21.11.2022
Am 2. November 2022 hat das Bundeskabinett das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) beschlossen. Das Gesetz setzt Artikel 8 Absätze 1 bis 7 EU-Einwegkunststoffrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/904) um. Das Gesetz sieht eine sogenannte „erweiterte“ Herstellerverantwortung für Hersteller verschiedener Einwegkunststoffprodukte vor. Hersteller sollen für entstehende Folgekosten ihrer Produkte herangezogen werden. Dies betrifft insbesondere die Kosten für die Entsorgung der Produkte und der Reinigung des öffentlichen Raums, da Einwegkunststoffprodukte besonders häufig unachtsam in der Öffentlichkeit entsorgt werden. Dazu soll eine zweckgerichtete Vermögensmasse in Form des Einwegkunststofffonds errichtet werden, der von den Herstellern von bestimmten Einwegkunststoffprodukten finanziert wird. Die Pflicht zur Kostenbeteiligung gilt ab 2025.
Die vom EWKFondsG betroffenen Produkte sind in Anlage 1 zum EWKFondsG aufgezählt. Betroffen sind unter Umständen
Verantwortliche im Sinne des Gesetzes sind die Hersteller dieser Produkte.
Als Hersteller im Sinne des EWKFondsG gilt jede natürliche oder juristische Person, die im Geltungsbereich des Gesetzes niedergelassen ist und als Produzent, Befüller, Verkäufer oder Importeur unabhängig von der Verkaufsmethode gewerbsmäßig Einwegkunststoffprodukte im Geltungsbereich des EWKFondsG erstmals auf dem Markt bereitstellt. Als Hersteller gilt auch, wer zwar nicht im Geltungsbereich des Gesetzes niedergelassen ist aber gewerbsmäßig Einwegkunststoffprodukte mittels Fernkommunikationsmitteln im Geltungsbereich des Gesetzes unmittelbar an private Haushalte oder Nutzer verkauft.
Nach § 7 EWKFondsG haben sich Hersteller vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit beim Umweltbundesamt zu registrieren. Hersteller, die bereits im Verpackungsregister registriert sind, müssen sich zwar erneut registrieren lassen. Sie können jedoch der Verwendung ihrer Daten aus dem Verpackungsregister zustimmen. Nach der Gesetzesbegründung seien 80 Prozent der vom EWKFondsG betroffenen Hersteller bereits nach dem VerpackG registrierungspflichtig. Die Registrierung erfolgt über ein vom Umweltbundesamt zur Verfügung gestelltes System. Wie bei anderen Registern üblich, werden auch Informationen aus dem neuen Register im Internet veröffentlicht.
Aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Zusammenarbeit des Registers nach dem EWKFondsG und dem Verpackungsregister nach dem VerpackG, kann vermutet werden, dass das neue Register dem Verpackungsregister nachgebildet sein wird. Eine – eventuell künftige – Zusammenführung der Register ist hingegen nicht geplant. Aufgrund des unterschiedlichen Herstellerbegriffs beider Gesetze sei dies „weder möglich noch sinnvoll“.
Bezüglich eines „Verkaufsverbotes“ geht das EWKFondsG einen ähnlichen Weg wie das Elektro- und Elektronikgerätegesetz sowie das Verpackungsgesetz. Ein „Verkaufsverbot“ für registrierungspflichtige Hersteller von Einwegkunststoffprodukten folgt unmittelbar aus § 9 EWKFondsG. Nicht registrierte Hersteller dürfen Einwegkunststoffprodukte nach Anlage 1 nicht auf dem Markt bereitstellen oder verkaufen. Das „Verkaufsverbot“ gilt dadurch unmittelbar kraft Gesetzes und muss nicht mittels Verwaltungsakt angeordnet werden. Dadurch ist das Pflichtenprogramm im Rahmen des EWKFondsG in Bezug auf die erfassten Einwegkunststoffprodukte ebenso streng gestaltet, wie im Elektro- und Elektronikgerätegesetz und im Verpackungsgesetz.
Die Hersteller können zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem EWKFondsG einen Dritten beauftragen. Diese Möglichkeit der Drittbeauftragung ist vergleichbar mit der Möglichkeit der Drittbeauftragung nach dem VerpackG. Einzig die Registrierungspflicht nach § 7 Abs. 1 EWKFondsG und die Meldepflicht sind vom Hersteller selbst zu erfüllen. Hersteller, die nicht im Geltungsbereich des Gesetzes niedergelassen sind, haben vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Auch in diesem Fall haben die Hersteller sich selbst zu registrieren und haben selbst ihrer Meldepflicht nachzukommen.
Bei der Beauftragung eines Bevollmächtigten durch Hersteller mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des EWKFondsG, ist die Beauftragung dem Umweltbundesamt anzuzeigen. Die Beauftragung muss durch das Umweltbundesamt bestätigt werden.
Es erscheint naheliegend, dass auch die bisherigen Anbieter am Markt, die als Beauftragte die Pflichten nach dem VerpackG gegen entsprechende Zahlungen übernehmen, dies für die Pflichten nach dem EWKFondsG anbieten werden.
Die Hersteller haben dem Umweltbundesamt jährlich bis zum 15. Mai die von ihnen erstmals auf dem Markt bereitgestellten oder verkauften Einwegkunststoffprodukte zu melden. Der Betrachtungszeitraum ist das vorangegangene Kalenderjahr. Die Einwegkunststoffprodukte sind dabei nach Art und Masse in Kilogramm aufzuschlüsseln. Die Meldungen sind durch einen nach dem VerpackG registrierten Sachverständigen oder anderen zulässigen Prüfer zu prüfen und bestätigen. Das Umweltbundesamt wird einheitliche elektronische Formulare zur Verfügung stellen. Darüber hinaus wird das Umweltbundesamt Prüfleitlinien erarbeiten, die von den Prüfern zu beachten sind.
Relevanteste Neuerung durch das EWKFondsG ist die Einführung einer Abgabepflicht für Hersteller von Einwegkunststoffprodukten. Die Festsetzung erfolgt jährlich durch das Umweltbundesamt. Die Abgabe wird anhand der Masse der erstmals auf dem Markt bereitgestellten beziehungsweise verkauften Produkte berechnet. Die Masse wird mit einem Abgabesatz multipliziert. Dieser Abgabesatz wird durch eine Rechtsverordnung festgelegt und ist derzeit noch nicht bekannt. Ein Forschungsvorhaben ermittelt derzeit die Datenbasis zur Festlegung der Höhe des Abgabesatzes.
Die notwendigen Daten zur Ermittlung der Abgabehöhe erhält das Umweltbundesamt aus den Meldungen der Hersteller. Die Nichtabgabe einer Meldung berechtigt das Umweltbundesamt zur Schätzung auf Grundlage vorangegangener Meldungen und anderer verfügbarer Daten. Dabei dürfte bei einer Schätzung durch das Umweltbundesamt mit einem Schätzungsaufschlag gerechnet werden.
Der Abgabesatz wird für jede Art eines Einwegkunststoffproduktes nach Anlage 1 festgelegt. Der Abgabesatz wird in Euro pro Kilogramm bestimmt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat die entsprechende Verordnung bis zum 31. Dezember 2023 zu erlassen. Bei der Bestimmung der Höhe des Abgabesatzes sind insbesondere die Sammlungskosten, Reinigungskosten, Sensibilisierungskosten, Datenerhebungs- und -übermittlungskosten als auch die Verwaltungskosten zu berücksichtigen. Die Abgabe wird erstmals 2025 zu leisten sein und anhand der Daten aus dem Jahr 2024 berechnet.
Das EWKFondsG enthält keine eigenständige Befugnisnorm für das Umweltbundesamt um beispielsweise das „Verkaufsverbot“ des § 9 EWKFondsG gegenüber den Herstellern durchzusetzen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EWKFondsG gilt § 62 KrWG entsprechend. § 62 KrWG ist eine Befugnisnorm der zuständigen Behörde, um im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des Gesetzes zu treffen. Demnach können beispielsweise „Verkaufsverbote“ durchgesetzt werden.
Die nicht erfolgte, nicht richtige und nicht rechtzeitige Registrierung ist als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrt. Daneben sind Verstöße gegen das „Verkaufsverbot“ ebenfalls als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt. Das Bußgeld kann in diesen Fällen bis zu 100.000 Euro betragen.
Das Umweltbundesamt ist auf Antrag des Herstellers befugt verschiedene Feststellungen zu treffen. So kann das Umweltbundesamt die Feststellung treffen ob ein Produkt ein Einwegkunststoffprodukt im Sinne des EWKFondsG ist und welcher Produktart eines Einwegkunststoffproduktes nach Anlage 1 des EWKFondsG das Produkt zuzuordnen ist. Schließlich kann das Umweltbundesamt auch die Feststellung treffen ob eine Person Hersteller im Sinne des EWKFondsG ist. Darüber hinaus kann das Umweltbundesamt über die jeweiligen Feststellungen Verwaltungsvorschriften erlassen.
Die Umsetzung der „erweiterten“ Herstellerverantwortung der Richtlinie (EU) 2019/904 in nationales Recht führt zu weiteren Pflichten für verschiedene Hersteller. Nach Prognose des Gesetzesentwurfs unterfällt ein Großteil der Pflichtigen nach dem EWKFondsG bereits dem VerpackG. Dies hat den Vorteil, dass die Hersteller mit der Umsetzung verpackungs- und produktrechtlicher Vorschriften vertraut sind. Andererseits wächst der Strauß der Pflichten um weitere Blüten. Zusätzlich entstehen den Herstellern neue unmittelbare Kosten in Höhe der Abgabe, daneben mittelbare Kosten für den internen Verwaltungsaufwand. Die erhoffte Lenkungswirkung der Abgabe auf die Hersteller und Verbraucher muss sich in der Praxis erst zeigen.
Christoph Schnoor
Senior Associate
Hamburg
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