5 Fragen an Dr. Rut Herten-Koch zum Thema Beruf und Familie

Interview mit Dr. Rut Herten-Koch, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Vergaberecht und Partnerin in Berlin

Frau Dr. Herten-Koch, Sie sind seit 20 Jahren Rechtsanwältin, seit 14 Jahren arbeiten Sie in Teilzeit. Neben Ihrer erfolgreichen Karriere als Anwältin sind Sie Mutter von zwei Kindern. Wie gelingt Ihnen die Balance zwischen Beruf und Privatleben?

Ein klares Bild von Anforderungen und notwendigen Rahmenbedingungen halfen mir dabei enorm. Außerdem war mir klar, dass das Leben immer aus Prioritäten und Kompromissen besteht. In der frühen Phase meiner Berufstätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin benötigte ich bereits zeitlichen Spielraum für meine Promotion. In den ersten beruflichen Engagements als Rechtsanwältin war es ein Wechselspiel zwischen Voll- und Teilzeit, nach der Geburt meiner Kinder (heute 13 und 14 Jahre alt) ging ich bewusst in die Teilzeit. Bei Luther, wo ich am Standort Berlin seit 2015 beruflich zuhause bin, behielt ich dies bei – auch als vielbeschäftigte Fachanwältin und Partnerin – und bin glücklich mit dieser Weichenstellung. Auch wenn ich mich darauf freue, in ein paar Jahren wieder in Vollzeit zu arbeiten - dieses Modell hat sich bis jetzt ausgezeichnet bewährt.

Worauf kommt es an, wenn man diesen Spagat meistern will?

Für mich war es von großer Bedeutung, eine klare Vorstellung davon zu haben, was es heißt, Beruf und Karriere mit Familiengründung in Einklang zu bringen. Noch heute erlebe ich, dass es auch bei bester Alltagsplanung immer wieder zu Situationen kommen kann, wo Kinder, selbst Jugendliche in der Pubertät, noch ihre Eltern brauchen und deren Präsenz und Zuwendung enorm wichtig sind. Dabei hilft es sehr, dass ich meine Arbeitszeiten meist flexibel gestalten kann – z.B. eine Arbeit am Abend oder von zu Hause aus erledigen, um zwischendrin Familienaufgaben wahrzunehmen. Gutes Zeitmanagement und Kollegen, auf die man sich verlassen kann, sind die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die bei Luther vorhandene technische Infrastruktur. Durch sie bin ich für die Mandanten erreichbar, auch wenn ich nicht durchgängig im Büro anwesend bin und habe Zugriff auf alle relevanten digital gespeicherten Unterlagen. Am Ende ist daher alles nur eine Frage von Selbstmanagement, Infrastruktur und Team.

Teilzeit, Familie und gleichzeitig Karriere? Das ist also miteinander vereinbar?

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen – definitiv. Wie bereits gesagt, ich bin relativ frei in der zeitlichen Gestaltung meine beruflichen Aufgaben (von Gerichts- und Mandantenterminen einmal abgesehen). Dann kommt mir zugute, dass ich früh lernte, meine Zeit strikt einzuplanen und meine Aufgaben klar zu strukturieren.

Ich finde es übrigens irreführend, wenn Teilzeit als Thema für Frauen bzw. Eltern gehandelt wird. Jeder Mensch, gleich welchen Geschlechts, steht dann und wann vor Lebenssituationen, in denen er seine Arbeitszeit eingrenzen muss oder möchte, z.B. wenn Eltern pflegebedürftig werden, bei sozialen, gesellschaftlichen oder politischen Engagements oder wichtiger beruflicher Weiterbildung. Gerade Anwälte, die sich oft mehr über intellektuelle Fertigkeiten und Fachkenntnisse identifizieren, profitieren stark, wenn sie sich soziale Qualitäten aneignen -  wie Kommunikationsgeschick, Empathie, Kompromissbereitschaft, Konfliktbewältigung und emotionale Intelligenz. Auch in unseren Fällen aus dem Bereich des Wirtschaftsrechts agieren ja Menschen in sozialen Kontexten. Nur, wer auch diese Dimension der Rechtsberatung beherrscht, ist aus meiner Sicht ein guter Berater.

Das funktioniert wohl kaum ohne Zuspruch aus Ihrem Arbeitsumfeld, oder?

Für das Umfeld bedeutet dies zunächst eine Umstellung, die aber gleichzeitig neue Impulse und Sichtweisen befeuert: Unterschiedliche Engagements befruchten sich gegenseitig -- Offenheit vorausgesetzt. Bei Luther wird Individualität auch als eine zentrale Entwicklungschance gesehen. In einer offenen Kultur kann viel Gutes entstehen. Erfolg ist nicht zuletzt eine Frage von Solidarität und Loyalität. Von Anfang an traf ich auf Kollegen, die mich kollegial aufnahmen, erlebte Unterstützung, Dialog, auch standortübergreifende Hilfsangebote. Eine Kollegialität, die trägt und inspiriert. Daran hat sich über die Jahre nichts geändert.

Was würden Sie jüngeren Kollegen, die etwas bewegen wollen raten: Karriere in einer Wirtschaftskanzlei starten oder in der Wirtschaft?

Einer der größten Vorzüge, die der Anwaltsberuf bietet, liegt in den vielfältigen Möglichkeiten, sein Potenzial zu entfalten (in unterschiedlichen Richtungen). Ich selbst genieße als Anwältin meine Gestaltungsfreiheit, das zu machen, was ich wirklich gut kann und gern tue. Diese unglaubliche Fülle an Persönlichkeiten, Branchen, Aufgaben, Herausforderungen, die Diversität der Ausdrucksformen - alles das bietet genug Spielraum für ein ganzes Berufsleben ohne Langeweile.

Es fühlt sich für mich einfach sehr stimmig an: Wertschätzung und Kollegialität im Innern, positives Mandantenfeedback im Außen. Ein gesundes Klima für Motivation und Erfolg.

 

Tags

Interview
Diversity