20.11.2020
Die letzte war eine der arbeitsreichsten Wochen für Datenschutzpraktiker seit In-Kraft-Treten der EU-Datenschutzgrundverordnung. Am Dienstag, 10. November, hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) seine Empfehlungen verabschiedet, wie zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Übermittlung von Daten in Drittländer ohne angemessenes Datenschutzniveau auf Basis der Standardvertragsklauseln in der Praxis aussehen können. Am Donnerstag, den 12. November, veröffentlichte die Europäische Kommission den seit langem angekündigten Entwurf für neue Standardvertragsklauseln.
Im Juli hat der Europäische Gerichtshof in der Schrems IIEntscheidung (C-311/18) (i) das sog. Privacy Shield-Abkommen zwischen der EU und den USA für ungültig erklärt und (ii) entschieden, dass sich Organisationen unter bestimmten Umständen immer noch auf die Standardvertragsklauseln (SCCs) verlassen können, um personenbezogene Daten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in die USA oder in ein anderes Land zu übermitteln, das nach Ansicht der EU über kein angemessenes Datenschutzniveau verfügt. Um sich bei solchen Übermittlungen jedoch auf die SCCs verlassen zu können, muss das die Daten übermittelnde Unternehmen eine Einzelfallprüfung vornehmen, ob die Gesetze des Drittlandes ein „im Wesentlichen gleichwertiges“ Schutzniveau für die personenbezogenen Daten bieten, und erforderlichenfalls „ergänzende Maßnahmen“ zur Gewährleistung dieses Schutzes ergreifen. Die Datenschutzaufsichtsbehörden in den verschiedenen EU-Ländern haben unterschiedliche Ankündigungen in Bezug auf die Durchsetzung dieser Entscheidung veröffentlicht. Vor diesem Hintergrund hatten wir ein vorläufiges Maßnahmenpaket entwickelt, um Datentransfers zu evaluieren, Risiken zu identifizieren und zu adressieren, das die Empfehlungen des EDSA teilweise bereits vorweg genommen hat.
Mit den Empfehlungen des EDSA liegt die europäische Auslegungshilfe für Datenübermittlungen nach der Schrems IIEntscheidung vor. Gleichzeitig hat die EU-Kommission einen Entwurf der neuen Standardvertragsklauseln vorgelegt. Diese neuen SCCs unterscheiden sich erheblich von den bisher geltenden SCCs. Die vielleicht aufregendste Entwicklung ist, dass die SCC-Entwürfe in einem „modularen“ Format strukturiert sind, das Übermittlungen in allen denkbaren Konstellationen, neuerdings auch zwischen zwei Auftragsverarbeitern, abdeckt. Das „Modul“ zur Übermittlung vom für die Verarbeitung Verantwortlichen zum Auftragsverarbeiter erfüllt die Anforderungen von Artikel 28 DSGVO, was bedeutet, dass kein separater Auftragsverarbeitungsvertrag mehr nötig ist.
Unternehmen sind nun mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert.
Die relevanten Drittstaatenübermittlungen sollten identifiziert werden, soweit dies noch nicht erfolgt ist. Der EDSA verlangt nun insbesondere, die Angemessenheit des Datenschutzniveaus im Land des Datenempfängers zu überprüfen. Dann sind zunächst technische Sicherungsmaßnahmen anhand der vom EDSA ermittelten Fallgestaltungen daraufhin zu überprüfen, ob sie in der vorliegenden Konstellation zum Einsatz kommen können. Erst wenn sich solche technischen Sicherungen als grundsätzlich geeignet erweisen, kann über zusätzliche vertragliche Maßnahmen nachgedacht werden. Hierbei kann einerseits auf die Beispiele in den Empfehlungen des EDSA abgestellt werden; andererseits können diese durchaus im Lichte der neuen Standardvertragsklauseln ausgelegt werden. Hier zeigt sich, dass die Überlegungen des EDSA zwar in gewissem Maße in den Neu-Entwurf der SCCs eingeflossen sind, die Abstimmung zwischen EDSA und Kommission aber nicht so nahtlos war, dass die vom EDSA geforderten vertraglichen Sicherungen nun eins zu eins in die Standardvertragsklauseln übernommen wurden. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann zu Recht die Frage, ob auch in die neuen Standardvertragsklauseln weitreichende Sicherungen zusätzlich aufzunehmen wären und ob die Formulierung der neuen SCCs zu staatlichen Zugriffen einen bereits jetzt schon gangbaren Weg aufzeigen. Nicht wirklich zu erwarten ist, dass der EDSA seine Forderungen nach Abschluss der Kommentierungsphase zurücknimmt und die Empfehlungen diesbezüglich überarbeitet.
So sollten Unternehmen aktuell die derzeit geltenden SCCs unter Berücksichtigung dieser Anforderungen ergänzen und gleichzeitig eine Öffnungsklausel aufnehmen, die nach Erscheinen der neuen SCCs eine erleichterte Vertragsanpassung und -umstellung ermöglicht. Die Arbeiten zu den technischen Sicherungsmaßnahmen sowie die Erarbeitung überprüfbarer Freigabeprozesse sollten insoweit Vorarbeiten sein, die auch unter Geltung der neuen SCC Bestand haben. Diese Arbeiten werden jedoch ein Provisorium bleiben, auf die die entsprechenden vertraglichen Umstellungsarbeiten dann zu folgen haben.
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