte im Sinne des Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 5 UStAE verbunden ist. Insoweit geht der BFH indes davon aus, dass eine solche Personalüberlassung zu den begünstigten „eng verbundenen Umsätzen“ gehört, wenn sie für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten unerlässlich ist.30
Nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehören nach Abschn. 4.14.6 Abs. 3 UStAE31 hingegen namentlich:
Im Ergebnis lassen sich danach zahlreiche Leistungen, die nicht unmittelbar der Heilbehandlung dienen als „eng verbundene Umsätze“ umsatzsteuerfrei behandeln. Das gilt für Privatkliniken nach deutschem Umsatzsteuerrecht (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG) jedoch wiederum nur, wenn die Privatklinik die von dieser Vorschrift aufgestellten einrichtungsbezogenen Voraussetzungen hinsichtlich der in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen erfüllt. Insoweit spielt eine entscheidende Rolle, wie Rechtsprechung und Finanzverwaltung das EuGH-Urteil vom 7. April 202232 interpretieren werden und welche Konsequenzen der Gesetzgeber daraus für die erforderliche erneute Änderung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG ziehen wird.
V. Zusammenfassung, Ergebnis, Handlungsempfehlungen
Häufig sehen sich Privatkliniken, die eine innovative Behandlungsform anbieten, bei der Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG seitens der Finanzverwaltung bereits mit Zweifeln an der Qualifikation als Heilbehandlungsleistung konfrontiert. Innovative Behandlungsleistungen sind häufig nicht vom G-BA als durch die gesetzliche Krankenversicherung übernahmefähig anerkannt. Bereits daran droht hin und wieder die Umsatzsteuerbefreiung der von Privatkliniken angebotenen Leistungen zu scheitern.
Ist diese Hürde genommen und die Leistung der Privatklinik als Heilbehandlungsleistung anerkannt, steht der Umsatzsteuerfreiheit der von Privatkliniken erbrachten ärztlichen Heilbehandlungsleistungen und Krankenhausbehandlungen die Vergleichbarkeit der dortigen Bedingungen in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen, unter denen Einrichtungen des öffentlichen Rechts derartige Leistungen erbringen, im Weg. Diese hat der deutsche Gesetzgeber versucht, mit dem einrichtungsbezogenen 40-%-Kriterium des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG auszufüllen. Danach muss das Leistungsangebot der Privatklinik dem von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder von Plankrankenhäusern entsprechen, und die Kosten müssen (voraussichtlich) in mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem KHEntgG oder der BPflV berechnet wurde, oder voraussichtlich mindestens 40 % der Leistungen müssen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung, Beziehern von Leistungen nach SGB II, Empfängern von Sozialhilfe und Versorgungsberechtigten zugutekommen. Dieses Kriterium begegnet aus mehreren Gründen auch nach einem EuGH-Urteil vom 7. April 202233 erheblichen europarechtlichen Bedenken.
Bei der auf die Höhe des Entgelts im Vergleich zu KHEntgG oder BPflV bezogenen 40-%-Grenze ist unseres Erachtens allerdings zu berücksichtigen, dass sowohl öffentlich-rechtliche Krankenhäuser als auch Plankrankenhäuser anders als Privatkliniken erhebliche Fördermittel insbesondere nach den KHG erhalten. Damit der diesbezügliche Nachweis geführt werden kann, ist regelmäßig ein betriebswirtschaftliches Gutachten erforderlich. Ein solches erübrigt sich, wenn dokumentiert werden kann, dass mindestens 40 % der Leistungen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung, Beziehern von Leistungen nach SGB II, Empfängern von Sozialhilfe und Versorgungsberechtigten zugutegekommen sind und die Kosten von den entsprechenden Versorgungsträgern übernommen wurden. Unseres Erachtens müssten hier entgegen dem Gesetzeswortlaut allerdings auch die Beihilfeberechtigten und Privatkrankenversicherten einbezogen werden.
Solange aber das deutsche Umsatzsteuergesetz in der gegenwärtigen Fassung gilt, können sich Privatkliniken, die diese Voraussetzungen erfüllen, darauf berufen. Bezüglich der einzelnen gesetzlichen Kriterien (Ermittlung des Vergleichsentgelts, Einbeziehung von Beihilfeempfängern und Privatkrankenversicherten) bedarf es indes auch dann nicht selten der Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt.
Sollte die Umsatzsteuerfreiheit jedoch an dem 40-%-Kriterium scheitern, können sich Privatklinikbetreiber (auch für nach dem 1. Januar 2020 ausgeführte Umsätze) zur Durchsetzung der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Heilbehandlungsumsätze unseres Erachtens weiterhin unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen.34 Das zuständige Finanzamt wird dem allerdings voraussichtlich nicht von sich aus folgen. Insoweit ist dann zu entscheiden, ob und gegebenenfalls auf welcher Stufe (z. B. bereits im Veranlagungs- oder im Einspruchsverfahren) es zweckmäßig ist, eine Verwaltungsanweisung, eine Gesetzesänderung oder die Entscheidungen des BFH in den angesprochenen Revisionsverfahren35 abzuwarten, um zu sehen, wie diese das EuGH-Urteil vom 7. April 202236 umsetzen. Falls der BFH sich nicht selbst noch einmal zu einer Vorlage zum EuGH entschließt, ist unseres Erachtens in absehbarer Zeit mit den Entscheidungen in den Revisionsverfahren zu rechnen. Anderenfalls kann selbstverständlich auch jeder Privatklinikbetreiber selbst den Klageweg zu den Finanzgerichten beschreiten.
Gegenwärtig erteilt die Finanzverwaltung grundsätzlich auch keine verbindlichen Auskünfte im Sinne des § 89 Abs. 2 AO hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit von durch Privatkliniken erbrachten Krankenhausbehandlungen oder ärztlichen Heilbehandlungen. Zur Begründung wird insoweit seit mehreren Jahren angeführt, es werde in Kürze eine Verwaltungsanweisung hierzu ergehen.
Das hat einige Privatklinikbetreiber sogar dazu veranlasst, die Leistungen zwar umsatzsteuerfrei an ihre Patienten zu erbringen, aber das sich daraus ergebende erhebliche wirtschaftliche Risiko eines sich von Jahr zu Jahr erhöhenden Umsatzsteuernachzahlungsbetrags zu versichern. Eine solche Versicherung macht aus einem nahezu unkalkulierbaren Risiko eine kalkulierbare wirtschaftliche Größe in Höhe der Versicherungskosten.
1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 vom 11. Dezember 2006, 1.
2 Gegenwärtig geltende Fassung des § 4 Nr. 14 UStG zuletzt mit Wirkung vom 1. Januar 2020 durch Gesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I 2019, 2451).
3 So auch Abschn. 4.14.1 Abs. 4 UStAE; EuGH, Urteil vom 14. September 2000, C-384/98, D., UR 2000, 432; Urteil vom 20. November 2003, C-212/01, Unterpertinger, UR 2004, 70; Urteil vom 20. November 2003, C-307/01, d’Ambrumenil and Dispute Resolution Services, UR 2004, 75.
4 Siehe Abschn. 4.14.1 Abs. Nr. 8 UStAE.
5 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019, BGBl. I 2019, 2451.
6 Vgl. Sterzinger, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 14, Rn. 57 (Stand: 6/2020).
7 BMF-Schreiben vom 6. Oktober 2016, BStBl. I 2016, 1076.
8 So Sterzinger, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 14, Rn. 56 (Stand: 6/2020).
9 Niedersächsisches FG, Beschluss vom 2. März 2020, 5 K 256/17.
10 EuGH, Urteil vom 7. April 2022, C-228/20, I (Exonération de TVA des prestations hospitalières), DStR 2022, 833.
11 So zuvor auch bereits BFH, Urteil vom 23. Oktober 2014, V R 20/14, BStBl. II 2016, 785.
12 In diesem Sinne auch bereits EuGH, Urteil vom 5. März 2020, C-211/18, Idealmed III, DStR 2020, 588; vgl. dazu Anm. Klaßmann, MwStR 2020, 369, 373.
13 Zu diesem Widerspruch vgl. auch Sterzinger, UStB 2022, 131, 133; so auch Anm. von Erdbrügger, MwStR 2022, 471, 478.
14 Siehe auch diesbezüglich Anm. von Erdbrügger, MwStR 2022, 471, 478.
15 Insoweit auch Anm. von Erdbrügger, MwStR 2022, 471, 478.
16 Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17. Mai 2022, 4 K 119/18, EFG 2022, 1497 (Revision beim BFH anhängig unter Az. V R 10/22).
17 FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305.
18 Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17. Mai 2022, 4 K 119/18, EFG 2022, 1497 (Revision beim BFH anhängig unter Az. V R 10/22), insoweit auch gegen die Gesetzesbegründung zu Art. 7 Nr. 2 Buchst b des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009), BT-Drucks. 16/10189, 74 f., wo es heißt: „[D]ie Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses oder einer anderen Einrichtung i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG sind auch hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nur dann umsatzsteuerfrei, wenn die dort bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2004, V R 53/00, BStBl. II S. 677 m. w. N.)“.
19 FG Düsseldorf, 1 K 907/17 U, EFG 2021, 875 (Revision beim BFH anhängig unter Az. XI R 18/20).
20 FG Düsseldorf, vom 19. Juli 2019, 1 K 907/17 U, EFG 2021, 875 (Revision beim BFH anhängig unter Az. XI R 18/20).
21 Revisionen beim BFH unter den Az. XI R 18/20 gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 19. Juli 2019 (1 K 907/17 U, EFG 2021, 875) und V R 10/22 gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 17. Mai 2022 (4 K 119/18, EFG 2022, 1497).
22 Zu diesem Widerspruch vgl. auch Sterzinger, UStB 2022, 131, 133; kritisch auch lj/ms, UVR 2022, 165.
23 Vgl. Abschn. 4.14.6 UStAE.
24 EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005, C-394/04 und 395/04, Ygeia, UR 2006, 171.
25 Abschn. 4.14.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE.
26 EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005, C-394/04 und 395/04, Ygeia, UR 2006, 171.
27 Abschn. 4.14.6 Abs. 2 UStAE.
28 Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE wurde zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 13. Dezember 2022 betreffend die Umsatzbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG; Abgabe von Medikamenten, III C 3 – S 7170/20/10001:001, www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer-Anwendungserlass/2022-12-13-USt-Abgabe-Medikamente.html. Dadurch wurde die begünstigte Abgabe von Medikamenten an ambu- lant behandelte Patienten eines Krankenhauses gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung deutlich ausgedehnt.
29 Zu ärztlichen Gutachten ohne Verfolgung eines therapeutischen Zwecks vgl. jüngst auch EuGH, Urteil vom 24. November 2022, C-458/21, CIG Pannónia Életbiztosító, juris.
30 So BFH, Urteil vom 25. Januar 2006, V R 46/04, BStBl. II 2006, 481; Urteil vom 18. Januar 2005, V R 35/02, BStBl. II 2005, 407; Klaßmann/Stein, Aktuelle Besteuerungsfragen für Krankenhäuser und Krankenhausträger, 7. Auflage 2021, 353.
31 Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 4 UStAE wurde gestrichen durch das BMF-Schreiben vom 13. Dezember 2022 betreffend die Umsatzbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG; Abgabe von Medikamenten, III C 3 – S 7170/20/10001:001, www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer-Anwendungserlass/2022-12-13-USt-Abgabe-Medikamente.html.
32 EuGH, Urteil vom 7. April 2022, C-228/20, I (Exonération de TVA des prestations hospitalières), DStR 2022, 833.
33 a. a. O.
34 So auch Sterzinger, UStB 2022, 131, 133.
35 Revisionen beim BFH unter den Az. XI R 18/20 gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 19. Juli 2019 (1 K 907/17 U, EFG 2021, 875) und V R 10/22 gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 17. Mai 2022 (4 K 119/18, EFG 2022, 1497).
36 EuGH, Urteil vom 7. April 2022, C-228/20, I (Exonération de TVA des prestations hospitalières), DStR 2022, 833.
Von Dr. Eva Rütz und Katharina Gorontzi
I. Einleitung
Das Arbeitsrecht spielt im Klinikbereich eine wichtige Rolle und umfasst nicht „nur“ den reinen Arbeitsvertrag. Denn es spielen zahlreiche Arbeitnehmerrechte und gesetzliche Vorgaben aus diversen Bereichen wie u. a. Arbeitsschutz und Arbeitszeit, Arbeitnehmerüberlassung, Sozialversicherungsrecht, Mitarbeiterdatenschutz sowie Mindestlohngesetz beim Personaleinsatz ins Arbeitsrecht mit hinein. Nachfolgend wird ein stichpunktartiger Überblick über im Arbeitsrecht zu berücksichtigende Aspekte gegeben, der ein gewisses Problembewusstsein schaffen soll.
II. Arbeitsrechtliche Besonderheiten
1. Der Arbeitsvertrag und das Nachweisgesetz (NachwG)
Der Arbeitsvertrag bildet die Grundlage eines jeden Arbeitsverhältnisses und umfasst die wesentlichen Regelungen, die für den Arbeitgeber, aber auch den Arbeitnehmer wichtig sind. Dabei ist im ersten Schritt für das Grundgerüst des Arbeitsvertrags das NachwG zu berücksichtigen, denn dieses bestimmt, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen muss. Zum August 2022 ist der bisherige Katalog der niederzulegenden Bedingungen erweitert worden, sodass nunmehr neben dem Namen der Vertragsparteien, dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und einer Tätigkeitsbeschreibung u. a. auch
niederzulegen sind. Der genaue Katalog ist § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG zu entnehmen. Wichtig ist dabei, dass wesentliche Arbeitsbedingungen schon ab dem ersten Tag niedergelegt werden sollen; es ist aber sinnvoll, direkt über alle Arbeitsbedingungen ab dem ersten Tag der Beschäftigung zu informieren. Bei sogenannten Altverträgen (also vor August 2022 geschlossenen) haben die Mitarbeiter einen Auskunftsanspruch. Dann sind Arbeitgeber gehalten, binnen sieben Tagen schriftlich – also mit Unterschrift seitens des Arbeitgebers – über die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen zu informieren.
Schriftlich im Sinne des § 126 BGB bedeutet – vereinfacht ausgedrückt -, dass zwei händische Unterschriften auf einem Blatt Papier erfolgen müssen. Wurden/Werden die Arbeitsverträge elektronisch unterzeichnet (z. B. mittels DocuSign®) wird dem NachwG dadurch nicht genügt. Dann kann aber mit einem schriftlichen Nachweisschreiben gearbeitet werden, das die Arbeitsbedingungen aufführt.
Ein Verstoß gegen die Nachweispflichten hat zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags, aber Verstöße sind bußgeldbewehrt mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß (!) und können möglicherweise Schadenersatzansprüche der Arbeitnehmer auslösen.
2. Mindestlohngesetz (MiLoG)
Bei der Vergütungsgestaltung ist stets zu bedenken, ob die Vorgaben des MiLoG eingehalten werden. Nach diesem ist jede vom Arbeitnehmer geleistete, also tatsächlich erbrachte, Arbeitsstunde zu vergüten. Nicht vom MiLoG umfasst sind z. B. Pflichtpraktika, die verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie absolviert werden. Ehrenamtlich Tätige und Hospitanten haben keinen Mindestlohnanspruch.
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn beträgt per 1. Oktober 2022 EUR 12 je Zeitstunde und wird regelmäßig durch die sogenannte Mindestlohnkommission angepasst, sodass Arbeitgeber auch hier stets ein Auge darauf haben sollten. Verstöße gegen das MiLoG sind bußgeldbewehrt (bis zu EUR 500.000 je Verstoß), und der Arbeitnehmer hat einen Schadenersatzanspruch hinsichtlich des Differenzbetrags, der dann auch der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Im Bereich der Pflege ist der Pflegemindestlohn im April 2022 auf folgende Beträge bundeseinheitlich gestiegen: Pflegehilfskräfte: EUR 2.175 brutto/Monat; qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit): EUR 2.288 brutto/Monat; Pflegefachkräfte: EUR 2.669 brutto/Monat.
3. Vergütungsgestaltung
a) Allgemeine Aspekte
Bei der Vergütungsgestaltung sind zunächst allgemeine Aspekte und Selbstverständlichkeiten wie die Bestimmung des Bruttoentgelts sowie die Vergütung etwaiger Überstunden (bzw. Überstundenabgeltung) zu vereinbaren.
Die Zahlung etwaiger Sonderzahlungen ist ebenso wie die Zahlung von Boni möglich.
b) „Zuweiser“
Das Hauptproblem ist in der Praxis Folgendes: Wie sind Ärzte angemessen zu vergüten, die neben einer Tätigkeit im Krankenhaus z. B. zusätzlich auch ambulant in Niederlassung tätig sind und somit potenzielle Zuweiser sind? Denn bei einer doppelten Tätigkeit wird schnell ein korruptives Verhalten vermutet („Zuweisungen erfolgen allein wegen hoher Vergütungen“), dem lediglich mit der Zahlung einer „angemessenen Vergütung“ zumindest indiziell Einhalt geboten werden kann. Die Frage, wann eine Vergütung angemessen ist, variiert und hängt auch von der Qualifikation, aber auch von der Region ab. Rechtfertigungsgründe für eine vergleichsweise hohe Vergütung können z. B. sein: besonderes Fachwissen, Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung oder Versorgungsengpass.
4. Chefarztverträge
Chefärzte sind Arbeitnehmer, woraus folgt, dass bei ihrer Einstellung und Entlassung unbedingt vorher ein ggf. eingerichteter Betriebsrat angehört2 werden muss. Ein langer Streit und inzwischen geklärter „Klassiker“ im betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang war die Frage, ob Chefärzte als leitende Angestellte im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne (§ 5 Abs. 3 BetrVG) zählen, was im Ergebnis zu verneinen ist.
Bei Zielvereinbarungen und etwaigen Beteiligungsvergütungen innerhalb von Chefarztverträgen sollte grundsätzlich folgender Grundsatz zur Vermeidung von Korruptionsvorwürfen berücksichtigt werden: Je weniger unmittelbarer Zusammenhang zu selbst behandelten Patienten besteht, umso eher ist eine Vereinbarung zulässig.
Im Bereich der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten – der naturgemäß bei Privatkliniken keine Rolle spielt – werden in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren turnusmäßig Empfehlungen der Gemeinsamen Koordinierungsstelle3 (sogenannte. Positiv- und Negativlisten4) zur Vermeidung von Korruptionsvorwürfen veröffentlicht. Es handelt sich zwar nur um unverbindliche Empfehlungen, die darüber hinaus im Bereich von Privatkliniken keine Berücksichtigung finden müssen, gleichwohl kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Strafverfolgungsbehörden bei etwaigen Ermittlungen im Zusammenhang mit unzulässigen Zuweisungen gegen Entgelt auf diese Empfehlungen Rückgriff nehmen.
Hinsichtlich der Frage einer „angemessenen Vergütung“ stellt sich das vorstehende „Zuweisungsthema“ regelmäßig nicht, jedenfalls dann nicht, wenn der Chefarzt in Vollzeit (üblicherweise 40 Stunden/Woche) tätig wird und damit de facto keine Zuweisermöglichkeit besteht.
5. Arbeitszeitrecht
Ein wichtiger arbeitsrechtlicher Teilbereich ist das Arbeitszeitrecht, denn hier zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis permanenter Verfügbarkeit ausreichend qualifizierten Personals vs. arbeitszeitrechtlicher Vorgaben. Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne ist jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt. Im Grundsatz können Arbeitnehmer höchstens 48 Stunden/Woche arbeiten, d. h. regelmäßig nicht mehr als acht Stunden täglich. Im TV-Ärzte ist beispielsweise eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit i. H. v. 40 Stunden mit einem möglichen Arbeitszeitkorridor bis zu 45 Stunden vorgesehen, wobei die tägliche Höchstarbeitszeit im Schichtdienst zwölf Stunden betragen kann.5 Pausen sind ebenfalls einzuhalten und zwar mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei über neun Stunden. Für Chefärzte ist das Arbeitszeitgesetz übrigens nicht anwendbar!
Regelmäßig stellt sich bezüglich Umkleidezeiten, Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdiensten die Frage, ob es sich hierbei um Arbeitszeit handelt.
Die Verpflichtung zur Etablierung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit (nicht nur der Überstunden) ist eigentlich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH8 in deutsches Recht umzusetzen, bis dato aber noch nicht erfolgt und sollte weiter beobachtet werden. Schon jetzt sind Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz mit Bußgeldern bis zu EUR 30.000 belegt, und es ist zu erwarten, dass mit Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für ein Zeiterfassungssystem die Bußgelder noch heraufgesetzt werden.
6. Sozialversicherungsrecht
Mitarbeit in Privatkliniken kann entweder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis oder im Rahmen einer nicht abhängigen, selbstständigen Tätigkeit erfolgen. Eine abhängige Beschäftigung liegt vor, wenn eine Tätigkeit nach örtlichen, fachlichen und zeitlichen Weisungen ausgeübt wird und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Die Abgrenzung der einzelnen Merkmale ist in der Praxis oftmals schwierig, und das Risiko einer von der Deutschen Rentenversicherung festgestellten Sozialversicherungspflicht ist hoch. Folge wäre nicht nur die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die vergangenen vier Jahre, sondern womöglich auch die Einleitung von Strafverfahren (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Steuerhinterziehung). Besonderes Augenmerk ist auf den Einsatz von Honorarkräften zu setzen, der nachfolgend gesondert thematisiert wird.
Ohnehin ist im regulierten Gesundheitsbereich anzuraten, eine Mitarbeit ausschließlich in Form der Anstellung zu gestalten. Denn üblicherweise kann eine Delegation von ärztlichen Leistungen unter Berücksichtigung von Datenschutzrechten und Verschwiegenheitspflichten9 nur innerhalb eines Anstellungsverhältnisses rechtlich sicher erfolgen, und es wird eine Eingliederung in den Krankenhausbetrieb als Merkmal für eine abhängige Beschäftigung vorliegen. Nähere Ausführungen dazu finden Sie nachfolgend unter dem Punkt „Honorarverträge, freie Mitarbeiter“.
Bei Zweifeln ist zu empfehlen, bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren vor Aufnahme der Tätigkeit gemäß § 7a Abs. 4a SGB IV durchzuführen. Das Verfahren dient dazu, rechtssicher feststellen zu lassen, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt oder nicht.
7. Urlaub
Stets anzuraten ist, innerhalb des Arbeitsvertrags zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch (z. B. bei einer 5-Tage-Woche: 20 Arbeitstage) und einem ggf. vereinbarten zusätzlichen vertraglichen Urlaubsanspruch zu unterscheiden, da dies u. a. für den Verfall von Urlaubsansprüchen wichtig ist. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter frühzeitig auf einen etwaigen Verfall von Urlaubsansprüchen hinweisen und zur Urlaubsnahme auffordern, denn sonst droht, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht verfällt und weiter „mitgenommen“ wird.
8. Teilzeit- und Befristungsrecht
Ein probates Mittel zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen ist der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen. Wichtig ist hierbei, nicht zu vergessen, dass ein befristeter Arbeitsvertrag zwingend der Schriftform (§ 126 BGB) genügen muss und sogenannte sachgrundlose Befristungen nur möglich sind, wenn die befristet eingestellten Mitarbeiter jedenfalls in den letzten drei Jahren nicht schon für das Unternehmen tätig waren und die Befristung maximal dreimal bei einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren erfolgt ist. Bei einer Verlängerung sollte diese vor Ende der Vertragslaufzeit vereinbart werden. Etwaige Änderungen des bisherigen Vertrags (z. B. Gehaltserhöhung) sollten immer separat und nicht zusammen mit der Verlängerung vereinbart werden.
Werden diese wesentlichen Grundsätze nicht verinnerlicht, droht, dass die Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erstarkt.
Neu im Zusammenhang mit den Neuerungen rund um das NachwG (siehe oben) ist auch, dass eine Probezeit zwar weiterhin in befristeten Verträgen vereinbart werden kann; die Dauer der Probezeit muss aber in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses stehen. Bei einer nur 1-jährigen Befristung empfehlen wir eine 3-monatige Probezeit, darüber hinaus maximal eine 6-monatige Probezeit. Bei noch kürzeren Befristungen ist es aus unserer Sicht angemessen, die Probezeit auf einen Monat zu begrenzen.
9. Fremdpersonaleinsatz – Arbeitnehmerüberlassung (AÜ)
AÜ sind ebenfalls im Krankenhausbereich üblich und unterliegen einigen Feinheiten. Eine solche liegt vor, wenn Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) von einem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) gegen Entgelt für begrenzte Zeit überlassen werden. Das kann im Krankenhausbetrieb also schon dann sehr schnell der Fall sein, wenn Personalengpässe durch den Einsatz externen Personals aus Personalfirmen kompensiert werden, aber auch bei Kooperationen durch wechselseitigen Einsatz von Personal (z. B. das Personal von einem Medizinischen Versorgungszentrum wird ins Krankenhaus „geschickt“). Erforderlich sind stets eine AÜ-Erlaubnis (auf Verleiherseite) und die Beachtung der Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten. Es existieren verschiedene Gestaltungsmodelle (z. B. Rotationsmodell), und auch eine Privilegierung aufgrund einer Konzernstruktur ist möglich, sollte aber stets im Einzelfall genau geprüft werden.
10. Honorarverträge, freie Mitarbeiter
Neben der Beschäftigung von Mitarbeitern in Anstellungsverhältnissen kann grundsätzlich auch eine Beschäftigung von Personen in Betracht kommen, die auf selbstständiger Basis tätig werden. Im Klinikbereich waren das in der Vergangenheit vermehrt Honorarärzte.
Vom Einsatz von Honorarkräften ist aber generell dringend abzuraten, weil hier in der Regel nicht nur Datenschutz- und Verschwiegenheitsaspekte betroffen sind, sondern auch sozialversicherungs- und strafrechtliche Probleme warten. Nach diversen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG)10 sind fast keine Konstellationen mehr denkbar, in denen aufgrund einer Eingliederung in den Krankenhausbetrieb nicht von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden kann. Das BSG geht regelmäßig davon aus, dass z. B. Ärzte in einem Krankenhaus abhängig beschäftigt sind.
Weisen Honorarkräfte tatsächlich nicht die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit auf, droht schnell der Vorwurf einer sogenannten Scheinselbstständigkeit einhergehend mit der Zahlung von Jahre zurückliegenden Sozialversicherungsbeiträgen sowie strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Steuerhinterziehung).
11. Einsatz ausländischer Mitarbeiter/Gastärzte
Mit Blick auf den Ärztemangel und Pflegenotstand kann auch der Einsatz ausländischer Mitarbeiter in Betracht kommen, wobei aber stets vor Einstellung darauf geachtet werden muss, ob im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse in Deutschland anerkannt worden sind und die erforderlichen Sprachkenntnisse vorliegen. Denn in Deutschland ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für Gesundheitsfachkräfte u. a. aus Patientenschutzgründen reglementiert. Für in der EU (bzw. der Schweiz oder dem EWR) erworbene Berufsabschlüsse der Berufe Arzt, Zahnarzt und Apotheker gilt eine automatische Anerkennung. Das bedeutet aber nur, dass eine sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung nicht erforderlich ist, wohl aber der Nachweis von (Fach-) Sprachkenntnissen.
Nicht vergessen werden sollte, dass auch bei der Tätigkeit von Gastärzten diese mindestens nach dem MiLoG vergütet werden müssen (vgl. dazu vorstehende Ausführungen).
12. Betriebsverfassungsrecht – Mitbestimmungsrechte
Nicht vergessen werden dürfen selbstverständlich betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte, soweit ein Betriebsrat gewählt wurde. Diese sind nicht nur bei der Einstellung, Versetzung und Kündigung von Personal zu berücksichtigen, sondern beispielsweise auch bei
Nicht mitbestimmungspflichtig ist der Einsatz von Fremdpersonal, soweit keine Weisungen zu Arbeitszeiten oder Dienstplänen erfolgt.14
1 Z. B. BAG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07; BAG, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 526/10.
2 § 102 BetrVG.
3 Empfehlungen hinsichtlich der Gestaltung von Zielvereinbarungen gemäß § 135c Abs. 1 SGB V der Bundesärztekammer und des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte e. V. .
4 Zuletzt veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt im Jahr 2022, abrufbar unter: www.aerzteblatt.de/down.asp?id=29511.
5 § 7 TV-Ärzte.
6 BAG, Urteil vom 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 im Fall einer OP-Kraft; so auch BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 168/16 im Rahmen der Lebensmittelproduktion.
7 EuGH, Urteile vom 9. März 2021 – C-580/19 und C-344/19; aber auch BAG, Urteil vom 25. März 2021 – 6 AZR 264/20 im Fall eines Oberarztes im Hintergrunddienst.
8 EuGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – C-55/18.
9 § 203 Abs. 1 StGB.
10 Z .B.: BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R (Anästhesistin); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 2020 – L 7 BA 1208/18 (Hochschulprofessor und Chefarzt).
11 VGH Mannheim, Beschluss vom 14. November 2018 – PL 15 S 660/17.
12 LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. April 2019 – 1 TaBV 19/18.
13 LAG Köln, Beschluss vom 22. Januar 2021 – 9 TaBV 58/20.
14 BAG, Beschluss vom 8. November 2016 – 1 ABR 57/14 im Fall eines Mitarbeiters des Pfortenpersonals.
Von Dr. Kay Oelschlägel und Dr. Christian Rabe
I. Datenschutz-Compliance aus vielen Gründen wichtig
Die Einhaltung der anwendbaren datenschutzrechtlichen Anforderungen ist für alle Unternehmen wichtig. Ein sorgloser Umgang mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kann zu hohen Bußgeldern führen (zumal die Aufsichtsbehörden bei der Bemessung der Bußgeldhöhe den Konzernumsatz zugrunde legen). Gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung können dem Verantwortlichen wegen Verletzung der Sicherheit personenbezogener Daten (sogenannten Datenpannen) beträchtliche Reputationsschäden entstehen, insbesondere dann, wenn die Tagespresse über den sorglosen Umgang mit Patientendaten berichtet oder die Aufsichtsbehörde in ihren Veröffentlichungen das betroffene Unternehmen namentlich nennt.
II. Erfüllung der zahlreichen datenschutzrechtlichen Pflichten erforderlich
Privatkliniken müssen wie jedes andere datenverarbeitende Unternehmen Prozesse etablieren, die eine Erfüllung der zahlreichen datenschutzrechtlichen Anforderungen gewährleisten.
Mit der Gründung einer Privatklinik ist sicherzustellen, dass von Anfang an die datenschutzrechtlichen Pflichten erfüllt werden. Dazu zählt grundlegend die Erstellung von Verarbeitungsverzeichnissen (Art. 30 DSGVO), die dem Verantwortlichen einen Überblick über die eigene Verarbeitung geben und die Erfüllung seiner allgemeinen datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) vereinfachen sollen. Auf Basis der Verarbeitungsverzeichnisse muss die Geschäftsleitung prüfen, ob jede Verarbeitung personenbezogener Daten auf mindestens eine Rechtsgrundlage gestützt werden kann und ggf. erforderliche Auftragsverarbeitungsvereinbarungen mit Dienstleistern, die die Gesundheitsdaten oder andere personenbezogene Daten verarbeiten, geschlossen worden sind. Beim Einsatz von Auftragsverarbeitern (z. B. Cloud-Dienstleistern) außerhalb der EU bzw. des EWR ist die Zulässigkeit des internationalen Datentransfers zu prüfen (sogenannte Schrems-II-Compliance). Zwischen Auftragsverarbeitern und Berufsgeheimnisträgern ist in jedem Fall im Rahmen der Auftragsverarbeitungsvereinbarung eine Verpflichtung des Auftragsverarbeiters zur Geheimhaltung zu regeln, um einer möglichen Strafbarkeit nach § 203 StGB zu entgehen.
III. Jede Verarbeitung bedarf einer Rechtsgrundlage
Art. 6 DSGVO stellt eine Reihe unterschiedlicher Rechtsgrundlagen zur Verfügung. Soweit Gesundheitsdaten oder andere Kategorien besonderer personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) betroffen sind, bedarf es jedoch entweder einer Einwilligung (Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO) oder einer anderen im Ausnahmekatalog des Art. 9 Abs. 2 DSGVO genannten Rechtsgrundlage.
Für die Praxis ist insbesondere Art. 9 Abs. 2 lit. h i. V. m. Art. 9 Abs. 3 DSGVO (individuelle Versorgung im Gesundheitsbereich) relevant, der die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch dem Berufsgeheimnis unterliegende Ärzte und sonstiges Fachpersonal auf Grundlage des Behandlungsvertrags und zu dessen Durchführung (§ 630a BGB) erlaubt. Strafrechtliche (§ 203 StGB) und berufsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtungen sind parallel zu den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten. Bei jeder Übermittlung von Gesundheitsdaten an Dritte, z. B. Apotheken, Therapeuten, Ärzte, Labore, Hersteller von medizinischen Hilfsmitteln und IT-Dienstleister, ist mithin sicherzustellen, dass eine Rechtsgrundlage die Datenverarbeitung erlaubt. Sofern es nicht um Gesundheitsdaten, sondern um „normale“ personenbezogene Daten geht, die aufgrund einer Interessenabwägung verarbeitet werden dürfen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO), ist die Interessenabwägung zu dokumentieren und aufzubewahren.
IV. Informationspflichten
Auch die Erfüllung der datenschutzrechtlichen Informationspflichten (Art. 13, Art. 14 DSGVO) zählt zu den wichtigsten datenschutzrechtlichen Pflichten. Nach Art. 13 DSGVO sind dem Patienten bestimmte Informationen zur Datenverarbeitung im Zeitpunkt der Erhebung der Daten zur Verfügung zu stellen – das betrifft den ersten Kontakt in der Arztpraxis (oder z. B. am Telefon) genauso wie den Besuch des Patienten auf der Internetseite der Privatklinik. Auf der Internetseite sollten daher die Datenschutzhinweise transparent verlinkt sein (z. B. im Footer). In der Arztpraxis bietet es sich an, die Datenschutzhinweise in laminierter Form im Wartebereich auszulegen bzw. bei erstmaliger Kontaktaufnahme im Empfangsbereich auszuhändigen.
Bei der telefonischen Kontaktaufnahme gestaltet sich die Erfüllung der Informationspflichten deutlich schwieriger. Denn das Vorlesen der Datenschutzhinweise ist aufgrund der Fülle der Informationen weder praxistauglich noch dem Patienten zumutbar. Daher hat sich in der Praxis der sogenannte Medienbruch etabliert. Darunter versteht man, dass bei Erhebung von personenbezogenen Daten lediglich bestimmte Basisinformationen erteilt und im Übrigen die Datenschutzhinweise (auf einem anderen Medium) leicht zugänglich bereitgestellt werden. Dies kann z. B. durch einen Hinweis auf die Homepage erfolgen, auf der die vollständigen Datenschutzhinweise abrufbar sind.
V. Pflicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten
Mit Aufnahme der Geschäftstätigkeit muss die Geschäftsleitung der Privatklinik prüfen, ob die Bestellung eines Daten- schutzbeauftragten (DSB) nach Art. 37 DSGVO, § 38 BDSG verpflichtend ist. Das ist der Fall, soweit in der Privatklinik in der Regel mindestens 20 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind (§ 38 BDSG) oder wenn in der Privatklinik eine umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten gemäß Art. 9 DSGVO erfolgt. Zu den von einer Privatklinik verarbeiteten und von Art. 9 DSGVO besonders geschützten personenbezogenen Daten zählen Gesundheitsdaten. Doch wann liegt eine umfangreiche Verarbeitung solcher Gesundheitsdaten vor? Erwägungsgrund 91 zur DSGVO besagt, dass eine Verarbeitung nur dann nicht als umfangreich eingestuft werden soll, wenn sie durch einen einzelnen Arzt oder Angehörigen eines Gesundheitsberufs ausgeübt wird. Die nationalen Aufsichtsbehörden haben sich jedoch 2018 darauf verständigt, dass eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten bei Verantwortlichen mit weniger als zehn mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen weiterhin als nicht umfangreich im Sinne des Art. 37 Abs. 1 lit. c DSGVO gelten soll. Ausnahmen können sich aus den Praxisbesonderheiten ergeben, beispielsweise wenn komplexe digitale Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes zum Einsatz gelangen, wenn nicht nur gelegentlich telemedizinische Anwendungen (z. B. Videokonferenzen) genutzt werden, ein überproportional großer Patientenstamm im Vergleich zu anderen Praxen selber Ausrichtung und Beschäftigtenzahl besteht oder Big-Data-Anwendungen genutzt werden.
Auch wenn ein hohes Risiko bei der Datenverarbeitung in der Privatklinik besteht und deshalb eine Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA) erfolgen muss, muss ein DSB bestellt werden.
Es empfiehlt sich in jedem Fall also auch auf freiwilliger Basis, einen DSB zu benennen, damit dieser die Unternehmensleitung zu ihren datenschutzrechtlichen Pflichten beraten, die Einhaltung des anwendbaren Datenschutzrechts überwachen und ggf. mit der Aufsichtsbehörde zusammenarbeiten kann. Im Fall der Bestellung eines externen DSB sollte mindestens eine Person des Praxisteams als Ansprechpartner (Datenschutzkoordinator) für den externen DSB agieren.
VI. Pflicht zur Erstellung einer Datenschutzfolgenabschätzung
Eine DSFA ist u. a. bei der umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten (z. B. Gesundheitsdaten) zu erstellen, da deren Verarbeitung ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten der Patienten aufweist. Dies betrifft beispielsweise die Verarbeitung genetischer oder medizinischer Daten in einem Krankenhausinformationssystem. Die Aufsichtsbehörden haben Listen der Verarbeitungstätigkeiten erstellt, für die stets eine DSFA durchzuführen ist. Dazu zählt etwa der Einsatz von Telemedizinlösungen zur detaillierten Bearbeitung von Krankheitsdaten. Eine DSFA umfasst u. a. eine systematische Beschreibung der geplanten Verarbeitungsvorgänge und der Zwecke der Verarbeitung, eine Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitungsvorgänge in Bezug auf den Zweck und eine Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen.
In jedem Fall sind bei der Durchführung der DSFA eine geordnete Vorgehensweise und detaillierte Dokumentation notwendig.
VII. Meldepflichten bei Datenschutzverstößen
Kommt es zu einer Datenpanne, so trifft den Verantwortlichen nach Art. 33 DSGVO die Pflicht, der zuständigen Aufsichtsbehörde den Verstoß binnen 72 Stunden zu melden. Die Meldepflicht setzt in dem Zeitpunkt ein, in dem die Verletzung dem Verantwortlichen bekannt wurde. Erfolgt die Meldepflicht nicht binnen 72 Stunden, so ist der Meldung eine Begründung für die Verzögerung beizufügen. Der Verantwortliche muss nicht nur eigene, sondern auch Verletzungen seiner Auftragsverarbeiter melden. Aufgrund des sogenannten risikobasierten Ansatzes wird diese Meldepflicht jedoch nur dann ausgelöst, wenn nicht nur ein geringes Risiko besteht, das jeder Verarbeitung personenbezogener Daten innewohnt. Bei der Offenlegung von Gesundheitsdaten an unbefugte Dritte sollte in der Regel diese Schwelle überschritten sein und eine Meldepflicht gegenüber der Behörde bestehen (eine Einzelfallprüfung bleibt gleichwohl unerlässlich). Zudem ist der betroffene Patient entsprechend zu informieren. Etwaige Ausnahmen nach Art. 34 Abs. 3 DSGVO greifen bei Datenpannen im Gesundheitsbereich in der Regel nicht.
Die Verletzung von Meldepflichten ist ebenfalls bußgeldbewehrt.
VIII. Erfüllung der Betroffenenrechte
Frühzeitig müssen Prozesse etabliert werden, die eine korrekte und fristgerechte Erfüllung der Betroffenenrechte gewährleisten (z. B. Recht auf Auskunft, Recht auf Löschung). Bevor dem Patienten die Auskunft über seine personenbezogenen Daten erteilt wird, hat die Klinik die Identität des Anfragenden sicherzustellen. Ansonsten bestünde die Gefahr, einer unberechtigten Person Auskunft über personenbezogene Daten bzw. Gesundheitsdaten zu erteilen, was wiederum zu einem durch die Aufsichtsbehörde verhängten Bußgeld oder auch einem Schadenersatzanspruch des betroffenen Patienten führen kann. Eine Identifikationsüberprüfung kann etwa durch Abfrage bereits vorhandener, nicht ausschließlich öffentlicher Daten oder durch Vorlage eines Personalausweises erfolgen. Schließlich ist das Recht des Patienten auf Einsicht in seine Patientenakte nach § 630g BGB zu beachten. In Ausnahmefällen darf die Klinik die Einsicht aus therapeutischen Gründen – z. B. bei einer dringenden Gefahr selbstschädigenden Verhaltens – verweigern. Diese Ausnahme ist auch auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch übertragbar.
IX. Patientendaten nach Arztwechsel
Werden von einem Arzt bestehende Patientendaten übernommen, so stellt sich die Herausforderung, dass dieser die Aufzeichnungen unter Verschluss halten muss, sofern die Patienten noch nicht in eine Weitergabe der Akten an den übernehmenden Arzt eingewilligt haben. Hier hat sich in der Praxis das sogenannte Zwei-Schrank-Modell etabliert: Die Akten derjenigen Patienten, die bereits vor dem Arztwechsel in die Weitergabe eingewilligt haben, werden in einem „ersten Schrank“ verwahrt, während die restlichen Akten im „zweiten Schrank“ unter Verschluss bleiben. Der neue Arzt darf die Akten aus dem „zweiten Schrank“ entfernen, wenn eine Patienteneinwilligung vorliegt. Werden die Daten elektronisch verwaltet, so kann der Zugang zu den „alten Akten“ durch ein Passwort geschützt werden, das nur nach Zustimmung des Patienten verwendet werden darf. Die Einwilligung in die Übernahme der Patientendaten sollte aus Gründen der Rechtssicherheit schriftlich dokumentiert werden, um im Zweifelsfall der Nachweispflicht nachkommen zu können.
X. Datenschutz im Aufnahmeprozess
Schon während des Aufnahmeprozesses sind datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. So sollte auf jeden Fall sichergestellt werden, dass zur Wahrung der Vertraulichkeit schon am Empfang und im Wartebereich sogenannte Diskretionszonen geschaffen werden. Eine weitere Möglichkeit ist der Aufruf der Patienten über eine Wartenummer oder eine digitale Anzeige. Sollte der Empfangsbereich mittels einer Videokamera überwacht werden, dürfen die Kontrollmonitore für Unberechtigte (beispielsweise aus dem Foyer heraus) nicht einsehbar sein. Zudem sollten genaue Zugriffsberechtigungen der Mitarbeiter in der Verwaltungsaufnahme auf das Krankenhausinformationssystem definiert werden. Jede Zugriffsberechtigung sollte daher mit einem individuellen Passwort gesichert werden; Sammel-Accounts sind zu vermeiden.
Bei Abschluss eines Behandlungsvertrags ist der Patient im Rahmen der beigefügten Datenschutzhinweise standardisiert darüber zu informieren, welche Daten von ihm zu welchem Zweck verarbeitet und wie lange diese gespeichert werden. Es sollte aber gesondert danach gefragt werden, ob ein späterer Arztbrief an den Hausarzt übermittelt werden darf bzw. von diesem Daten eingeholt werden dürfen. Auch die Möglichkeit eines Sperrvermerks (an Dritte dürfen keine Informationen über den Aufenthalt des Patienten in der Privatklinik herausgegeben werden) sollte mit dem Patienten besprochen werden.
XI. Der Internetauftritt
Abseits des Geschehens in der Privatklinik erlangt der Internetauftritt unter datenschutzrechtlichen Aspekten eine große Bedeutung. So bedarf es vollständiger Datenschutzhinweise, die den Besucher über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten sowie seine Rechte aufklären. Bei Verwendung von nicht für den Besuch der Website erforderlichen Cookies – etwa Werbe- oder Tracking Cookies – sollte ein entsprechender datenschutzkonformer Cookie-Banner verwendet werden. Gerade in diesem Bereich existieren zahlreiche Hinweise von Aufsichtsbehörden, die bei der Entscheidung über den Einsatz US-amerikanischer Dienstleister zumindest berücksichtigt werden sollten. Bei dem Angebot von Newslettern sollte das Double-Opt-in-Verfahren genutzt werden: Nachdem der Nutzer seine E-Mail-Adresse für den Erhalt des Newsletters eingegeben hat (erstes Opt-in), erhält er an die angegebene E-Mail-Adresse eine Bestätigungsanfrage. Um den Newsletter zu erhalten, muss der Nutzer den in der Anfrage enthaltenen Aktivierungslink öffnen (zweites Opt-in). Durch dieses Verfahren soll der Missbrauch fremder E-Mail-Adressen vermieden werden.
Die Veröffentlichung von Mitarbeiterdaten im Rahmen des Internetauftritts ist nur zulässig, wenn dies für die Erfüllung des Arbeitsvertrags des Mitarbeiters erforderlich ist (§ 26 BDSG), wenn also der Mitarbeiter als direkter Ansprechpartner für Dritte fungiert oder er eine Entscheidungsposition in der Klink wahrnimmt. Ansonsten bedarf es der schriftlichen Einwilligung zur Veröffentlichung. Das gilt insbesondere für die Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos, etwa im Rahmen der Vorstellung des Praxisteams auf der Website.
Schließlich müssen die gängigen Ärztebewertungsportale (beispielsweise jameda) überwacht werden. Gegen negative Patientenbewertungen, die etwa auf unwahren Tatsachenbehauptungen basieren, den Ruf der Klinik durch abträgliche Werturteile schädigen und/oder sogar beleidigenden Charakter haben können, kann die Privatklinik auch dann erfolgreich vorgehen, wenn der Bewertende anonym bleibt. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahrzehnten weitgehende Prüfungspflichten der Betreiber von Bewertungsforen entwickelt (sogenannte Störerhaftung) und dabei berücksichtigt, dass es sich um ein Geschäftsmodell handelt, das von vornherein ein gesteigertes Risiko für Rechtsverletzungen mit sich bringt. Hingegen müssen es Ärzte hinnehmen, in einem Bewertungsportal überhaupt geführt und dort bewertet zu werden.
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