01.12.2022
Im Zusammenhang mit der sog. Dieselthematik haben zahlreiche Verbraucher versucht, sich mittelbar dadurch vom Kfz-Kaufvertrag zu lösen, indem sie ihre auf den Abschluss des dazugehörigen Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerriefen. Der (wirksame) Widerruf führt nämlich dazu, dass nicht nur der Darlehensvertrag, sondern auch der mit dem Darlehensvertrag verbundene Kaufvertrag zum Erwerb des Fahrzeugs gemäß § 358 Abs. 2 BGB rückabgewickelt werden. Bei dieser Rückabwicklung tritt das finanzierende Kreditinstitut nach § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, sofern das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs zugeflossen ist. Diese Voraussetzung ist in der Regel gegeben.
Die vom Gesetz angeordnete Rückabwicklung erfolgt dann grundsätzlich wie folgt:
Das wirtschaftliche Risiko des Kreditinstituts bzw. spiegelbildlich der wirtschaftliche Vorteil für den Verbraucher hängt bei verbundenen Verträge mithin maßgeblich von der Berechnung des Wertersatzanspruchs ab.
In einer früheren Entscheidung (Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19) hatte BGH bereits klargestellt, dass die Höhe des Wertersatzanspruchs nach der Vergleichswertmethode zu ermittelt ist. Der Verbraucher hat danach die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrages und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe an den Darlehensgeber zu ersetzen. Maßgeblich ist dabei der objektive Wert des Fahrzeugs. Soweit allerdings der objektive Wert des Fahrzeugs den vereinbarten Kaufpreis übersteigt, ist letzterer maßgeblich.
Höchstrichterlich noch nicht geklärt war bislang die Frage, wie dieser (objektive) Verkehrswert jeweils zu bestimmen ist. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte war uneinheitlich. Während manche Gerichte zur Bestimmung des Verkehrswerts des Fahrzeugs bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher auf den Händlereinkaufspreis abstellten, hielten andere Oberlandesgerichte insoweit den Händlerverkaufspreis für maßgeblich. Umstritten war ferner, ob sich der Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher nach dem Netto- oder dem Bruttoverkehrswert richtet. Schließlich war fraglich, ob bei der Rückgabe des Fahrzeugs an das finanzierende Kreditinstitut der Händlereinkaufspreis oder der Händlerverkaufspreis für die Bestimmung des (objektiven) Verkehrswertes maßgeblich ist.
Das Urteil des BGH vom 25.10.2022 hat die oben dargestellten Streitfragen wie folgt beantwortet:
Nach Ansicht des BGH bemisst sich der Verkehrswert des Fahrzeugs bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher nach dem Händlerverkaufspreis. Dies folge, so der BGH, bereits aus dem Wortlaut von § 357 Abs. 7 BGB a.F. (nunmehr § 357a Abs. 1 BGB), in dem von „Wertverlust“ die Rede ist. Der Begriff Wertverlust bedeute, so der BGH, die Verringerung des materiellen Werts einer Sache, wobei sich der materielle Wert einer Sache in ihrem Verkehrswert ausdrücke. Der Verkehrswert wiederum sei der Preis, den ein durchschnittlicher Empfänger auf dem für ihn maßgeblichen Ankaufsmarkt hätte zahlen müssen, um die Ware zu erlangen. Dies sei im Falle des Kaufs eines Kfz der Händlerverkaufspreis, weil für den Verbraucher der Markt der gewerblichen Kraftfahrzeugverkäufer maßgeblich sei.
Auch der Sinn und Zweck von § 357 Abs. 7 BGB a.F. sprächen dafür, auf den Händlerverkaufspreis abzustellen. Der Wertersatzanspruch soll nämlich nach Auffassung des BGH den Nachteil ausgleichen, den der Unternehmer dadurch erleide, dass er die Ware nur zu einem reduzierten materiellen Wert zurückerhält, obwohl dieser Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang der Ware zurückzuführen ist. Aufgrund dieses Wertverlustes, so der BGH, sei es dem Unternehmer nicht mehr möglich, die Ware zu einem objektiven Wert zu verkaufen, die die Ware hätte, wenn der Verbraucher nur einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware notwendigen Umgang mit der Sache hatte. Damit sei dem Unternehmer hinsichtlich des finanzierten Gegenstands aufgrund des Wertverlustes zumindest teilweise die Gewinnmöglichkeit genommen, die ihm nach dem Regelungsziel des § 357 Abs. 7 BGB a.F. der Verbraucher zu ersetzen habe.
Die von einigen Oberlandesgerichten vertretene Gegenauffassung, die auf den Händlereinkaufspreis abstellt, führt nach Auffassung des BGH zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Verbrauchers und sei deshalb abzulehnen. Zu einer solch ungerechtfertigten Bereicherung würde es nämlich kommen, wenn der Verbraucher die Ware über einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendigen Umfang nutzt, dabei aber den dadurch entstandenen Wertverlust nur teilweise ausgleicht. Auch der mit der Verbraucherkreditrichtlinie verfolgte Sanktionscharakter im Fall unrichtiger Pflichtangaben stehe einer Bestimmung des Verkehrswertes nach dem Händlerverkaufspreis nicht entgegen. Denn der Sanktionscharakter unrichtiger Pflichtangabe bestehe nur darin, dass dem Verbraucher ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zustehe.
Der BGH ist darüber hinaus der Auffassung, dass sich der Verkehrswert bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher nach dem Bruttoverkehrswert richtet und folglich die Umsatzsteuer und die Marge des Verkäufers nicht herauszurechnen seien. Auch insoweit zieht der BGH zur Begründung seiner Ansicht den Wortlaut von § 357 Abs. 7 BGB a.F. sowie Sinn und Zweck der Norm heran. Der Umstand, dass es sich bei der Umsatzsteuer um einen durchlaufenden Posten handele, sei unerheblich. Denn entscheidend gegen ein Abstellen auf den Nettoverkehrswert spreche, dass es in diesem Fall zu einer durch ungerechtfertigten Bereicherung des Verbrauchers kommen würde.
Für die Bestimmung des Verkehrswerts bei Rückgabe des Fahrzeugs hält der BGH hingegen den Händlereinkaufspreis für maßgeblich. Dies sei, so der BGH, der Preis, zu dem der Verbraucher das Fahrzeug veräußern könne; zudem stelle dieser Preis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rückgabe auch den Wert des Fahrzeugs für den Händler dar. Der BGH leitet dies aus seinen zuvor aufgestellten Vorgaben für den Begriff des Wertverlust ab und hat mithin seine Definition im Sinn, dass der Verkehrswert der Preis sei, den ein durchschnittlicher Empfänger auf dem für ihn maßgeblichen Ankaufsmarkt hätte zahlen müssen, um die Ware zu erlangen.
Das Urteil des BGH führt im Ergebnis zu einem vergleichsweise höheren Wertersatzanspruch des Kreditinstituts. Sofern das finanzierte Fahrzeug noch nicht zurückgegeben worden ist, lässt sich die exakte Höhe des Wertersatzanspruchs freilich noch nicht ermitteln. Das prozessuale Mittel der Wahl ist in diesen Fällen die positive Feststellungsklage, die auf die Feststellung der entsprechenden Wertersatzpflicht des Verbrauchers gerichtet ist. In dem hier genannten Urteil hat der BGH in solchen Fällen die Feststellungsklage ausdrücklich für zulässig erachtet.
Daniel Latta
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