27.01.2025

Hanseatisches OLG untersagt Glasfaseranbietern AGB-Regelung zur Mindestvertragslaufzeit ab Netzanschluss

Blogbeitrag zum Urteil vom 19.12.2024 (Az. 10 UKL 1/24) zur Laufzeit von Glasfaserverträgen des hanseatischen Oberlandesgerichts: Kein Abstellen auf Leistungserbringung bei Berechnung der Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten.

Hintergrund

Mit Urteil vom 19.12.2024 (Az. 10 UKL 1/24) hat das Hanseatische Oberlandesgericht der Praxis einiger Glasfaseranbieter eine Absage erteilt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen mit Verbrauchern für den Beginn der Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten, innerhalb derer eine Kündigung ausgeschlossen werden kann, nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf den Beginn der Leistungserbringung abzustellen, also den tatsächlich erfolgten Anschluss an das Glasfasernetz.

Häufig werden solche Versorgungsverträge bereits vor oder während der Bauphase eines Glasfaserausbauprojektes im Rahmen einer Vorvermarktung abgeschlossen. Oftmals entscheiden die Unternehmen erst, ob sich ein Ausbau lohnt, wenn eine gewisse Quote an Kunden geworben werden konnte. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Zeitpunkt der Freischaltung des Glasfaseranschlusses des Kunden können aber dadurch deutlich auseinanderfallen. Wie lange der Ausbau dauert, ist von den konkreten örtlichen Bedingungen abhängig und kann im Einzelfall Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern.

24-monatige Mindestvertragslaufzeit beginnt erst mit der Freischaltung?

Die vom Gericht konkret geprüfte Klausel des Versorgungsvertrages einer Endkundin mit dem beklagten Telekommunikationsunternehmen sah eine Erstlaufzeit („Mindestlaufzeit“) von 24 Monaten vor, während der eine ordentliche Kündigung des Glasfaservertrages ausgeschlossen war. Dabei war entscheidend, dass die Mindestlaufzeit erst mit der Freischaltung des Glasfaseranschlusses des Kunden beginnen sollte:

„Soweit nichts Abweichendes vereinbart ist, haben alle Verträge öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die ein Verbraucher oder Unternehmen nach § 71 Abs. 3 TKG (siehe Ziffer 22.2) schließt, eine anfängliche Laufzeit („Mindestlaufzeit") von 12 oder 24 Monaten (je nach der getroffenen Vereinbarung) und können in dieser Zeit nicht ordentlich gekündigt werden; das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt jeweils unberührt. Die Mindestlaufzeit des Vertrages ergibt sich aus dem vom Kunden auszufüllenden Auftragsformular. Die Vertragslaufzeit beginnt mit der Freischaltung des DGN-Anschlusses des Kunden.“

Die klagende Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. beanstandete diese Kombination der Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten mit dem Zeitpunkt der Freischaltung als maßgeblichem Beginn der Mindestvertragslaufzeit mit der Begründung, dass dies regelmäßig zu einer unzulässigen Verlängerung auf mehr als 24 Monate führe, was AGB-rechtlich unzulässig sei.

Nach § 309 Nr. 9 lit. a) BGB ist bei einem Vertragsverhältnis mit Verbrauchern, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, eine Klausel in AGB des Verwenders unwirksam, die eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Vertragslaufzeit vorsieht.

Schutz der Verbraucher vor übermäßig langer Bindung

Das OLG Hamburg hat in seinem jetzt veröffentlichten Urteil der Klägerin Recht gegeben und die Unwirksamkeit der verwendeten Klausel bestätigt. Zunächst ging das Gericht darauf ein, dass die Vorschrift des inhaltlich gleich gerichteten § 56 Abs. 1 TKG neben den AGB-rechtlichen Regelungen zur Anwendung komme und diese nicht als lex specialis verdränge. Dies beruhe bereits auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vorgängerregelung in § 43b Satz 1 TKG a.F. Der Gesetzgeber habe hierdurch in Umsetzung europäischen Rechts nur eine Beschränkung der anfänglichen Laufzeit auf höchstens 24 Monate auch bei Individualvereinbarungen sicherzustellen versucht. Im vorliegenden Fall lagen aber AGB vor, sodass das Gericht die Klausel vor allem am Maßstab des § 309 Nr. 9 lit. a) BGB prüfte. Die in der streitgegenständlichen Klausel enthaltene Regelung, wonach sich der Beginn der Mindestvertragslaufzeit jeweils um den Zeitraum verschiebt, der für die Herstellung bzw. Freischaltung des Glasfaseranschlusses erforderlich ist, führe zu einer faktischen Verlängerung um eben diesen Zeitraum. Schutzzweck des § 309 Nr. 9 lit. a) BGB sei es aber gerade, eine übermäßig lange Bindung des Kunden zu verhindern, die seine Dispositionsfreiheit beeinträchtige. Ein Vertrag würde nach dem Wortlaut des § 309 Nr. 9 lit a) BGB aber bereits mit seinem Abschluss „binden“ und nicht erst mit dem Beginn des Leistungsaustausches. Zudem sei der Zeitpunkt des Abschlusses regelmäßig genau bestimmbar, der vereinbarte Beginn der Leistungserbringung, etwa bei Vorarbeiten des Verwenders, aber gerade nicht. Dieses Risiko dürfe jedoch nicht zu Lasten des Verbrauchers gehen. Mögliche Interessen der Unternehmen im Rahmen des Glasfaserausbaus, welche die Umsetzung und Amortisierung eines Ausbaus im Rahmen einer Vorvermarktungsquote bestimmten, seien nicht überzeugend, da der Gesetzgeber mit dem Klauselverbot eine absolute Grenze ohne Wertungsmöglichkeit, also ohne Abwägung im Einzelfall, habe setzen wollen. Das Gericht bezog sich hierbei auf eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2012 zu einer ähnlichen Regelung in AGB von Stromlieferungsverträgen.

Glasfaseranbieter sollten ihre AGB überprüfen

Das Urteil ist auf Grundlage der aktuellen Rechtslage konsequent. Das Gericht geht insbesondere darauf ein, dass separate Vereinbarungen über die Herstellung einer physischen Anschlussstelle nach § 56 Abs. 2 TKG, auch in Ratenzahlungen, möglich seien und diese auch länger als 24 Monate binden dürfen. Die Amortisierung der Ausbaukosten könne auf diesem Wege sichergestellt werden. Unternehmen, die auf dem Glasfasermarkt tätig sind, sollten ihre AGB-Regelungen vorsorglich überprüfen und sich auf die Rechtsprechung des OLG Hamburg einstellen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG Hamburg hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Hier der Link zum Urteil.

Autor/in
Anne-Sophie Fischer

Anne-Sophie Fischer
Associate
München
anne-sophie.fischer@luther-lawfirm.com
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Maximilian Issels, LL.M. (Stellenbosch)

Maximilian Issels, LL.M. (Stellenbosch)
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