07.04.2025
Der Bundesgerichtshof hat am 13. März zwei richtungsweisende Entscheidungen zum ärztlichen Wahlleistungsrecht (Az. III ZR 40/24 und III ZR 426/23) verkündet. In dem Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen III ZR 40/24 liegt nun die schriftliche Begründung vor. Der III. Zivilsenat entschied, dass eine auf Initiative des Krankenhausträgers beziehungsweise eines Wahlarztes getroffene Wahlleistungsvereinbarung mit dem Inhalt, dass wahlärztliche Leistungen ohne besondere Bedingungen durch einen anderen Arzt als Vertreter des Wahlarztes ausgeführt werden, nichtig sind.
Die Patientin schloss im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes mit dem Krankenhausträger eine Wahlleistungsvereinbarung und unterzeichnete zusätzlich eine „Patientenerklärung zur Vertretung des Wahlarztes“ mit folgendem Inhalt:
„die vorgesehene stationäre ärztliche Behandlung kann ich unter Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen auch dergestalt durchführen lassen, dass in Vertretung von Herrn Prof. Dr. med. L. Frau/Herr [handschriftlich eingetragen: 'Dr. S. ] tätig wird. Entscheide ich mich für diese Möglichkeit, ist von mir an die St. F. GmbH ein wahlärztliches Honorar in gleicher Weise wie im Falle der persönlichen Leistungserbringung durch diesen selbst zu entrichten (Variante Nr. 2)“
Am Folgetag wurde die Patientin von Dr. S. operiert. Den unstreitig zutreffend nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ermittelten Betrag in Höhe von EUR 3.300,87 beglich die Patientin jedoch nicht.
Das erstinstanzliche Gericht hatte die auf Zahlung des Rechnungsbetrags gerichtete Klage des Krankenhausträgers abgewiesen. Auf die Berufung des Krankenhausträgers hat das Berufungs-gericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Patientin zur Zahlung des Rechnungsbetrags verurteilt.
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen vertraglichen Anspruch des Krankenhausträgers gegen die Patientin auf Zahlung der in Rechnung gestellten Vergütung für wahlärztliche Leistungen bejaht hat.
Der Krankenhausträger sei nicht berechtigt, die erbachten Wahlleistungen abzurechnen, weil es insoweit an einer wirksamen Vergütungsvereinbarung fehle.
Die Wahlleistungsvereinbarung selbst weise Dr. S weder als Wahlarzt noch in zulässiger Weise als ständigen Vertreter aus. Die die Wahlleistungsvereinbarung insofern modifizierende „Patientenerklärung zur Vertretung des Wahlarztes“ verstoße gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG.
Der III. Zivilsenat führte insoweit erneut aus, dass, sofern der Arzt weder in der Wahlleistungsvereinbarung als Wahlarzt benannt noch von der in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG normierten Wahlarztkette erfasst ist, seine Leistungen nicht als eigene Wahlleistungen liquidiert werden könnten. Eine gesonderte Abrechnung durch einen liquidationsberechtigten Wahlarzt als wahlärztliche Leistungen im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG käme weiterhin nur unter der besonderen Voraussetzung in Betracht, dass sie als selbständige ärztliche Leistungen (eigene Leistung) des Wahlarztes gelten. Eigene Leistungen im gebührenrechtlichen Sinne seien weiterhin solche, die der Wahlarzt selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Die seine Disziplin prägende Kernleistung müsse der Wahlarzt grundsätzlich persönlich und eigenhändig erbringen.
Entscheidend für die Unwirksamkeit der Vertreterregelung, welche die Ausführung von Wahlleistungen ohne besondere Bedingungen einem ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes überträgt, sei insbesondere, dass die „gewünschte Stellvertretung“ auf Initiative des Krankenhausträgers beziehungsweise des Wahlarztes vereinbart wurde.
Ferner sei die vorliegend in Rede stehende Vertretungsregelung deswegen nicht mit § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntG vereinbar, da sie grundlegend gegen die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen zur wahlärztlichen Leistungserbringung verstoße. Sie konterkariere den Kerngehalt einer Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen nämlich der persönlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt. Ein schützenswertes Interesse des Krankenhausträgers beziehungsweise des liquidationsberechtigten Arztes an einer solchen Abrechnungsmöglichkeit sei nicht erkennbar. Dem Krankenhausträger stehe insofern auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, da die erbrachten ärztlichen Leistungen nur als Leistungen im Rahmen des zwischen den Parteien wirksam geschlossenen Krankenhausaufnahmevertrags anzusehen sind und deshalb nicht gesondert berechnet werden können.
Mit dieser Entscheidung wurde der Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch einen anderen Arzt als Vertreter des Wahlarztes ohne besondere Bedingungen eine deutliche Absage erteilt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum wahlärztlichen Leistungsrecht gibt Anlass, das System und die Dokumentation im Zusammenhang der Erbringung wahlärztlicher Leistungen in den Krankenhäusern einer Überprüfung zu unterziehen, um das Bestehen wirksamer Vergütungsvereinbarungen zu gewährleisten.
Für Rückfrage zu diesem und anderen medizinrechtlichen Themen stehen Ihnen unsere Expertinnen aus der Industriegruppe Health Care & Life Science Dr. Eva Maria K. Rütz und Frances Wolf zur Verfügung.
Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.
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